home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Das neue Gehäuse der Frankfurt School of Finance & Management

 

Die private Wirtschaftsuniversität Frankfurt School of Finance & Management ist von ihrem zu klein gewordenen früheren Gebäude im Frankfurter Ostend umgezogen und hat ihren neuen Campus am 26. Oktober 2017 offiziell eröffnet. In dem neuen Komplex der Hochschule studieren im laufenden Wintersemester rund 1900 junge Leute. Die Kosten in Höhe von 110 Millionen Euro für den neuen Campus hat die Hochschule nach eigenen Angaben selbst finanziert, u. a. mit dem Verkauf  ihres einstigen Stammsitzes.

Von Uwe Kammann

Der Denkmalschutz war letztlich keine Rettung. Die mächtige Scheibe der Oberfinanzdirektion, zu ihrer Entstehungszeit als Beispiel moderner Dynamik bei Fankfurter Großbauten gerühmt (und noch viele Jahre später als besserer Beleg für frühe 50er-Jahre-Reinheit zitiert) steht nicht mehr. Lediglich ein vorgelagerter Rest ist an der Adickesalles noch zu sehen, schräg gegenüber der Deutschen Bibliothek: ein beschwingt auf Stelzen gesetzter Pavillon.

↑ Schlüsselübergabe durch den Leiter Prof. Udo Steffens mit Vertretern von Studenten aus 5 Kontinenten
↓ Der neue Campus der Frankfurt School mit dem 50er Jahre-Pavillon  

Der hessische Finanzminister Thomas Schäfer verriet kein Geheimnis, als er jetzt eine chemische Formel in Erinnerung rief, welche den schon verlassenen Altbau der Oberfinanzdirektion zu Fall brachte, eine Formel, die ausgeschrieben Naphtalin bedeutet. Und damit für einen Schadstoff steht, der eine bauliche Sanierung nicht zuließ. So dass nach dem Abriss des Kolosses für die Finanzkontrolleure ein ebenso mächtiger Riegel entstehen konnte: der Neubau der Frankfurt School of Finance & Management.

In schlichtes Deutsch übersetzt: Es geht um eine private Wirtschaftsuniversität, die ihren innerstädtischen Umzug mit keinem kleinen Anspruch begleitet: Sie will zu den fünf Spitzenadressen in Europa gehören, wenn es um exzellente Ausbildung von Wirtschaftsmanagern und Bankern geht. So jedenfalls formulierte es kräftig und unmissverständlich Udo Steffens, Präsident der „FS“ (im Logokürzel mit dem Euro-Doppelstrich verziert) bei der offiziellen Eröffnung des Neubaus am 26. Oktober

Höhepunkt der Feierstunde, zu der auch Ex-Oberbürgermeisterin Petra Roth und Ex-Ministerpräsident Roland Koch der Privat-Uni ihre Aufwartung machten, war ein artistisch inszenierter Akt der Schlüsselübergabe – eine Seilkünstlerin holte die Skulptur gleichsam vom Himmel, genauer: von der Decke des vier Stockwerke hohen Lichhofs, der das aus fünf kleineren Türmen bestehende Bauwerk in voller Länge durchzieht. Buntes gehörte auch dazu, mit entrollten Fahnen für jeden der fünf Kontinente, aus denen die rund 2.200 Studenten kommen, und mit Trommlern aus Westafrika, die das naturgemäß etwas reserviertere Festpublikum immerhin zum teilweisen Mitklatschen animierten.

Prof. Alfred Grosser stellte das System der französischen Eliteuniversitäten vor und verband damit Hinweise auf die Gefahren

Festredner Alfred Grosser, nun weit über 90jähriger französischer Politologe und Publizist und Friedenspreisträger, erstaunte wiederum nicht wenige der Gäste aus der Finanz- und Wirtschaftswelt, indem er ganz spezifisch mahnte, den Rahmen von Moral und Gerechtigkeit nicht zu vergessen, der alles Handeln bestimmen sollte. Verwundert werden einige registriert haben, dass er bei seinen Vergleichen deutscher und französischer Bildungswege und -institutionen zunächst ein Loblied auf das deutsche Handwerk sang. In Frankreich, so seine Klage, gelte ein Meister, der mit der Hand arbeite, nicht viel. Stattdessen konzentriere sich das System auf die Reproduktion ewig gleicher Karrierewege über die so genannten Großen Schulen, ein System, das formale Exzellenz, nicht aber unbedingt inhaltlich-methodische Kompetenz hervorbringe.

Ungewöhnlich auch die Beispiele, mit denen Grosser den Begriff der Bildung assoziierte: Jemand, der einen Werkvertrag eines normalen Arbeiters richtig kenne und einordnen können, sei auf seine Art ebenso gebildet wie ein Kenner der griechischen Tragödie. Mit einem Seitenhieb bedachte er auch das Regietheater: Mit seiner willkürlichen Zerstörung der zugrundeliegenden Texte entziehe dieses der Bildung den Boden. Er hoffe, so Grosser – der einst als Kind mit seiner jüdischen Familie vor dem Nazi-Terror aus Frankfurt fliehen musste –, dass die Studenten die immer weiter öffnende Schere zwischen arm und reich im Blick hätten ebenso wie die betrügerischen Machenschaften in der Wirtschaft und im Finanzwesen. Um dann am Ende festzustsellen: Ja, eine „Moralpredigt“ sei seine Festrede geworden.

