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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Archiv für Januar, 2017

Joachim Gaucks Ehrung in Paris

2017, Januar 29.

À Paris, à Göttingen und demnächst à Francfort

Zum Ende seiner Amtszeit wurde Bundespräsident Joachim Gauck in Paris nicht nur vom Präsidenten der Französischen Republik, François Hollande, mit allen Ehren empfangen. Im Rahmen der „Semaine franco-allemande“, der deutsch-französischen Woche (23. bis 28. Januar 2017), traf er auch mit verschiedenen Vertretern der französischen Kultur und Gesellschaft zusammen. An der traditionsreichen, renommierten, auf Literatur, Sprachen, Geistes- und Sozialwissenschaften spezialisierten Universität Paris-Sorbonne wurde dem Bundespräsidenten in einem Festakt die Ehrendoktorwürde verliehen. Aus diesem Anlass hielt Gauck eine bemerkenswerte Rede, in der er die deutsch-französische Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg würdigte und im Wahljahr in Frankreich und Deutschland an die Bedeutung Europas erinnerte.

Eindrücke von Petra Kammann

Als Joachim Gauck bei seinem offiziellen Staatsbesuch in Frankreich vor mehr als drei Jahren als erster deutscher Staatsmann das französische Dorf Oradour, das 1944 von der Waffen-SS bis auf einen Überlebenden ausgelöscht worden war, besuchte, und er die angemessenen Worte dafür fand, schien ein Bann in der aktuellen deutsch-französischen Beziehung gebrochen zu sein, und es entwickelte sich daraus eine fast emotional zu benennende Beziehung zu Staatschef François Hollande. Der empfing Gauck nun auch besonders herzlich bei seinem Abschiedsbesuch in Frankreich im Elysée-Palast.

Dies mag auch der Grund dafür sein, warum unser Nachbarland den Präsidenten, dessen Funktion mit der in Frankreich nicht vergleichbar ist, mit besonderer Aufmerksamkeit und Ehre bedachte und Gauck die Ehrendoktorwürde verlieh. Und das mitten im Herzen von Paris, im Amphithéâtre, dem AudiMax der renommierten alten Sorbonne, unter deren Kuppel das gewaltige Wandgemälde „Der geweihte Wald“ von Puivis de Chavannes die Wissenschaften illustriert. Die herausragenden Köpfe und Denker Frankreichs wie Robert Sorbon, Gründer der Sorbonne, wie die Mathematiker-Philosophen Blaise Pascal oder René Descartes oder aber der gebildete Kardinal Richelieu treten als lebensgroße klassische Statuen in den Ädikulä zwischen den klassizistischen Säulen hervor. Auch wenn der Bau der Sorbonne im Quartier latin jünger ist, so wurde die älteste Universität Sorbonne schon Mitte des 13. Jahrhunderts als Theologenkolleg gegründet, während es heute 13 unabhängige Pariser Universitäten gibt, von denen einige noch den Zusatznamen Sorbonne in der Bezeichnung tragen.

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Audi-Max der Sorbonne: das Grand Amphithéatre Weiterlesen

Discovery-Project 2017 des Hessischen Rundfunks in der Jahrhunderthalle

2017, Januar 28.

UrSprung“ – Elektronik, Klassik, Klassik recomposed

Einmal im Jahr gibt es das aussergewöhnliche Konzert des hr-Sinfonieorchesters „Discovery Project“ für Jugendliche und Junggebliebene. Ein Muss für Musikliebhaber des Experiments am 27. und 28. Januar 2017 jeweils um 20 Uhr in der Höchster Jahrhunderthalle.

Impressionen beim Probenbesuch von Renate Feyerbacher

Lange dauerte diesmal die Probe in der Oberurseler Stadthalle. Es musste an Computern geschaltet werden, nicht sofort klappte alles. „Bolero recomposed“ steht auf dem Probenzettel. Es braucht einen Moment, bis Motive aus Maurice Ravels „Bolero“, der Neukomposition von Moritz von Oswald erkannt wurden. Er studierte an der Hamburger Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Orchesterschlagwerk, das er zunächst auch mit grossen Dirigenten und Orchestern ausübte. Dann wurde er Mitglied der „Formation Palais Schaumburg“ der Neuen Deutschen Welle.

