Von Erhard Metz
„Gelsenkirchener Barock“ – ein Spottwort für einen Möbelstil der Wirtschaftswunderzeit der jungen Bundesrepublik, für ein Mobiliar, seinerzeit beliebt bei einer kleinbürgerlich-spießigen Aufsteigerkultur im von der Kohle- und Stahlindustrie geprägten „Kohlenpott“, dem Ruhrgebiet also. Diese Möbel, zum Teil im sogenannten „altdeutschen“ Stil bzw. was man dafür hielt, waren durchaus von oft hoher materieller Qualität, aus Massivholz, vorwiegend Eiche, auch bei industrieller Fertigung aus dem Vollholz gefräst und geschnitzt, sauber verarbeitet und entsprechend teuer. Das Bildungsbürgertum betrachtete schon damals diesen Stil als Kitsch, der vor allem der Bauhaus- und Werkbundkultur ein Greuel war und bis zur Stunde ist.
Was wir – noch bis zum 12. November 2017 – in der zur Städelschule gehörenden Ausstellungshalle Portikus auf der Frankfurter Maininsel sehen und bewundern können, ist vom Künstlerduo Daniel Dewar & Grégory Gicquel sicher nicht als Persiflage auf jenen Möbelstil gedacht, das wäre – auch wenn sich beim Betrachter auf den ersten Blick ein solcher Eindruck einzustellen vermag – wesentlich zu kurz gegriffen. Vielmehr setzen sich die beiden Künstler zum einen mit klassischen Formen der Skulptur und mit traditionellen handwerklichen Techniken – hier der Holzbildhauerei und -schnitzerei – auseinander. Noch mehr geht es ihnen aber, wie bereits der Titel der Ausstellung „The Mammal and the Sap“ (Das Säugetier und der Saft) anklingen läßt, um eine Auseinandersetzung mit dem Menschlichen und dem Tierischen, mit dem Lebenssaft, der beide ebenso wie die Vegetation und damit auch alles lebendige Holz in vielfältiger Weise durchfließt – wobei dies alles als Metapher für das Verhältnis zwischen Bildhauer und bildhauerischem Material verstanden werden kann.
Oak dresser with harnessed oxen, 2017, Eiche, 141 x 135 x 100 cm (Totale und Detail)
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