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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Archiv für Januar, 2010

Das Museum für Moderne Kunst Frankfurt im Jahr 2010

2010, Januar 30.

Die Frankfurter Museen haben einen Ausstellungsetat, der auch Erwerbungen ermöglichen soll. So ähnlich verlautete es aus dem Mund der Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth in der Pressekonferenz zur Vorstellung des „neuen Hilmar Hoffmann“, gemeint ist dessen in der Tat eine Lücke in jeder Bibliothek schliessendes Buch „Das Frankfurter Museumsufer“. Anschliessend erfuhren wir jedoch authentisch, wie sich die Situation jedenfalls beim Museum für Moderne Kunst – kurz MMK – darstellt: Der von der Stadt zur Verfügung stehende Ankaufsetat dieses Hauses für 2010 beträgt 0,00 Euro. So macht Susanne Gaensheimer, die Direktorin des MMK, aus der bekannten Not eine schon mit der Ausstellung „Yellow and Green“ unter Beweis gestellte Tugend: Sie schöpft in der nächsten, am 19. Februar 2010 beginnenden Ausstellung „Radical Conceptual“ ein weiteres Mal aus dem Vollen, will sagen aus den so reichen Beständen des Hauses, um die so manche in Europa und der Welt konkurrierenden Museen für kontemporäre Kunst das MMK beneiden.

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MMK-Direktorin Susanne Gaensheimer in der Jahrespressekonferenz 2010; Foto: FeuilletonFrankfurt Weiterlesen

Die Malerin Hélène de Beauvoir

2010, Januar 23.

Keineswegs ein Püppchen – Die Malerin Hélène de Beauvoir

Text und Fotografien: © Renate Feyerbacher

„Originell und eigenständig“

Kein Geringerer als Pablo Picasso hat sich so über die junge Künstlerin geäussert. Das war 1936: Hélène de Beauvoir war 25 Jahre alt und stellte zum ersten Mal in Paris aus.

Weg zur Freiheit

Hélène, am 6. Juni 1910 in Paris geboren, ist die einzige Schwester der berühmten Schriftstellerin und Philosophin Simone de Beauvoir, die fast zweieinhalb Jahre älter ist. „Poupette“ (Püppchen) wird Hélène von ihr ein Leben lang genannt. Ein Kosename, den ihr zuerst die Mutter gab. Er war wohl abwertend gemeint. Jedenfalls fühlte sich Hélène in ihrer Kindheit und Jugendzeit von den Eltern zurückgesetzt, ja sogar unerwünscht, weil die Eltern lieber einen Sohn gehabt hätten. Simone dagegen, die Erstgeborene, hatte die volle Liebe der Eltern, einer überfrommen katholischen Mutter und eines reaktionären, frauenfeindlichen Vaters, der Agnostiker war. In den Wirren der Nachkriegsjahre um 1920 ging das Vermögen der grossbürgerlichen Familie – der Vater war Anwalt am Pariser Appellationsgerichtshof – verloren. Die beiden Töchter aus gutem Hause mussten einen Beruf ergreifen. Simone wurde Lehrerin, Hélène Malerin.

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Hélène de Beauvoir, Ausstellungsplakat (Ausschnitt); Bildrechte: Galerie Ludwig Hammer, Regensburg
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Bilder, die bewegen: Künstlerinnen und Künstler der Praunheimer Werkstätten in der Frankfurter Heussenstamm-Galerie

2010, Januar 21.

Bilder, die bewegen, so heisst diese Ausstellung …

Was sind das für Bilder, die uns bewegen, die in der Galerie vom Fleck weg gekauft werden, ja sogar sozusagen unbesehen direkt aus dem Katalog?

Was ist das überhaupt für eine Kunst, die wir derzeit – leider nur noch bis zum 29. Januar 2010 –  in der Heussenstamm-Galerie, inmitten der Frankfurter „Galeriemeile“ also, sehen können?

Manche blicken, wie wir bemerkt haben, mit mehr oder weniger erkennbarer Skepsis auf diese Gemälde. Es handelt sich nämlich um Arbeiten von künstlerischen Menschen in den Praunheimer Werkstätten. Diese Werkstätten sind eine Rehabilitations- und Förderstätte für Erwachsene mit geistiger Behinderung.

