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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Archiv für November, 2016

„OPEN STUDIOS“ im ATELIERFRANKFURT (2)

2016, November 30.

Temporär für eine Woche: Gruppenausstellung „facing“
Eine Nachlese

Von Erhard Metz

Neben zahlreichen künstlerischen Aktivitäten präsentierte ATELIERFRANKFURT zu seinen diesjährigen „Open Studios“ eine bemerkenswerte Gruppenausstellung mit dem Titel „facing“, kuratiert von Nina Reichert und Marie Schaarschmidt. Beteiligt waren die sechs Künstlerinnen und Künstler Jo Albert, Jörg Ahrnt, Girmachew Getnet, Matthias Grübel, Dieter Mammel und Mirjam Martinovic, die sämtlich ihre Ateliers im Künstlerhaus haben.

Sechs höchst unterschiedliche Positionen vereinte die Ausstellung, die sich jeweils mit dem Begriff „facing“ auseinandersetzten. Durchaus vieldeutig lässt sich das Wort übersetzen oder deuten – von Angesicht zu Angesicht, jemanden ansehen, aber auch jemandem (friedfertig) begegnen oder (unfriedlich) gegenübertreten, sich jemandem (empathisch) zuwenden oder sich mit ihm (abweisend) auseinandersetzen. Stets stand in den Arbeiten der Ausstellung – so die kuratorische Intention – das menschliche Gesicht im Zentrum des künstlerischen Werkes.

Dieter Mammel hatte mit einem eigenen Raum eine grosszügige Präsentationsplattform erhalten, in der er fünf Tusche-Arbeiten zeigte; ferner gestaltete er gemeinsam mit Matthias Grübel die aktuelle Videoarbeit „Erzähl mir, woher Du kommst“ (22 min.) mit Zeichnungen und Gemälden von Flüchtlingskindern; in besagtem Film sprechen auch die Kinder über ihre Bilder. „Facing“: in der aktuellen gesellschaftspolitischen Diskussion, namentlich in Zeiten der Flüchtlingskrise, stellen sich Assoziationen ein: an Begegnungen mit neuen, anderen Kulturen, aber auch an das Zeigen seines Gesichts wie umgekehrt an dessen Verhüllen und Verbergen.

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Dieter Mammel
↑ Sandsturm, 2016, Tusche auf Leinwand, 100 x 220 cm, Courtesy of Galerie Hübner + Hübner, Frankfurt; © VG Bild-Kunst, Bonn
↓ Blind Date, 2008, Tusche auf Leinwand, 90 x 190 cm; © VG Bild-Kunst, Bonn

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Auf den Spuren bäuerlicher Kultur in Südtirol

2016, November 29.

Wenn der Gigger zum Aufstehen kräht

Von Elke Backert

Südtirol ist ein ganz eigenes Land. Am Namen leicht zu erkennen, war es einmal ein Teil Tirols. Widrige Politik – lang ist’s her – schlug es zu Italien, was es aber für Besucher von heute reizvoll macht: Man versteht die deutsche Sprache und mischt österreichische mit italienischer Küche. Ein Urlaubsland par excellence also. Südlich des Brenners gelegen, bietet die autonome Provinz zwischen Etsch und Eisack fast alles: mediterrane Vegetation, Obstplantagen und sanfte Rebhügel vor der Kulisse der bizarren Felstürme der Dolomiten und der Hochgebirgsgletscher, an die 120 Burgen und Schlösser, schönste Bauern- und Weinmuseen sowie das Archäologische Museum in Bozen, wo die 5.300 Jahre alte Gletschermumie „Ötzi“ vom Hauslabjoch Besuchermagnet war und ist.

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Die Geislerspitzen Weiterlesen

„Eugen Onegin“ von Peter I. Tschaikowski an der Oper Frankfurt

2016, November 25.

Der Traum vom Märchenprinzen. Keine Versöhnung

Von Renate Feyerbacher
Fotos: Barbara Aumüller / Oper Frankfurt und Renate Feyerbacher

Die Begeisterung für die Sängerinnen und Sänger sowie für die Musiker nach der Premiere von Peter I. Tschaikowskis Werk „Eugen Onegin“ am vergangenen Sonntag wurde lediglich durch einige Buhrufe für die Inszenierung getrübt.

