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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Axel Hütte. Night and Day“ im Düsseldorfer Museum Kunstpalast

Düsseldorfer Fotoschule: Phänomene des Sehens

von Angelika Campbell

Meine chinesische Freundin Jade fotografiert gern. Und sie will deutsche Kultur kennen lernen. Also auf zur Ausstellung „Axel Hütte. Night and Day“ im Düsseldorfer Museum Kunstpalast. Andächtig steht sie vor dem großformatigen Werk „Rio Negro 2 – Brazil“ „Es ist wie Traum“, sagt sie. Tatsächlich, die Arbeiten des Fotokünstlers, der als Meister der zeitgenössischen Landschaftsfotografie gilt und uns Bilder von allen Kontinenten mitgebracht hat, strahlen eine unwirkliche, geradezu träumerische Faszination aus, obwohl sie doch durchaus reale Motive abbilden. Die aber wurden bildnerisch mit den Mittel der Fotografie auf eine Art und Weise erfasst, dass sie fast wie aus einer anderen Welt scheinen.

Axel Hütte, Rio Negro-2, Brasil, 1998 C-Print, 187 x 237 cm © Axel Hütte

Die 70 Werke umfassende Ausstellung zum künstlerischen Schaffen von Axel Hütte (*1951) zeigt zum Teil neue und erstmals öffentlich präsentierte Tag- und Nachtbilder des Fotografen aus mehr als zwanzig Jahren. Das Spektrum der von Ralph Goertz gemeinsam mit dem Künstler kuratierten Ausstellung reicht vom „Furkablick“ aus dem Jahr 1994 bis hin zu einem erst Anfang 2017 in der Antarktis entstandenen Werkzyklus. Neben den großformatigen Fotoarbeiten sind zum ersten Mal auch zwei der seltenen Videoarbeiten des Künstlers zu sehen: „Attonitus“ (2014) und „Detroit“ (2017). Axel Hütte ist wie Andreas Gursky, Thomas Struth, Thomas Ruff und Candida Höfer aus der berühmten Klasse von Bernd Becher an der Düsseldorfer Kunstakademie hervorgegangen. Gemeinsam mit ihnen zählt er zu den bedeutenden, international anerkannten Vertretern der Düsseldorfer Fotoschule.

Für seine Aufnahmen bereist der in Düsseldorf und Berlin lebende Fotograf die ganze Welt. In eindrucksvollen Fotoarbeiten aus Europa, Nord- und Südamerika, Afrika, Australien, Asien und der Antarktis reflektiert er nicht nur die Phänomene des Sehens, sondern auch die Bedeutung der Wahrnehmung von Bild und Bildlichkeit, von Abbild und Realität.

Als pragmatische Chinesin überlegt Jade, wie diese oder jene Aufnahme überhaupt zustande kommen konnte: „Er hatte Helicopter – or not?“ Fotos aus dem Dschungel Venezuelas, Nachtaufnahmen amerikanischer und asiatischer Megacities, Sümpfe aus der Vogelperspektive, Tropfsteinhöhlen, Wasserfälle, die wie Eis erstarrt sind, Eis in de Antarktis, Nebelbänke, die über Felsen wabern, afrikanische Wüste, Australiens Outback – all diese Bilder lassen uns staunen. Dabei denken wir nicht nur über die technische und logistische Leistung nach, die dahinter steht, sondern auch über diese besondere Art der Bildgebung, die geprägt ist von einer unendlichen Stille und überwältigender Einsamkeit. Menschen sind nicht zu sehen…

Axel Hütte, Rheingau/Nebel-2, Germany, 2009, Ditone Print, 115 x 145 cm Courtesy Galerie Nikolaus Ruzicska, Salzburg © Axel Hütte

Jade hört einer Museumsführerin zu, die eine Gruppe von Schülern durch die Ausstellung begleitet. Sie erfährt, dass Axel Hütte für seine Aufnahmen die Plattenkamera bevorzugt. Diese erlaubt keine Schnappschüsse, erfordert stattdessen bei der künstlerischen und technischen Umsetzung seiner Bilder meist große Geduld – mit Belichtungszeiten von bis zu 40 Minuten. Kurator Ralph Goertz erläutert im Katalog: „Indem Axel Hütte bei seinen Aufnahmen mit einer technisch hergestellten Schärfenebene arbeitet, erreicht er in seinen Urwaldbildern, aber auch seinen sinnlich zarten Bildern des Rheingau-Zyklus, die radikalste Form der Präsentation von Natur.“

Jades Bewunderung für den Fotografen wächst. Sie stellt sich vor, wie er sein umfangreiches Equipment auf einen Berg schleppt oder durch dichtes Gestrüpp, wobei die Frage nach dem Helikopter noch immer nicht geklärt ist. Am Ende des Rundgangs nimmt sie auf einer Bank Platz, Hüttes wundervolle Impressionen aus Chinas Nachbarland Japan im Blick. Sie tippt chinesische Zeichen in ihr Samsung-Handy ein, sucht ein deutsches Wort und meint dann triumphierend: „Ich schwarme für dieses Fotograf!“ Ich korrigiere sanft und erkläre, sie solle besser sagen: „Ich schwärme für diese Fotografien!“. Aber Recht hat der Gast aus Shanghai: Die Schau „Axel Hütte .Night and Day“ kann einen zum Schwärmen bringen,. Sie erzeugt nicht unbedingt überschwängliche Begeisterung, sondern eher ruhige Bewunderung für die Werke einer Künstlerpersönlichkeit, für die Reisen und Schauen, Welt-Erfahrung und Natur-Wahrnehmung von wesentlicher Bedeutung sind. Mit Hüttes eigenen Worten vermitteln seine Fotografien „eine andere Art des Daseins, eine des Schauens, ein in der Landschaft sein“.

Ach ja, und noch ein weiteres deutsches Wort hat Jade im Museum Kunstpalast gelernt: „Wasserspiegelung“. Dafür gibt es in Axel Hüttes Fotografien etliche aufregend schöne Beispiele zu entdecken.

Die Ausstellung „Axel Hütte. Night and Day“ iin Düsseldorf, Museum Kunstpalast, ist bis zum 14. Januar 2018 zu sehen.

 

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