Sehr viele andere, und wir schliessen uns da ein, zeigen sich angesichts dieser Bilder durchaus betroffen, ja erschrocken: Betroffen von einer Konfrontation mit Kunstwerken, die uns mit einer kaum gekannten Wucht und Unmittelbarkeit in Beschlag nehmen, die mitunter die Intimsphäre der Malenden in einer Weise offenbaren, mit der wir kaum umgehen können. Diese Bilder können irritieren, sie können uns,  die wir uns so frag- und sorglos als nichtbehindert bezeichnen, in eine gewisse Verlegenheit, ja sogar Hilflosigkeit bringen. Zumindest zwingen sie uns, alteingenommene Standpunkte zu befragen, zu prüfen. Dies umso mehr, als wir uns tatsächlich in der „Galeriemeile“ befinden, in der wir so manches Sehenswerte wie auch weniger Sehenswerte antreffen.

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Manfred Buhl, Drei Grazien, 2008/09, Acryl und Tusche auf Leinwand, 60 x 80 cm; Bildnachweis: Heussenstamm-Galerie Weiterlesen

Januar 2010

2010, Januar 17.

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Die hohen Tannen atmen heiser

im Winterschnee, und bauschiger

schmiegt sich sein Glanz um alle Reiser.

Die weissen Wege werden leiser,

die trauten Stuben lauschiger.

Rainer Maria Rilke (1875 bis 1926) Weiterlesen

Das grosse ka(c)kophonische Orchester

2010, Januar 16.

Also, es gibt, wie wir alle wissen, die symphonischen, die philharmonischen und die ka(c)kophonischen Orchester. Eines der letzteren Art – von der es, dem Himmel sei gedankt, nicht allzu viele gibt – wütet seit einiger Zeit umso erbarmungsloser an prominentester Stelle in diesem unserem Land.

Da will nichts mehr zusammenpassen im ka(c)kophonischen Klangkörper. Das mag daran liegen, dass es drei arg unterschiedliche Instrumentalistengruppen gibt, die jede für sich auschliesslich das Konzert (das kommt vom lateinischen concertare und heisst so viel wie: wetteifern, streiten) pflegen wollen.

Den grössten Lärm und Streit entfacht die Gruppe der Schlagwerker und Blechbläser : Diese hauen auf Pauken, Trommeln und Becken herum, dass es nur so kracht und scheppert. Oskar Matzerath, der einst gefürchtete Blechtrommler, war dagegen ein kleines Waisenknäblein. Diese Ka(c)kophoniker sind neu im Orchester, sie können weder Noten lesen noch verfügen sie über irgend eine klangkörperliche Disziplin oder gar Tugend. Ihr Stimmführer reist ständig in irgendwelchen fernen Auslanden herum und schafft weiteren postneolithischen trommelfellmarternden Schlagkram herbei. Seine Mit-Ka(c)kophoniker folgen der in manchen Showorchestern anzutreffenden Unsitte, Musikinstrumente bunt zu lackieren. Ausgerechnet ein grässliches Gelb haben sie gewählt Weiterlesen

Jahr der Stille 2010: Januar

2010, Januar 14.

Ein Winterabend

Wenn der Schnee ans Fenster fällt,
Lang die Abendglocke läutet,
Vielen ist der Tisch bereitet
Und das Haus ist wohlbestellt.

Mancher auf der Wanderschaft
Kommt ans Tor auf dunklen Pfaden.
Golden blüht der Baum der Gnaden
Aus der Erde kühlem Saft.

Wanderer tritt still herein;
Schmerz versteinerte die Schwelle.
Da erglänzt in reiner Helle
Auf dem Tische Brot und Wein.

Georg Trakl (1887 bis 1914)

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(Bildnachweis: Johanneum wikimedia commons cc) Weiterlesen

Der Teppich von Bayeux

2010, Januar 10.

Gestickte Kriegsgeschichte des 11. Jahrhunderts – Der Teppich von Bayeux

Text und Fotografien: © Renate Feyerbacher

Das Original ist im Frankfurter Archäologischen Museum nicht zu sehen. Denn das archäologisch-historische Welterbe aus dem 11. Jahrhundert darf aus konservatorischen Gründen nicht transportiert werden. Es grenzt überhaupt an ein Wunder, dass dieses textile Bilddenkmal des frühen Mittelalters, der „Teppich von Bayeux“, nach fast eintausend Jahren in einem so guten Zustand ist. Er befindet sich heute noch an dem Ort, für den er geschaffen wurde: im normannischen Bayeux – zwar nicht mehr im Dom, der 1077 eingeweiht wurde und für den er wahrscheinlich bestimmt war, sondern seit über 60 Jahren im Centre Guillaume le Conquérant hinter schützendem Glas.