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Moritz von Oswald in der Probe
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Topographie des Terrors

2017, Januar 27.

Vor 25 Jahren, am 28. Januar 1992, gründete der Senat von Berlin die Stiftung „Topografie des Terrors“. Träger sind heute das Land Berlin und die Bundesrepublik Deutschland. Aufgabe der Stiftung ist die „Vermittlung historischer Kenntnisse über den Nationalsozialismus und seine Verbrechen“ sowie die „Anregung zur aktiven Auseinandersetzung mit dieser Geschichte, einschließlich ihrer Folgen nach 1945“.

Renate Feyerbacher

besuchte Ende 2016 das „Dokumentationszentrum Topographie des Terrors“ der Stiftung in der Berliner Niederkirchnerstraße. Zum heutigen Holocaust-Gedenktag (27. Januar) ihr Bericht mit persönlichen Eindrücken und Erinnerungen:

Fotos mit dem Text über die Hinrichtung von elf „Fremdarbeitern“ verschiedener Nationalitäten durch Beamte der Kölner Gestapo ziehen mich in Bann. Es war in Köln-Ehrenfeld im Oktober 1944, nicht weit von meinem Elternhaus entfernt. Unter den Fotos liegen Prozessakten aus den Unterlagen der Kölner Staatanwaltschaft vom 14. September 1967. Angeklagt waren ein ehemaliger Gestapo-Beamter, der als Augenzeuge dabei war, und ein ehemaliger Mitarbeiter der Staatspolizeistelle Köln. Dieser hatte die Todesurteile verlesen. Er wurde vom Staatsanwalt gefragt, ob er versucht habe, die Verlesung des Papiers abzulehnen. Nein, das habe er weder versucht noch erwogen. Zwei Jahre später wurde das Verfahren eingestellt, weil ihm keine Straftat nachgewiesen werden konnte. Zu sehen sind die Dokumente in der Topographie des Terrors in Berlin.

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Dokumentationszentum Topographie des Terrors; Foto: Bildwerk / Stiftung Topographie des Terrors

Zentrale des Terrors“ – dieser Name hätte es ursprünglich sein sollen, aber er war bereits vergeben. Nun heisst das Dokumentationszentrum „Topographie des Terrors“. Warum dieser aussergewöhnliche Name für eines der meist besuchten Museen in Berlin? Der Begriff kommt aus der Karthographie. Die geografische Lage bestimmte den Namen. Es ist der „Ort der Täter“. Das Gebäude der „Topographie des Terrors“ liegt heute in der Niederkirchnerstrasse, der ehemaligen Prinz-Albrecht-Straße, die an die Wilhelmstraße stösst. Weiterlesen

Das Zillertal und der Hintertuxer Gletscher: Atemraubend im Sinne des Wortes

2017, Januar 25.

Von Elke Backert

Immer wieder erzählten Freunde, wie schön es doch im Tiroler Zillertal sei – im Sommer wie im Winter. Das muss man also  selbst auch einmal erleben. Gesagt, getan.

Hamburger Besucher, hört man dort vor Ort, seien sehr zahlreich. Das liege wohl auch daran, dass Hamburg besonders viele Ski-Clubs habe. Münchner haben es einfach, sie fahren mit dem Zug, steigen hinter der Grenze in Jenbach um in die Zillertal-Bahn, lassen sich von ihrem Hotel an der Endhaltestelle Mayrhofen abholen, das sie dann in Kürze nach Hintertux bringt, etwa in den Klausnerhof. Dort erzählt die Wirtin bei einem Empfang der neuen Gäste, sie hätten sogar sehr viele Stammgäste aus Hamburg, ein 87-Jähriger sei im Sommer für mehrere Wochen das 130. Mal bei ihnen zu Gast gewesen. Das lässt aufhorchen.

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↑ Die Berggipfel mit Schnee und Fels in den Zillertaler Alpen
↓ Ein Alpengruß aus den Zillertaler Alpen

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„Ernani“ von Giuseppe Verdi konzertant an der Oper Frankfurt

2017, Januar 22.