Während des Vorspiels blickt die Amme Filipjewna zum Publikum. Unheil ahnend? Dann werden die hohen Gitterelemente, die ein Gefängnis anzudeuten scheinen, aufgeschoben. Hoch oben kyrillische Leuchtschrift: „Wir werden gehen, uns küssen, altern …“ (Anna Achmatowa). Auf aufgetürmten Stühlen – entfernt von den andern – sitzt Tatiana, liest und träumt. Ihre lebensfrohe Schwester Olga spielt mit den Kindern; die Amme sitzt stickend abseits und erinnert sich mit Larina, Mutter der Mädchen, an die Liebesqualen, die diese als junge Frau erdulden musste. Das Zukünftige wird bereits vorausgeahnt. Dieses Frauen-Quartett ist eine musikalische Wonne.

Später dreht sich die Bühne. Eine Großbäckerei. An vielen Tischen stehen Bäckerinnen und Bäcker und kneten Teig. Der Chor an der Oper Frankfurt entfaltet sein prächtiges Volumen (Chordirektor Tilman Michael). Die reiche Larina, hier nicht Gutsbesitzerin, sondern Unternehmerin, inspiziert die Arbeiten. In diesem Ambiente empfängt sie später Lenski, den Dichter und Nachbar, der seinen Freund Eugen Onegin mitbringt. Lenski zerfliesst in Liebe zu Olga. Onegin, der seine Augen hinter einer Sonnenbrille versteckt, blickt interessiert auf Tatiana, die ihrerseits sich in den Fremden verliebt, in ihm die Erfüllung ihrer Träume sieht. Larina bittet alle in den Salon, wieder dreht sich die Bühne.

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Sara Jakubiak (Tatiana) und Daniel Schmutzhard (Eugen Onegin); Foto © Barbara Aumüller Weiterlesen

Die junge niederländische Cellistin Harriet Krijgh zu Gast beim HR-Sinfonieorchester unter Leitung des Gastdirigenten Dominik Beykirch

2016, November 24.

Töne aus der Tiefe des Raumes

Die 25-jährige Niederländerin Harriet Krijgh mit ihrem ausdrucksstarken, berührenden Spiel ist eine der vielversprechendsten Nachwuchscellistinnen der Gegenwart. Als mehrfache erste Preisträgerin bedeutender Wettbewerbe und als von der European Concert Hall Organisation für die Saison 2015/16 ausgewählter „Rising Star“ spielte die junge Künstlerin bereits in den bedeutendsten Konzertsälen Europas (Concertgebouw Amsterdam, Musikverein Wien, Tonhalle Zürich, Barbican London etc.) und wurde als Solistin vom Deutschen Symphonieorchester Berlin und den Sinfonieorchestern des NDR und des ORF eingeladen. Ferner debütierte sie u. a. mit dem London Philharmonic Orchestra, dem Orchestre de la Suisse Romande sowie dem Münchner Kammerorchester und ging mit der Academy of St. Martin in the Fields unter Sir Neville Marriner auf Tournee. Ihr jüngster Auftritt im Sendesaal des Hessischen Rundfunks gehört zu den gelungenen Momenten. Harriet Krijgk und der Dirigent Dominik Beykirch faszinierten mit ihrem Debüt im Frankfurter HR-Sendesaal.

Von Petra Kammann

Angesichts des Programms, das unter dem Motto „Nationalistische Romantik, sozialistischer Realismus“ stand, war meine Erwartung bei der Auswahl des Cellostücks zunächst leicht getrübt, zählt doch der russische Komponist Dimitrij Kabalewskij bei uns nicht gerade zur russischen Avantgarde. In seiner Biografie liest man, dass er eine lückenlose Karriere im kommunistischen Staats- und Kulturapparat gemacht hat und dreimal mit dem Stalin-Preis, 1972 mit dem Lenin-Preis, dem Staatspreis der UdSSR und dann noch 1974 als „Held der sozialistischen Arbeit“ ausgezeichnet wurde, während Abweichungen von der Lehre als dekadent galten. Sein gerademal zwei Jahre jüngerer Kollege Schostakowitsch etwa, der ein vielfältiges kompositorisches Werk hinterlassen hat, wurde unter dem Druck der stalinistischen Kulturbürokratie wiederholt in seiner künstlerischen Freiheit beeinträchtigt. Gefordert waren vom Regime für die breiten Volksmassen „verständliche eingängige heroisierende, optimistische Werke“. Das 1948 für die Jugend geschriebene 1. Cellokonzert op. 49 in g-moll von Kabalewskij, das bei uns eher selten aufgeführt wird, ist – so habe ich mich überzeugen lassen – alles andere als simpel oder gar platt.