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Wilhelm spricht seinen Truppen Mut zu, als Helden zu kämpfen Weiterlesen

Frankfurter Kunstverein: “Bilder vom Künstler” (4) – Manuela Kasemir

2010, Januar 7.

“Bilder vom Künstler” – von den sieben Positionen zum Selbstverständnis des Künstlers und den Rollenbildern der Gesellschaft vom Künstler, die der Frankfurter Kunstverein noch bis zum 17. Januar 2010 zeigt, stellen wir heute fotografische Arbeiten von Manuela Kasemir vor.

Es sind die subtilsten, intimsten, „stillsten“ der in dieser Ausstellung gezeigten Arbeiten, Bilder von berührender Poesie und – im wohlverstandenen Sinne – Schönheit. Sieben digital bearbeitete Fotografien umfasst die Serie mit dem Titel „Urd“. Der Name steht für „das Gewordene“, für die Norne der Vergangenheit aus der altnordischen Edda.

„Eine Esche weiss ich,
heisst Yggdrasil,
Den hohen Baum
netzt weisser Nebel;
Davon kommt der Tau,
der in die Täler fällt.
Immergrün steht er
über Urds Brunnen.

Davon kommen Frauen,
vielwissende,
Drei aus dem See
dort unterm Wipfel.
Urd heisst die eine,
die andre Verdandi:
Sie schnitten Stäbe;
Skuld hieß die dritte.
Sie legten Lose,
das Leben bestimmten sie
Den Geschlechtern der Menschen,
das Schicksal verkündend.“

(aus der Völuspá der Lieder-Edda des Codex Regius, Kopenhagener Königliche Bibliothek)

Zu Urd, weiss die Künstlerin, gehören Verdandi (das Werdende) und Skuld (das Werdensollende), die beiden anderen der drei Nornen; letztere stehen für Gegenwart und Zukunft. Und mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, der eigenen Existenz also, setzt sich Manuela Kasemir mit den ästhetischen Mitteln ihrer Kunst auseinander. Als Medium wählt sie hier die Schwarz/weiss-Fotografie.

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(Aus: Urd, 2008, Digital C-Prints, 33 x 46 cm, Courtesy the artist, Bild: © Manuela Kasemir; Foto: FeuilletonFrankfurt) Weiterlesen

Frankfurter Kunstverein: “Bilder vom Künstler” (3) – Marc Aschenbrenner

2010, Januar 3.

“Bilder vom Künstler” – so lautet die derzeitige, noch bis zum 17. Januar 2010 laufende Ausstellung, mit der der Frankfurter Kunstverein sieben Positionen zu dem Thema Selbstverständnis des Künstlers und Rollenbilder der Gesellschaft zur Diskussion stellt.

Einen spektakulären Beitrag zur Ausstellung bilden zwei Videos von Marc Aschenbrenner. Aschenbrenner, 1971 in Linz geboren, studierte an der dortigen Kunsthochschule Malerei und Multi Media mit dem Schwerpunkt Videokunst. Seine Arbeiten waren unter anderem in Berlin, Bonn, Hamburg, Heidelberg, Innsbruck, Köln, Kopenhagen, London, Luzern, Münster, Posen und Wien zu sehen. Der Künstler lebt und arbeitet in Berlin.

In Aschenbrenners Video „Zweite Sonne“(2005) wälzt sich ein bis auf den Kopf gänzlich in dunkle Folie gehüllter Mensch – ebenso wie die beiden Figuren in dem zweiten Video „Im Abri“ vom Künstler selbst dargestellt – auf einer nassen, rutschigen Folie aus gleichem Material wie der Anzug des Protagonisten bergwärts, um jeweils nach wenigen Metern wieder hinabzurutschen. Nach wiederholten, quälend erfolglosen Versuchen stürzt die Figur in ein dunkles Gewässer, Luftblasen scheinen aufzusteigen …

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