Rettung und Katastrophe – Ein Sängerfest

Von Renate Feyerbacher
Fotos: Wolfgang Runkel / Oper Frankfurt

Nur noch einmal, am heutigen Sonntag, 22. Januar 2017, wird Verdis Oper, die in Frankfurt vor zwei Tagen ihre konzertante Erstaufführung hatte, dargeboten: ein umjubelter Opernabend dank der ausgezeichneten Sängerriege, einem hervorragenden Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter Leitung von Simone Young und einem stimmgewaltigen Chor (Einstudierung Tilman Michael).

Eine konzertante Aufführung ist nicht jedermanns Sache, hat aber den Vorteil, dass man sich ganz auf das Musikalische und das Interpretatorische konzentrieren kann. Durch eine szenische Umsetzung hätte der komplexe Inhalt natürlich besser verstanden werden können, zumal die deutschen Übertitel der italienisch gesungenen Partien nicht von allen Plätzen aus lesbar sind – so die Klage einer Dame in der Pause.

Ernani (Oper Frankfurt, 2017)

vorne v.l.n.r.: Tilman Michael (Chordirektor), Ingyu Hwang (Don Riccardo), Kihwan Sim (Don Ruy Gomez de Silva), Franco Vassallo (Don Carlos), Simone Young (Musikalische Leiterin), Alfred Kim (Ernani), Elza van den Heever (Elvira), Maria Pantiukhova (Giovanna) und Thomas Faulkner (Jago) sowie im Hintergrund das Frankfurter Opern- und Museumsorchester und den Chor der Oper Frankfurt; Foto © Wolfgang Runkel
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Paris, mon amour – Ein poetisches Sinnenerlebnis

2017, Januar 14.

hr2-Kulturlunch mit einer musikalisch-literarischen Liebeserklärung an Paris, die faszinierende Metropole an der Seine

Impressionen von Petra Kammann

Paris – die Stadt der Liebe? Das Paris-Bild hat sich seit den Anschlägen vom 13. November 2015 gewandelt, so scheint es. Denn der Terrorismus machte Paris zu einer verwundeten Stadt. Die Unbeschwertheit, die berühmte französische „Joie de vivre“, hat die Stadt seit dem Terror verloren. Auf den Straßen, in den öffentlichen Verkehrsmitteln sah man seither statt eng umschlungener Liebespaare und Touristen eher patroullierende Soldaten und Zivilpolizisten. Und noch immer gilt im Land der Ausnahmezustand. Aber das Leben geht weiter. Allen Unkenrufen zum Trotz haben die Franzosen ihr altes Leben wieder aufgenommen, sitzen in den Cafés, trinken Rotwein, gehen in Ausstellungen, besuchen ihre Cabarets und fahren natürlich auch Métro.

Und umso schöner, dass nun der Hessische Rundfunk mit seinem begehrten hr2-Kulturlunch Anfang Januar 2017 an ein poetisches Paris erinnerte, das Sehnsüchte an eine quicklebendige Metropole, die man einfach lieben muss, wieder wachsen ließ: „Paris, mon amour!“

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Als Paris-Kenner las der Schauspieler Wolfram Koch die sehr verschiedenartigen literarischen Texte passgenau und Angelika Bierbaum fand die richtigen überleitenden Worte Weiterlesen

„Xerxes“ von Georg Friedrich Händel an der Oper Frankfurt

2017, Januar 12.

Krankhafter Liebeskummer, Chaos, Intrigen, Verkleidung – eine königlich-durchgeknallte Gesellschaft

Von Renate Feyerbacher
Fotos: Barbara Aumüller / Oper Frankfurt

Die Oper ist eine der letzten und eine der meistgespielten des Komponisten. Am 8. Januar 2017 hatte sie Premiere in Frankfurt am Main. Es war eine umjubelte Erstaufführung – anders als bei der Uraufführung 1738 in London. Händel hatte „Xerxes“ nach seinem Aufenthalt in Aachen, wo er sich nach seinem Schlaganfall wieder erholt hatte, komponiert. Gefiel den Londonern diese neue Sicht auf die Gesellschaft nicht? Denn die Musik hat mehr zu bieten als das gleich zu Beginn nach der Ouvertüre gesungene Largo (Larghetto) „Ombra mai fu“ des Titelhelden, auch heute immer wieder zu hören. Ein Liebeslied an eine Platane, um deren Vergänglichkeit er bangt. Danach geht es aber rund: Xerxes demonstriert Macht. Eine Brücke zwischen Asien und Europa hat der persische Herrscher errichten lassen. Die Historie weiss, dass Xerxes den Brückenschlag nicht schaffte. Dennoch „Jubelchöre“ auf der Bühne – Missverständnisse musikalisch und inhaltlich.

