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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Archiv für September, 2008

Percorsi del colore – Albano Morandi und Manlio Onorato

2008, September 22.

Leserinnen und Leser dieser Seite kennen seit langem die Frankfurter Westend Galerie im Haus der Deutsch-Italienischen Vereinigung. Freunden der Galerie sind Morandi und Onorato keine Unbekannten, stellten doch beide Künstler in den Jahren 2001 beziehungsweise 2002 dort aus. In die aktuelle Ausstellung führt Sie die Kunsthistorikerin und Italianistin Friederike Schroeder ein:

Percorsi del colore – Wege der Farbe

Text: Friederike Schroeder

Am 13. September 2008 eröffnete die Frankfurter Westend Galerie, ein Forum für italienische moderne und zeitgenössische Kunst, die Ausstellung Percorsi del colore – Wege der Farbe. Gezeigt werden Arbeiten von Albano Morandi und Manlio Onorato, zwei Künstlern, die sich auf ganz unterschiedliche, wenn nicht sogar konträre Art und Weise mit dem Thema Farbe und Malerei auseinandersetzen. Die Ausstellung ist noch bis zum 31. Oktober 2008 zu sehen.

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Albano Morandi und der Leiter der Galerie, Salvatore A. Sanna

Die Unterschiede zwischen zwei Künstlern könnten kaum größer sein. In starkem Kontrast stehen sich Morandis Collagen und Assemblagen aus Materialien, die er dem Alltag entnimmt und zweckentfremdet, eine Art farbenfrohe arte povera, und Onoratos zarte, den Werken Rothkos und den mosaikhaften Bildern Klees nahe stehende Farbfeldkompositionen gegenüber.

Morandi verwendet als Bildträger unter anderem Schachteln, Metallplatten oder auch die Platte eines Schulpults, auf diesen fixiert er bunte Klebebänder oder Stoffe (Matratzenstoffe oder Möbelbezüge) und organisiert sie in ästhetisch ausgewogenen Kompositionen. Zuletzt werden die Collagen oder Assemblagen mit einer Wachsschicht überzogen, so dass das Farb- und Materialspiel gedämpft wird und dabei eine Einheit entsteht.

Manlio Onorato bedient sich der Pastell- oder Ölmalerei. Bei näherem Ansehen der Bilder entsteht im Auge des Betrachters eine starke Tiefenwirkung, und sie scheinen aus dem atmosphärischen Bildraum heraus zu leuchten.

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Manlio Onorato, Arcipelago, 2008, Öl auf Leinwand, 80 x 80 cm Weiterlesen

Eine Kreuzfahrt, die ist lustig …

2008, September 20.

Eine Kreuzfahrt, die ist lustig

Text: Ingrid Malhotra
Buchautorin und Fotografin

Fotografien: Ingrid Malhotra und Marion Toelle (2)

Wirklich?

Auch auf einer schwimmenden Kleinstadt?

Wir machen gerne Kreuzfahrten – wir, das sind vier Freunde, die viel unterwegs sind, mal alleine, mal zu zweit, mal zu viert.

Aber eine Kreuzfahrt auf einem dieser Riesendampfer können wir uns nur sehr schwer vorstellen. Deshalb sind wir ja auch so neugierig. Und deshalb haben wir auch nur die kleinstmögliche Kreuzfahrt gebucht: Southampton – Cork – Southampton.

Länger haben wir uns nicht getraut, denn uns steckt noch die Kreuzfahrt mit einem der Schiffe mit dem Kussmund in Erinnerung. Dort war der Altersdurchschnitt so niedrig, dass wir direkt alt aussahen. Irgendwie ziehen wir amerikanische Schiffe vor; dort ist der Altersdurchschnitt meist so hoch, dass wir uns fast wie die Kinder an Bord fühlen …

Die „Independence of the Seas“ ist ein amerikanisches Schiff.

Aber so gross! Fast 160.000 BRT, über 338 m lang, 1400 Mann Besatzung, Kapazität für 3328 Passagiere, 14 Etagen, hm, nein, Decks …Kann man sich auf einem so grossen Schiff noch wohl fühlen?

Na, mal sehen …

Die Anreise macht auf jeden Fall schon viel Spass: mit dem ICE nach Brüssel, nach (eher weniger spassigem) Check-in wie bei einer Flugreise weiter mit dem Eurostar unter dem Kanal hindurch nach London. Eine hatte Angst, klaustrophobisch zu werden beim Gedanken, dass so viel Wasser über ihrem Haupte fliesst, aber sie hat es einfach verschlafen.

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In London ist der alte Bahnhof St. Pancras gleich bei King’s Cross für den Eurostar wieder in Betrieb genommen worden Weiterlesen

Pascal Dubreuil mit Bachs Clavier-Übung I

2008, September 18.