Hessischer Rundfunk. hr-Sinfonieorchester, Saison 2016/2017: Gastsolist Harriet Krijgh (Violoncello). © HR/Marco Borggreve - honorarfrei, Verwendung nur im Zusammenhang mit einem redaktionellen Beitrag ¸ber Aktivit‰ten und Konzerte des hr-Sinfonieorchesters in der Saison 2014/2015 bei Nennung "Bild: HR/Marco Borggreve". Andere Verwendung nur nach Absprache. HR/Pressestelle 069/155 -4905, Fax -3005.

Hessischer Rundfunk, hr-Sinfonieorchester, Saison 2016/2017: Gastsolist Harriet Krijgh (Violoncello), Foto: © HR/Marco Borggreve Weiterlesen

„Unter Waffen Fire & Forget 2“ im Museum Angewandte Kunst Frankfurt

2016, November 23.

Von Kriegsmoden und Modekriegen

Von Winfred Kaminski

Die aktuelle Ausstellung im Museum Angewandte Kunst „Unter Waffen. Fire & Forget 2“ belegt ein weiteres Mal, dass die Frankfurter Museen immer wieder für Besonderes stehen. Die derzeit im MAK laufende Ausstellung – sie kann bis zum 26. März 2017 besucht werden – bildet da keine Ausnahme. Sie wird, ganz im Gegenteil, von vielen als ein highlight angepriesen.

Was auf gut 1200 Quadratmeter Fläche präsentiert wird, lässt manchmal den Atem stocken. Denn wie manche Künstler und Designer mit den „Waffen“ spielen, zielt auf Regelverstoß. Wie überhaupt der Umgang mit der Waffen-Metapher und mit Kriegs-Metaphorik ein Hauptelement der Ausstellung darstellt. Es wird gezielt, ausgelöst, geschossen, Land erobert und vieles andere mehr. Und dann doch wieder nicht oder nur im übertragenen Sinne.

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James Piatt, Pursuader, 2007, Foto: James Piatt, © James Piatt

Die ausgestellten Produkte und Kunstwerke von der Camouflage-Mode bis zum Smartphone mit Schlagring dokumentiert die Faszination von Design und Publikum durch den Flair des Militärischen. Offen bleibt dabei, ob hier tatsächlich ein neuer/anderer Militarismus Platz greift oder ob nicht mit der Verfremdung eine Einhegung des Bedrohlichen stattfindet und damit Zivilisierung einhergeht? Eine Taschenlampe in Form einer Pistole, hier eine Beretta, ist zuerst nützlicher Gegenstand. Oder der Öffner für die Champagner-Flasche ist eben auch nur einem Gewehr ähnlich und taugt gerade nicht zum Schießen. Manches wirkt kokett und ironisch, wenngleich die Vermutung naheliegt, dass wir es im Einzelfall mit styliger Geschmacklosigkeit und einer gehörigen Portion Zynismus zu tun haben könnten. Weiterlesen

Viviane Goergen spielt Werke früher Komponistinnen: Marguerite Roesgen-Champion, Mélanie Bonis, Germaine Tailleferre, Marie Jaëll, Vítezslava Kaprálová, Otilie Suková-Dvořákova

2016, November 21.

Ein Vater verweigert in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts seiner begabten Tochter den Musikunterricht: „Ob meine Tochter das Konservatorium besucht oder auf den Strich geht, ist ein und dasselbe.“ Jene Tochter fand später als Komponistin die Bewunderung eines Paul Valéry und Paul Claudel, eines Maurice Ravel und Arthur Rubinstein.