Von Anfang an zeichnet sich die Einsamkeit in Sachen Liebe der sieben handelnden Personen ab sowie ihr Misstrauen gegeneinander, ihre Eifersucht, ihre Angst vor Xerxes.

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Gaëlle Arquez (Xerxes; in schwarzem Anzug) und Elizabeth Sutphen (Romilda); Foto © Barbara Aumüller Weiterlesen

Kultur unter Realitätsdruck

2017, Januar 8.

Von Gunnar Schanno

Wir hatten es von der Unterscheidung zwischen Kultur und Zivilisation. Zu den primären Anliegen im heutigen Zivilisationsverständnis gehört die Sicherung menschenwürdiger Lebensbedingungen und dies zunächst in rein physischer Hinsicht. Die Verminderung körperlichen Unwohlseins, ein Leben in Schmerzlosigkeit, so lauten die nächstliegenden und vitalsten Ziele. Jeder prüfe es an sich selbst! Technik und institutionelle Regelungen, wie sie auch für den Gesundheitssektor bereit stehen, führen auf diesen Weg. Forschung und Erkenntnis auf allen Gebieten der Wissenschaften sind die begründenden Wegbereiter. Menschen etwa auch nahöstlicher Kulturen machen sich auf den Weg auf der Suche nach medizinischer Behandlung auf höchstem Erkenntnis-Niveau, von dem sie von fernher hören. Funktionsformen und Anwendungen basieren auf einem Niveau, wie es von menschlichen Gesellschaften über die Jahrhunderte hin nur in freien, spezifischer gesagt, tabufreien Zivilisationsräumen erreicht wurde.

Die fernhergereisten Gesundheitssuchenden lassen ihre eigene Kultur für einige Tage oder Wochen zurück, vertrauen sich nicht religiösen Führern, sondern den Göttern in weißen Kitteln an, begeben sich unter Menschen, die sie aus eigener religiös-kultureller Sicht vielleicht als die Unreinen und Ungläubigen wahrnehmen. Doch geben die Weithergereisten auch indirekte Kunde davon, dass ihr tradiertes Lebens- und Seinsverständnis von der Realität eingeholt wird und verdeutlichen eher unbewusst oder ungewollt, nicht selten unter verhüllenden Habits, dass ihre heimatliche Kultur, besonders jene religiös-abgegrenzter Ausprägung, unter Realitätsdruck steht. Ein Merkmal nämlich jeder Kultur ist, dass sie unaufhörlich unter Realitätsdruck steht, und freilich auch die unsere. Das Paradoxe daran scheint, dass die auf Zeitlosigkeit und Absolutheit hin angelegte Kultur immerzu unter dem Korrektiv des Zeitverhaftetsten im Sinne dynamisch rational-bestimmter Zivilisation steht.

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Nettomigrationsrate für 2011: Per-Saldo Zuwanderung (Blau), Per-Saldo Abwanderung (Orange), Per-Saldo keine Veränderung (Grün), keine Daten (Grau); Quelle/Bildnachweis: wikimedia commons / GNU Free Documentation License GFDL Weiterlesen

„Hinter dem Vorhang“ im Düsseldorfer Museum Kunstpalast

2017, Januar 4.

Vorhang auf, Vorhang zu und alle Fragen offen …

Im Museum Kunstpalast in Düsseldorf widmet sich eine Ausstellung dem Wechselspiel zwischen Zeigen und Verbergen, Enthüllen und Verhüllen: „Hinter dem Vorhang“. Die Palette der Exponate – Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen, Installationen, Fotografien – reicht von der Malerei der Renaissance und des Barock über die Kunst der Moderne bis hin zur Gegenwart, von Tizian über Rubens bis Gerhard Richter. Die hochkarätigen Leihgaben aus internationalen Museen und Privatsammlungen sind noch bis zum 22. Januar 2017 in der Ausstellung zu sehen, u. a. Werke von Lucas Cranach d. Ä., El Greco, Jacopo Tintoretto, Arnold Böcklin, Robert Delaunay, Max Beckmann, Cindy Sherman, Christo und Gerhard Richter.