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(Bildnachweis: RAMÉE)

JOHANN SEBASTIAN BACH

PARTITAS

CLAVIERBUNG I (1731) – BWV 825-830
P
ASCAL DUBREUIL, CEMBALO

Titus Crijnen, nach H.Ruckers, 1996, (2 CDs )

„Man hatte noch nie so vortreffliche Claviercompositionen gesehen und gehört. Wer einige Stücke daraus recht gut vortragen lernte, konnte sein Glück in der Welt damit machen; und noch in unserm Zeitalter wird sich ein junger Künstler Ehre damit erwerben können, so glänzend, wohlklingend, ausdrucksvoll und immer neu sind sie.“

Johann Nikolaus Forkel, der erste Biograph von Johann Sebastian Bach, schrieb diese Sätze 1802 Weiterlesen

Markus Elsner – der Polaroid-Künstler

2008, September 16.

Wir haben viel über Fotokunst berichtet auf dieser Seite. Aber es gibt immer noch Überraschungen der besonderen Art.

Die Produkte von Markus Elsner zum Beispiel. Auf so eine Idee muss man erst einmal kommen. Was tut er?

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Dolls & toys

Elsner hat sich der Polaroid-Fotografie verschrieben. Das war mutig, denn die Polaroid-Technik stirbt – ist eigentlich bereits gestorben, wenn nicht von irgendwoher eine wundersame Wiederbelebung geschieht. Die ist derzeit aber nicht in Sicht. Die Kamera- und Filmproduktion wurde eingestellt. Elsner hat – auf allen erdenklichen Wegen und durchaus global – die Filmbestände aufgekauft, derer er habhaft werden konnte. Deren Verfallsdatum naht aber mit dem Ende des Jahres 2009, spätestens in 2010. Dann ist Schluss, aus und vorbei. Weiterlesen

Wie werden wir uns im „Schwarzen Loch“ fühlen?

2008, September 11.

Gestern nahm am CERN der Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC) den Betrieb auf. Noch bis Ende dieses Jahres sollen – so hofft man – als Ergebnis bislang noch nicht realisierten Teilchen-Kollisionen spektakuläre Erkenntnisse zum Uralt-Thema

„Möchte wissen, was die Welt
im Innersten zusammenhält“

gewonnen werden.

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(CMS-Detektor des LHC; Foto: Muriel, wikimedia commons CC)

Otto Rössler, Doktor der Medizin, Professor für Physikalische und Theoretische Chemie sowie für Mathematik, bekannter Chaos-Forscher und Führer bizarrer juristischer Auseinandersetzungen gegen die Tübinger Universität, hält es für möglich, dass wir alle in gut vier Jahren in einem „Schwarzen Loch“ sitzen werden (oder auch liegen, stehen, sonstwie), das aus den Experimenten entstehen könne. Deshalb klagte er gegen den LHC vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Einen entsprechenden Eilantrag wies der Gerichtshof ab – die Mühlen der Justiz mahlen bekanntlich langsam. Eine Entscheidung in der Sache steht noch aus. Sie dürfte, falls sich die Prognosen Rösslers bestätigen sollten, auch nicht mehr wichtig sein, sässen die Strassburger Richter dann doch selbst und in schöner Eintracht mit dem Kläger im „Schwarzen Loch“. Weiterlesen

Absolventenausstellung 2008 der Städelschule

2008, September 10.

Ende 2008 ? Anfang 2008!

„Ende 2008“ heisst die diesjährige Abschlussausstellung der Absolventinnen und Absolventen der Staatlichen Hochschule für bildende Künste, der Städelschule in Frankfurt am Main. Eine gute Tradition findet damit ihre Fortsetzung.

Aber der diesjährige Titel scheint ein wenig resignativ anzumuten, sollte doch ein erfolgreicher Hochschulabschluss einen Anfang, den Schritt in einen neuen Lebensabschnitt bedeuten, in welchem man  – endlich – auf eigenen Füssen steht und seine weiteren persönlichen und beruflichen Perspektiven so frei wie möglich gestalten kann. Deshalb möchten wir den Studienabgängern lieber zurufen: Anfang 2008! Weiterlesen

Zaghaft oder mutig? Susanne Gaensheimer beginnt ihre MMK-Direktion mit einer Kooperation

2008, September 5.

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MMK, Ansicht von Osten (Bildnachweis: MMK Frankfurt am Main)

Seit kurzem sind wir etwas klüger: Susanne Gaensheimer, von Beginn des kommenden Jahres an neue Direktorin des Frankfurter Museums für Moderne Kunst, gab einen ersten Ausblick auf ihre künftige Arbeit für dieses Haus. Und:

Alles hat seine zwei Seiten, sagt eine alte Weisheit.

Zunächst die eine Seite, die uns mit ein wenig Bedenken, ja vielleicht Sorge erfüllen könnte: Die neue Direktorin debütiert in ihrer für Anfang des kommenden Jahres angekündigten (Sonder-)Ausstellung in dem zuvor von Jean-Christophe Ammann und Udo Kittelmann geleiteten Haus mit einer Kooperation, und zwar mit dem von vielen mehr und mehr als Frankfurter Museums-Übervater angesehenen (de facto-General-)Direktor von Städel Museum, Liebieghaus Skulpturensammlung und SCHIRN Ausstellungshalle, Max Hollein, wenn auch der Form nach allein mit dem Städel. Ein für das MMK ungewöhnlicher Schritt. Wird er, kann er der mit einiger Spannung erwartete profilierte wie profilbildende Auftritt der neuen Leiterin sein? Könnte er gar als ein Zeichen gedeutet werden, die bisherige selbstbewusste Eigenständigkeit des MMK werde relativiert?