Von Erhard Metz

Frauen wurde im 19. und noch bis weit in das 20. Jahrhundert hinein das Leben an Akademien schwergemacht, falls ihre Eltern ein Studium der Kunst oder der Musik denn zuliessen und die jungen Frauen überhaupt an diesen Institutionen Aufnahme fanden. Für die Musik galt dies in noch höherem Masse als für die bildenden Künste. So herrschte, wie Viviane Goergen jüngst in ihrem höchst informativen und musikalisch hervorragenden Gesprächskonzert berichtete, selbst unter vielen Wissenschaftlern die Meinung, Frauen mangele es an jenem „Teil“ im Gehirn, in welchem die Kreativität auf dem Gebiet der Abstraktion verortet wurde: Folglich könnten Frauen zwar Musik interpretieren, aber nicht – schöpferisch – komponieren. Erst Ende des 19. Jahrhunderts ermöglichten vereinzelt Musikhochschulen in Grossstädten in Frankreich, Osteuropa und den USA Frauen die Teilnahme an Studiengängen in Kompositionslehre. Aber bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts gewannen, so Frau Goergen, Frauen bei Kompositionswettbewerben Erste Preise noch vor ihren männlichen Kollegen. In Fachkreisen wurden Komponistinnen deshalb entsprechend alsbald hoch geschätzt, wenngleich ihre Werke demgegenüber kaum öffentlich aufgeführt wurden. Die Musikwissenschaft war jedoch hellhörig geworden und baute verschiedenenorts Forschungszentren für Kompositionen von Frauen auf.

Die vormals weltweit mit grossem Erfolg gastierende luxemburgisch-schweizerische Konzertpianistin Viviane Goergen hat es sich zu einer ihrer Aufgaben gemacht, Werke früher Komponistinnen zu entdecken, zu studieren und aufzuführen – einige unter ihnen sogar in Erstaufführung.

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Viviane Goergen spielt im Frankfurter Cronstetten-Haus Werke früher Komponistinnen; Foto: Erhard Metz

Arbeiten sechs früher Komponistinnen stellte Viviane Goergen jetzt in ihrem Gesprächskonzert im Zusammenwirken mit der Schweizer Gesellschaft Frankfurt am Main und der Cronstett- und Hynspergischen evangelischen Stiftung – mit Unterstützung des Steinway-Hauses Frankfurt – im neuen Frankfurter Cronstetten-Haus vor. Weiterlesen

Hessischer Film- und Kinopreis 2016

2016, November 18.

Das Filmland Hessen lebt

Von Renate Feyerbacher

Ende Oktober war es wieder soweit: In der Alten Oper Frankfurt wurden die Preisträger verkündet. Und das bereits zum 27. Mal! 185.000 Euro wurden als Preisgelder verteilt.

Zwei weltberühmte Männer schritten am Abend über den Roten Teppich: der grosse Bühnen- wie Filmschauspieler und Regisseur Klaus Maria Brandauer und der ungarische Film- und Opernregisseur István Szabó. Brandauer erhielt den Ehrenpreis des Hessischen Ministerpräsidenten: „Klaus Maria Brandauer hat ein Gesamtkunstwerk geschaffen, vor dem ich mich zutiefst verneige.“ Szabó, sein Laudator, hatte mit Brandauer 1981 den Film „Mephisto“ nach dem Roman von Klaus Mann (1906-1949) gedreht. Darin geht es um die Verstrickungen des Schauspielers Gustaf Gründgens in der Nazi-Zeit. Zehn Jahre später sprach der Regisseur und Drehbuchautor, in jungen Jahren IM der ungarischen Stasi, in einem SPIEGEL-Gespräch über die einflusslose, missbrauchte Rolle der Künstler und Intellektuellen in einem autoritären System. Sie seien nur „Schmuckstücke, Spielzeuge, Puppen … Es ist eine schlechte Rechtfertigung zu glauben, es sei besser, wenn man selbst mitmacht. Es ist der falsche Weg, man schließt einen Pakt mit dem Teufel.“

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„OPEN STUDIOS“ im ATELIERFRANKFURT

2016, November 17.

200 Künstler öffnen ihre Ateliertüren und bieten ein vielseitiges Programm
Freitag, 18. November 2016: 17-22 Uhr, anschliessend Party
Samstag, 19. November 2016: 16-20 Uhr
Sonntag, 20. November 2016: 14-18 Uhr

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Von Erhard Metz

Erstmals öffnet Hessens grösstes Kunstzentrum ATELIERFRANKFURT (AF) seine Türen. Drei Tage lang sind die Besucher während der „OPEN STUDIOS“ eingeladen, hinter 130 Ateliertüren zu schauen und die Arbeitswelt von etwa 200 Künstlern und Kreativen zu erleben. Ein vielseitiges Programm rundet das Wochenende der offenen Ateliers ab. Die neu entstehende KANTINE – das vereinseigene Lokal – lädt zum Verweilen und Speisen ein.