Petra Kammann

hat sie sich angesehen

Vorhang, Schleier oder drapierter Stoff. Es beginnt sicher schon bei der Sorgfalt, welche die fast noch dem Mittelalter verhafteten Maler den schillernd hingegossenen Faltenwürfen eines Rockes der Darstellung der Muttergottes gewidmet haben. Die trennenden wie vermittelnden Stoffe, das Spiel von erster und zweiter Natur, von Realität und Fiktion, hat die Phantasien der Maler und Bildhauer, der Fotografen und Filmemacher immer wieder inspiriert, so auch Beat Wismer, den 2017 scheidenden Generaldirektor des Düsseldorfer Museum Kunstpalast. Ihm ist es nicht nur gelungen, anhand des Themas „Hinter dem Vorhang“ die Fragen der Kunstrezeption noch einmal gründlich neu zu stellen. Er hat auch künstlerische Schätze und Leihgaben nach Düsseldorf geholt, für die man zahlreiche aufwändige Reisen unternehmen müsste – insgesamt 200 ungewöhnliche Exponate von der Renaissance bis heute hat er in Düsseldorf zusammengetragen.

Das heißt nicht komplett alleine. Gemeinsam mit der Professorin am Institut für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin, Claudia Blümle, kuratierte Widmer die Ausstellung so, dass in sieben verschiedenen thematischen Gruppierungen ein Zusammenhang zwischen den so unterschiedlichen Exponaten hergestellt wird, dass sowohl die Ambivalenz als auch der Reiz des Verhüllens und Enthüllens sowie das sinnliche Verhältnis von bildender Kunst und Wahrnehmung in der Schau sichtbar wird.

Aino Kannisto, Untitled (Translucent Curtain), 2002 C-Print, Aluminium

Aino Kannisto, Untitled (Translucent Curtain), 2002, C-Print, Aluminium, 90 x 113 cm; courtesy Galerie m Bochum © Aino Kannisto Weiterlesen

Inge Kersting – Seelenabdrücke

2017, Januar 1.

Ein Atelierbesuch

Von Hanneke Heinemann

Noch mehr als andere produktive Menschen stehen Künstler, insbesondere Künstlerinnen, vor der Aufgabe, sich Freiräume zu schaffen, in denen sie nicht nur physisch, sondern auch mental Platz finden, die gefundenen und entwickelten Ideen in einer Form zu materialisieren, damit auch wir sie sehen und begreifen können. Ohne einen „Raum für sich selbst“ wird Kunst häufig nicht sichtbar und bleibt in der Person des Kunstschaffenden verschlossen.

Dieses Feuilleton berichtet regelmäßig und ausführlich über Kunst aus Ateliers, die von der Stadt Frankfurt gefördert werden. Dort finden Künstlerinnen und Künstler – in der Regel zeitlich begrenzt – einen Raum zum Austausch, aber auch zum konzentrierten Arbeiten. Kunst entsteht allerdings nicht nur hier. Und es lohnt sich, auch die Räume aufzusuchen, wo häufig unbeobachtet in gewerblichen Leerständen oder zur Untermiete in verschiedensten Räumlichkeiten beachtenswerte Kunst entsteht.

Inge Kersting empfindet es als großes Glück, dass sie nach Monaten des Suchens einen von zwei Fenstern erhellten Raum in der Nähe der Alten Oper für ihre Staffelei und ihren Aquarellblock gefunden hat. Vorher entstand ihre Kunst – da ist sie keine Ausnahme – auch in der eigenen Wohnung, in multifunktionalen Räumen also, in der die Abgrenzung zum Alltag nicht immer möglich ist.

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Inge Kersting

Die pragmatische Entscheidung, nicht freie Kunst zu studieren, sondern Kunstpädagogik und diese Tätigkeit auch jahrzehntelang auszuüben, treffen im Verhältnis besonders viele Künstlerinnen, da für sie immer noch der Kunstmarkt mit größeren Hürden versehen ist und sie die Sicherheit einer Anstellung schätzen. Julia Voss hat dies unlängst in einem engagierten Vortrag in einem Atelierhaus zum Thema gemacht. Weiterlesen