Die andere Seite: Eine Geste, derzeit vorhandene Rivalitäten zu beenden, Gräben zuzuschütten und vielleicht sogar erfolgreich zu bepflanzen: Gerade in der Form einer Zusammenarbeit mit anderen Frankfurter Häusern und einer kooperativen, integrativen gegenseitigen Berücksichtigung der jeweiligen Bestände, vor allem wenn es im konkreten Fall um ein wertvolles gemeinsames Erbe der Museen dieser Stadt, um nichts Geringeres nämlich als das Vermächtnis von Peter Roehr geht, einem ihrer grossen (wenn auch damals erst Mitte der 1950er Jahre zugezogenen) Künstler-Söhne.

Das MMK präsentierte bereits im Frühjahr und Sommer 2004 aus seiner Sammlung zum 60. Jahrestag des Geburtstags von Peter Roehr wichtige Werke des 1944 geborenen Malers und Objektkünstlers. Auch das Städel Museum verfügt über eine Reihe von Arbeiten Peter Roehrs.

Der 1968 im Alter von nur 24 Jahren verstorbene Roehr hinterliess in den wenigen Jahren seines Schaffens mit seinen rund 600 Werken eines der eindrucksvollen Œuvres seiner Zeit. Wir erinnern uns gut an die genannte Gedächtnisausstellung im MMK und haben neben anderem die im Quadrat jeweils 36fach multiplizierten Autoreifen, Autositze oder Henninger-Türme im Gedächtnis. Deshalb sehen wir der angekündigten Gemeinschaftspräsentation erwartungsvoll entgegen.

Alles hat seine zwei Seiten:

Welche den Ausschlag im Haus an der Domstrasse geben wird, werden wir in den nächsten Monaten und Jahren sehen. Und wir sind einigermassen zuversichtlich, dass sich die eingangs angedeutete Besorgnis als unbegründet erweisen wird.

→   Peter Roehr – Werke aus Frankfurter Sammlungen


Das grüne Kanapee / 4

2008, September 3.

Wir haben, liebe Leserinnen und Leser, lange nicht mehr auf dem grünen Kanapee gesessen. Tun wir dies und setzen wir uns nieder, indem wir es anklicken, und lauschen wir dem Dichter habust:

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(©  habust; Foto: GearedBull wikimedia commons GFDL)


Quo vadis, Bayreuth?

2008, September 2.

Zurückgekehrt vom „Grünen Hügel“, noch das den Auftritt der Regisseurin Katharina Wagner begleitende, fast schon tumultartige Buh-Gebrüll erboster Wagnerianer, festspielgeübter Wichtigmacher und notorisch Spass-am-Buh-Habender nach der letzten Bayreuther „Meistersinger“-Aufführung am vergangenen Mittwoch in den Ohren, schien es eventuell doch noch einmal spannend zu werden vor der Sitzung des Stiftungsrats am 1. September, dem Tag nach dem Rückzug des legendären Wolfgang Wagner von der Festspielleitung.

Das Ergebnis ist – Minuten nach seiner Verkündung – landauf, landab bekannt: Mit 22 Stimmen bei zwei Enthaltungen betraute das 24köpfige Gremium die beiden Wolfgang Wagner-Töchter Eva Wagner-Pasquier und Katharina Wagner mit der Gestaltung des künftigen Geschehens auf dem Grünen Hügel. Beide wollen erklärtermassen in Kooperation mit dem Dirigenten Christian Thielemann als künstlerischem Berater „die Festspiele wieder zum weltweit führenden Theater der Wagner-Interpretation machen“.

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(Richard Wagner Festspielhaus am Grünen Hügel in Bayreuth; Foto: Rico Neitzel wikimedia commons CC)

Ja, spannend wurde es schon deshalb, weil Katharina Wagner mit ihrem letztjährigen Bayreuther Regiedebut und damit einer in der Kritik heftig umstrittenen Arbeit alles andere als einen eindeutigen und bejubelten Erfolg gelandet hatte. Spannend aber auch deshalb, weil das grosse deutsche Print-Feuilleton – Sie wissen ganz sicher, welches, weil es seit Wochen über die gegenwärtigen Inkarnationen wagnerischen Wesens in nicht immer feiner Weise herzieht – pausenlos und noch in seiner Ausgabe vom Tag der Zusammenkunft des Stiftungsrats die Werbetrommel für das Bewerberpaar Nike Wagner / Gérard Mortier geschlagen und die Bewerbung der beiden jetzt siegreichen Wolfgang-Töchter mit einem regelrechten Flächenbombardement belegt hatte. Vielleicht war das am Ende dann doch zu plump geraten. Weiterlesen