Zuflucht in der Pflanzenwelt – Die phantasische Welt der Miya Masaoka. Ein Erlebnis
Savyy Contemporary Berlin – und Spaziergänge mit Fabelwesen durch eine antike Stadt
Von Simone Hamm
Unzählige Bienen krabbeln auf nackter Haut. Eine lebende Leinwand. Der Rücken der amerikanischen Performance Künstlerin Miya Masaoka. Leises Summen ist zu hören. Die Bienen stechen nicht. „The Adventure of the Solitary Bee“ hat Miya Masaoka diese Videoinstallation genannt. Seit 1996 arbeitet sie mit Bienen, lässt sie auf ihrem Körper herumwuseln.
Miya Masaokas „The Adventure of the Solitary Bee“, Foto: Marvin Systermans
Durch einen grauen Wald laufen seltsame Geschöpfe. Sie sind zottelig, gehen aufrecht, ziemlich tappsig. Und sie haben einen dicken Pelz. Fabelwesen aus einer anderen Welt. Eine Mischung aus Maurice Sendaks „wilden Kerlen“ und Axel Scheffels Grüffolo.
Die riesigen Gestalten holen Instrumente hervor, spielen Geige, Cello, Flöte -Holzinstrumente, passend zum Wald. Die Flöten – Violin-, und Celloklänge vermischen sich mit den Geräuschen des Waldes, dem Wind in den Wipfeln, dem leisen Knacken der herabgefallenen Ästchen, auf welche die Fabelwesen treten. Miya Masaoka lässt in der Videoinstallation mit dem Titel „ Plant People in Forest“ auch einen japanischen Schamanen durch diesen Wald schreiten.
Miya Masaoka,„Plant People in Forest“, Foto: Marvin Systermans
„Refuge in the Vegetal world“ („Zufluchtsort in der Pflanzenwelt“) heißt die große Ausstellung, die das Savyy Contemporary in Berlin ihr derzeit widmet. „Refuge in the Vegetal world“ ist ein Zitat der Philosophin Luce Irigary , die von einem pflanzlichen Dasein spricht, das sie am Leben erhalte.
Auch in Japan haben Pflanzen und Bäume traditionell eine große Bedeutung. Miya Masaoka, die japanische Wurzeln hat, will in ihren Werken die strenge Trennung zwischen Menschen und allem anderen, dem, was nichtmenschlich ist, aufheben. Tiere und Pflanzen sind für sie mehr als Objekte. Sie spielen in ihren Installationen eine entscheidende Rolle. Sie will sie sichtbarer und auch hörbarer machen. Miya Masoake ist Komponistin, Klangerzeugerin, Performerin und sie sieht sich als Mittlerin an.
Miya Masaokas „The Earth Codes“, Foto: Marvin Systermans
Sie hat große geometrische Formen auf dem Boden ausgelegt und mit Erde gefüllt. „The Earth Codes“. Unter ihnen liegen Mikrofone, die bei jeder Erdebewegung feine Geräusche einfangen und rhythmisch wiedergeben. Geräusche, welche die Erde, welche die Pflanzen, die anderswo im Raum stehen, produzieren? Die Besucher? Es bleibt rätselhaft.
Dazu gibt es Fotografien zu sehen. Masaoka in Rom, verhüllt mit einem weißen Tuch. „Monumenta Ethernal“. Auch sie wird zum seltsamen Wesen, einem, das vor Brunnen und in Straßen posiert. Sie folgt dem Weg des Wassers, den Springbrunnen, den Rohren, durch die das Wasser fließt. Auf Schritt und Tritt spürt Masaoka die antike Geschichte Roms. Steht stolz da wie eine Marmorstatue. Auf dem nächsten Foto rennt sie weg wie ein Halloweengspenst. Wenn wir es nicht wüssten, hätten wir keine Ahnung, wer sich unter dem Tuch versteckt.
Miya Masaokas „Monumenta Ethernal“ in Rom, Foto: Marvin Systermans
Das entspricht dem künstlerischen Konzept von SAVVY Contemprary. Es ist ein Platz, an dem man nicht fragt nach Herkunft, Geschlecht, Hautfarbe. Und in dem zunächst nichts erklärt wird.
Blick in das „laboratory of form ideas“, Foto: Marvin Systermans
Als laboratory of form ideas – Laboratorium für Formideen bezeichnen die Macher und der künstlerische Direktor Renan Laru-an es, als einen Raum für die Auseinandersetzung zwischen dem Westen und dem Nicht-Westen, einen Raum für Wissensproduktion, künstlerische Ausdrucksformen und andere kreative Möglichkeiten.
Es ist Treffpunkt für Künstler aus aller Welt. Die westliche Brille, durch die wir Kunst betrachten, soll abgesetzt werden. Erst vorurteilsfrei schauen, dann fragen, dann lesen. Das ist das Konzept von SAVVY Contemporary.
Auch die Werke Miya Masaokas werden zunächst nicht erklärt. Besucher und Besucherinnen sollen sie auf sich wirken lassen, ihre Phantasie spielen lassen. Stelltafeln, Ausführungen, die in Museen sonst neben den Bildern hängen, gibt es nicht.
Wer mehr wissen will, kann ein Interview nachlesen, das die Künstlerin gegeben hat oder die jungen Leute fragen, die im SAVVY Contemporary die Besucher begrüßen. Vor der großen Glasfassade spielt sich Weddinger Leben ab.
Im SAVVY Contemporary sollen auch die erreicht werden, die von der U-Bahnstation zum Einkaufscenter eilen. SAVVY Contemporary ist auch sozialer Treffpunkt. Man kann ein Süppchen essen, sich hinsetzten und ein Buch aus der großen Bibliothek lesen oder ganz einfach nur die Kunst auf sich wirken lassen.
Die Ausstellung ist noch bis zum 14. 4. 2024 zu sehen.
SAVVY Contemporary
Reinickendorfer Str. 17
13347 Berlin
https://savvy-contemporary.com
Öffnungszeiten:
Donnerstag – Sonntag 14.00 bis 19.00 Uhr