home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Absolventenausstellung 2017 der Städelschule (2) – Leda Bourgogne, Richard Nikl, Julia Zabowska, Felix Muffin Bolze

Von Erhard Metz

Zwei „frischgebackene“ Absolventinnen und zwei ebensolche Absolventen der Städelschule möchten wir heute vorstellen, zwei von ihnen vertreten erweiterte, im Grunde dennoch eher klassische Positionen, die beiden anderen bewegen sich auf dem Feld eher konzeptueller und experimenteller Arbeiten. Allen gemeinsam ist ein kategorien- und spartenübergreifendes künstlerisches Denken und Arbeiten mit zum Teil performativen Elementen: Malerei greift beispielsweise in den Raum, Bildhauerei enthält teilweise malerische Akzente. Wir beginnen mit der diesjährigen Gewinnerin des Absolventenpreises (FeuilletonFrankfurt berichtete) Leda Bourgogne aus der Klasse von Judith Hopf.

Das dreiteilige Ensemble: (links) Ventilation Baby 1, (rechts) Ventilation Baby 2, jeweils gebleichter Samt auf Holz, Acryl, Aluminium; (oben) Polie, Plastik, verchromtes Metall, Aluminium; (ganz rechts) Spinal Cord, Kreide auf handgeschöpftem Papier

Zitieren wir an dieser Stelle noch einmal die Begründung der Jury zur Preisverleihung: „Die Werkgruppe überzeugte die Jury durch die ungewöhnliche malerische Qualität in der Auseinandersetzung mit performativen Elementen und einem experimentellen Umgang mit den Medien. Zudem überzeugte die Präsentation als Installation im Raum“. Die beiden großformatigen „Tafelbilder“ verlassen mit dem Malgrund Samt auf Holz die flächige Leinwand, Lüftungsgitter aus Aluminium suggerieren einen Raum hinter den Bildern und fast schon ein wenig ironisch das Durchlüften konventioneller Traditionen. Bezaubernd die kleine Arbeit „Spinal Cord“ mit Kreide auf Papier, von sehr intimer Anmutung, vielfältige Assoziationen eröffnend hin zu Organisch-Vegetativem, Gebärendem, zu Erotisch-Amourösem – eine Reihe fein ausgeführter roter Herzchen wächst im Mittelpunkt empor! Über allem schließlich vier Halteschlaufen an einer Metallstange, wie wir sie aus öffentlichen Verkehrsmitteln kennen: sollen sie dem Betrachter einen sicheren Halt und Stand vermitteln?

(links) Ventilation Baby 1, (rechts) Ventilation Baby 2, jeweils gebleichter Samt auf Holz, Acryl, Aluminium; interessant ein Blick auf den Malgrund Samt am Bildrand

Spinal Cord, Kreide auf handgeschöpftem Papier

Richard Nikl (geboren 1987 in Prag, Klasse Tobias Rehberger) wartet mit drei schon klassisch zu nennenden bildhauerischen Arbeiten auf. „Nimrod“ aus Polystyren (Polystyrol), einem in geschäumtem Zustand weißen Thermoplast, eine Kombination aus einem Bildwerk in einem Schattenfugenrahmen, wirkt im Gegensatz zur realen Leichtigkeit des Materials fast schwer und bombastisch, eine Art Trompe-l’œil. Massiv aus Birkenholz hingegen sind die gewachsten Holzarbeiten mit den sauber ausgearbeiteten „Durchlöcherungen“, die einen weiten Interpretationsspielraum öffnen. Humorvoll die Betitelungen: „Director“ (natürlich im etwas größeren Format) oberhalb des selbstverständlich unter ihm platzierten „Assistant“.

↑ Nimrod, (Peru, May 2017), Polystyren, Aluminium
↓ Richard Nikl im Pressepreview

Director (Strange Cheeks), Birkenholz, Wachsöl (oben); Assistant, Birkenholz, Wachsöl (unten)

Eine Überraschung präsentiert Julia Zabowska (1985 in Warschau geboren, Klasse Tobias Rehberger) mit einer auf den ersten Blick zunächst eigentlich unsichtbaren Arbeit. In einer kleinen Nische liegt eine 3D-Videobrille, die der Besucher aufsetzen soll, um das eigentliche Kunstwerk zu sehen: einen virtuellen Rundgang durch die – nicht mehr existierende – Wohnung ihrer Großeltern in Warschau, aus der Erinnerung gestaltet. Das Ambiente wird durch helle Flächen und Flecken unterbrochen – es sind Erinnerungslücken. Eine stille, subtile, die Fantasie anregende Arbeit, deren Titel derart kompliziert ist, dass wir ihn an dieser Stelle fotografisch wiedergeben.

Julia Zabowska im Pressepreview und das zunächst einzig Sichtbare der Absolventenarbeit: ein handelsübliches 3D-Headset; darunter der Titel der Arbeit

Felix Muffin Bolze (1990 in Templin geboren, Klasse Amy Sillman) schließlich zeigt in einem Zickzack-Muster gehängt eine Auswahl seiner farbenfrohen quadratischen, kleinformatigen „Täglichen Zeichnungen“ auf Papier. In diese Präsentation fügt er drei „Portale“ (so auch der Titel der Absolventenarbeit) ein: mehrfach wie eine Art Puzzle hintereinandergefügte ausgeschnittene Faltungen nach dem Motiv des Rätselspiels „Wie steigt eine Person durch eine Postkarte“, die, in gelöstem und herabgelassenen Zustand, einen großen fragilen papierenen Rahmen bilden, durch die Bolze in einer Performance Personen aus dem Publikum hindurchklettern läßt. FeuilletonFrankfurt-Leserinnen und -leser kennen Felix (Muffin) Bolze bereits vom Rundgang 2015 „Lagerfeuer“ und vom Rundgang 2014 (Kartenspiel).

Felix Muffin Bolze, Portal, Malerei auf Papier

Fotos: Erhard Metz

Die Ausstellung der Absolventenarbeiten im Museum für Moderne Kunst MMK1 und MMK3 läuft bis 12. November 2017

→ Absolventenausstellung 2017 der Städelschule – Absolventenpreis an Leda Bourgogne
→ Absolventenausstellung 2017 der Städelschule (3) – medienübergreifende und installative Arbeiten

 

Comments are closed.