Wie das in dieser Frankfurt School, die aus einer vor sechs Jahrzehnten gegründeten Bankakademie für Auszubildende der Deutschen Bank und dann Ende der 80er Jahre aus einer Fusion mit der Hochschule für Bankwirtschaft hervorgegangen ist, weitergedacht und im Studium aktiv reflektiert werden wird? Da gibt es in Deutschland, dem große private Bildungseinrichtungen immer eher noch fremd sind (im Gegensatz zum angloamerikanischen Raum), Vorbehalte und Kritik. Der mitgedachte Grund: nur Schüler aus der finanzstarken Elite könnten sich ein solches Studium leisten. Das bei der FS pro Semester rund 7000 Euro kostet, sprich: 14.000 Euro im Jahr.

Die FS-Verantwortlichen weisen diese Sichtweise natürlich zurück. Zum einen bekämen gut 30 Prozent der Studenten ein Stipendium, zum anderen werde die Investition später belohnt und damit kompensiert, durch die vielen offenen Türen zu gut bezahlten Spitzenpositionen. Der Ruf der Hochschule mit ihrer gleichzeitig praxisorientierten Vermittlung und ihren exzellenten Inhalten (eine Verzahnung, für die mehr als 60 Professoren verantwortlich sind) sei schon jetzt sehr gut; der neue Campus werde mit weiterer Dynamik und arbeitsfördernder Qualität diese Entwicklung weiter beschleunigen und intensivieren – Eckpunkte, die auch Präsident Steffen in seiner Begrüßung herausstellte.

Die Transparenz der Architektur wird von Prof. Steffens auch symbolisch gesehen

Dass die räumlichen Qualitäten des jetzigen Komplexes an der Adickesallee positiv aufgenommen werden, dass war sicht-, hör- und spürbar. Viele Ahs und Ohs, als etliche der Gäste sich auf einen Parcour begaben, um den vom dänischen Büro Henning Larsen Architects konzipierten und realisierten Gebäundekomplex (Gesamtkosten: 110 Millionen Euro, voll und ganz im Kalkulationsrahmen) zu erkunden. Zu den Referenzen des international tätigen Büros gehören die vielgerühmte neue Oper in Kopenhagen und das spektakuläre neue Verlags- und Redaktionshaus des „Spiegel“ in Hamburg.

Die neuen Bedingungen für die Studenten sind sicher mehr als gut, zumal nicht wenige gleich auf dem weiteren Campus-Gelände wohnen können, in drei Appartment-Häusern, zu denen auch das umgebaute ehemalige Arbeitsgericht gehört, einst ein schlichter anthrazitfarbener Würfel, der nun mit aufgemalter Flora ein anderes Flair vermittelt.

Das Innere – lichtdurchflutet über vier Stockwerke, mit Terrassen und kleinen Balkonen 

Städtebaulich tut der Komplex der Adickesallee an dieser Stelle sicher gut, auch, weil sich die vorherige brachähnliche Stadtlandschaft in Richtung Bertramstraße nun geschlossener präsentiert. Allerdings, begrenzt ist der Campus auf der einen Seite vom doch sehr monotonen Riesen-Quader des Polizeipräsidiums und auf der anderen, zum Hauptfriedhof zeigenden Seite von der eher mickrigen Figur einer Tankstelle. Allerdings, hier besteht immer noch die Option, einen Erweiterungsbau für die Deutsche Bibliothek zu errichten – es könnte also in Maßen besser werden.

Dass diese Fläche nördlich des Alleenrings im Maßstab der Bebauung so ungeschlacht wirkt, hat natürlich auch mit den früheren hochfliegenden Plänen zu tun, hier das Regierungsviertel der blutjungen Bundesrepublik unterzubringen. Das Parlamentsgebäude war – als gebautes Versprechen – der Paulskirche nachempfunden, schon da – und wurde dann, nach der zugunsten von Bonn ausgegangenen Abstimmungsniederlage, zum markanten Ausgangspunkt des Hessischen Rundfunks.

Nächtliche Skyline von der Aussichtsterrasse mit Blick auf die Türme der Finanzwelt 

Immerhin, mit dem jetzigen Campus der Frankfurt School wird ein neuer Bildungszusammenhang gestiftet: von der Goethe-Universität im Westen über die nun neu angesiedelte private Wirtschaftshochschule und dann die Deutsche Bibliothek bis zur Frankfurt School of Applied Sciences, der früheren Fachhochschule. Ob die Bürger das mit Frankfurt verbundene School-Denglisch ausreichend entwirren können werden? Offensichtlich sind die Neuansiedler überaus stolz darauf, es wimmelt in ihren Publikationen nur so von angloamerikanischen Sprachmodulen. Nun ja, eines ist klar: Frankurter Schule hätte man die Sache nicht nennen dürfen. Da wären Adorno und Horkheimer sicher wieder aufgewacht …

Alle Fotos: Petra Kammann

Comments are closed.