Zum ersten Mal seit der Eröffnung des neuen AF-Domizils 2014 können Besucher die gesamten 11.000 Quadratmeter Kreativfläche des Atelierhauses entdecken. Etwa 200 Künstler haben sich das campusartige, 1912 erbaute einstige Lagerhaus im Frankfurter Osten mittlerweile zu eigen gemacht. Künftig sollen die Türen im AF jährlich für die Besucher geöffnet werden, die das Haus im Rahmen von Führungen oder auch auf eigene Faust erkunden und erleben können.

Zu entdecken gibt es viel, denn die Künstler und Kreativen haben ein umfassendes Begleitprogramm entwickelt. Sie geben Einblick in ihr Schaffen, diskutieren im Rahmen von Künstlergesprächen über ihre Arbeit, zeigen Video-Kunst und Performances. Weiterlesen

Museum Wiesbaden präsentiert „Caravaggios Erben – Barock in Neapel“

2016, November 16.

Protziger Reichtum und bittere Armut

Von Hans-Bernd Heier

Barock – die Kunstepoche zwischen dem 17. und dem frühen 18. Jahrhundert – ist nicht jedermanns Sache. Vielen ist die barocke Malerei zu theatralisch, pathetisch und bombastisch. Ein Besucher der Museumspädagogik in Wiesbaden brachte es auf die knappe Formel: „Barock – das ist jede Menge nackter Haut und einer muss sterben“. Beides ist in der Ausstellung „Caravaggios Erben – Barock in Neapel“ im Landesmuseum Wiesbaden reichlich zu sehen. Doch die großartige Schau hat wesentlich mehr zu bieten: In der Kunst des neapolitanischen Barock spiegeln sich die Pracht, Raffinesse und Kultur der Mittelmeermetropole in packender Malerei, zumeist in monumentalen Gemälden.

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Artemisia Gentileschi „Judith und Holofernes“, Öl auf Leinwand, 159 x 126 cm, 1612-1613; Neapel, Museo di Capodimonte; Foto: Ministero per i Beni e le attivita culturali e del turismo, Fototeca del Museo di Capodimonte, Napoli Weiterlesen

Trude Simonsohn, die erste Ehrenbürgerin der Stadt Frankfurt am Main

2016, November 15.

Von Hass keine Spur. Erinnerungsarbeit. Humanität und Aufklärung

Von Renate Feyerbacher

Auf ihre Walking-Stöcke gestützt, schreitet die 95-jährige Trude Simonsohn neben Oberbürgermeister Peter Feldmann in die Paulskirche. Sie, die als Kind und Jugendliche viel Sport trieb, ist heute noch sportbegeistert. So forsch, wie sie geht, ist es ihr noch immer anzumerken. Die etwa 1000 Gäste erheben sich und applaudieren lange. Dann beginnt Saxofon-Legende Emil Mangelsdorff, 91 Jahre, der als junger Mann von den Nazis verfolgt wurde, sein energisch-feines Solo. Trude Simonsohn hatte ihn als musikalischen Begleiter gewünscht. Die beiden sind befreundet.

Die Ehrenbürgerschaft auf Lebzeiten wurde in Frankfurt seit 1795 dreissig Mal verliehen. Drei, Hitler, Göring und Hindenburg, wurden aus der Liste gestrichen. Sehr spät hat sich die Stadtregierung entschlossen, der seit 60 Jahren in Frankfurt lebenden, engagierten Trude Simonsohn diese höchste Ehre zuteil werden zu lassen – als erste Frau. Vorgeschlagen hatten sie die ehemalige Bürgermeisterin Jutta Ebeling und die Journalistin Helga Dierichs, seinerzeit Leiterin des Frauenfunks im Hessischen Rundfunk.

Im Mittelpunkt der Feierstunde in der Paulskirche stand das Gespräch zwischen Trude Simonsohn und dem jungen Soziologen und Filmemacher Adrian Oeser. Bereits als Schüler begann er, Trude Simonsohn und ihre Freundin, die 1916 geborene Sozialistin und Widerstandskämpferin Irmgard Heydorn, zu befragen. Sie sind letzte Zeitzeugen des nationalsozialistischen Terrorsystems. 2007 hatte Oeser den Gesprächs-Film „Eine Ausnahme“ fertiggestellt und 2015 die Website „Eine Ausnahme. Überleben. Freundschaft. Widerstand“ eingerichtet.

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Trude Simonsohn und Oberbürgermeister Peter Feldmann (links Adrian Oeser), Foto: Petra Kammann
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