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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Archiv für April, 2009

DOUBLE – ein Ausstellungskabinett im Frankfurter Museum für Moderne Kunst

2009, April 28.

DOUBLE

40 Jahre Kabinett für aktuelle Kunst, Bremerhaven

Ausstellungsreihe des MMK in Zusammenarbeit mit Gregor Schneider und Moritz Wesseler

Erinnern wir uns: Jürgen Wesseler, Jahrgang 1938, ein „Seiteneinsteiger“ in Sachen Kunst, Vorsitzender des Kunstvereins Bremerhaven und einer der Väter des dortigen Kunstmuseums, gründete 1967 in einem 33 qm grossen Ladenlokal in der Bremerhavener Innenstadt das „Kabinett für aktuelle Kunst“ als private Ausstellungsplattform für avantgardistische Künstler. Grosse Namen verbinden sich mit dem Kabinett: Bernd und Hilla Becher, Hanne Darboven, Isa Genzken, On Kawara, Blinky Palermo, Sigmar Polke, Gerhard Richter oder Andreas Slominski. 2001 installierte Gregor Schneider in dem Kabinett seine bekannte Ausstellung „N. Schmidt“, die das MMK im Jahr 2003 samt dem Nachbau – einem Double also – des Kabinetts erwarb.

DOUBLE nennt das MMK seine Anfang März dieses Jahres begonnene Ausstellungsreihe, die bis in den Herbst 2010 hinein fortgeführt werden soll. Das Museum rekonstruiert in enger Zusammenarbeit mit Gregor Schneider neun historische Ausstellungen des Bremerhavener Kabinetts. „Im Rahmen von Double nimmt sein Kunstwerk damit die zusätzliche Funktion eines Ausstellungsraumes an, der zu einem Doppelgänger seiner selbst wird und damit Fragen nach Endgültigkeit und Einzigartigkeit aufwirft“ verlautet aus dem MMK.

Den Auftakt bildeten Reiner Ruthenbecks „Umgekippte Möbel“, eine Arbeit, die der Künstler 1971 unter dem Titel „Objekte“ erstmals im Bremerhavener „Kabinett für aktuelle Kunst“ realisierte. Das MMK erwarb 1993 die Konzeptarbeit als Frankfurter Version unter dem bereits genannten Titel.

Eine Chaiselongue, drei Stühle, ein runder und ein rechteckiger Tisch liegen, scheinbar chaotisch verstreut, umgedreht beziehungsweise umgekippt auf dem steinernen Boden des Raumes, der uns von der Schneiderschen Installation her als ein Hauseingang bekannt ist, der zu einem Treppenaufgang führt. Ist das Mobiliar „Opfer“ eines Zufalls? Einer destruktiven Handlung? Wohl kaum, auch in funktionsgerechter Aufstellung lüden die Gegenstände kaum zum Verweilen, gar zum Wohnen ein.

Es scheint sich um ein bewusstes Arrangement zu handeln, das den Funktionen der Möbel wie auch sachgerechten, „bürgerlichen“ Vorstellungen über deren Sinn und Gebrauch zuwiderläuft. Die Szenerie wirkt komponiert, statisch. Statisch wie der „white cube“ des Raums, aus dem alle Bewegung gewichen ist. Das zunächst veritable Mobiliar ist zu einem Artefakt mutiert, der Betrachter in seiner Wahrnehmung des Gegenständlichen verunsichert. Nicht nur Sehgewohnheiten werden hinterfragt.

Gebrochen wird diese Wahrnehmung zudem durch die Erkenntnis, dass es sich um ein reinstalliertes, kopiertes Kunstwerk in einem ebenfalls kopierten Raum handelt. Erinnerungen an die grosse Sturtevant-Ausstellung des MMK werden wach.

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(Mario Kramer, Jürgen Wesseler, Gregor Schneider und Moritz Wesseler vor der Arbeit von Reiner Ruthenbeck „Umgekippte Möbel“; Foto: MMK/Axel Schneider)

Reiner Ruthenbeck, 1937 in Velbert geborener Bildhauer und Konzeptkünstler, studierte nach einer Ausbildung zum Fotografen Bildhauerei bei Joseph Beuys. Ruthenbeck war weltweit an zahlreichen, zum Teil spektakulären Ausstellungen beteiligt, in Deutschland unter anderem an der documenta 5 (1972), 6 (1977), 7 (1982) und 9 (1992) in Kassel. 1976 bespielte er zusammen mit Beuys und Jochen Gerz den deutschen Pavillon der Biennale in Venedig.

Vom 5. Mai 2009 an zeigt das MMK im Kabinett die rekonstruierte Wandmalerei von Lawrence Weiner „towards a reasonable end“. Der 1942 in New York geborene Künstler und Autor gilt ebenfalls als ein bedeutender Vertreter der konzeptuellen Kunst. Bekannt wurde Weiner unter anderem durch seine Wandinstallationen wie durch seine Film- und Videokunst, durch Performances sowie grafische Arbeiten und Skulpturen. Er war bei der Kasseler documenta 5, 6 und 7 vertreten.

⇒  Das Museum für Moderne Kunst Frankfurt im Jahr 2010
⇒  Liebe im Frankfurter Museum für Moderne Kunst
⇒  Blütenstaub: Wolfgang Laib im MMK-Double

Das grüne Kanapee / 7

2009, April 26.

Nun – es wird Zeit, hohe Zeit sogar, für ein neues Gedicht von habust. Sie alle, liebe Leserinnen und Leser, kennen habust – Klarname: Hans-Burkhardt Steck – von seinen tollen TSG-Songs. Nun also ein neues Gedicht, es geht um – Sport! Genauer gesagt um einen Purzelbaum. Aber hören Sie selbst: Setzen Sie sich auf das grüne Kanapee, indem Sie es anklicken, und dann kommt er, der Purzelbaum, rezitiert vom Dichter persönlich …

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(©  habust; Foto: GearedBull wikimedia commons GFDL)

 

Rot-schwarz / Schwarz-rot oder: das Marienkäferchen

2009, April 25.

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(Bildnachweis: Chris Thomas / Miltoncontact ; wikimedia commons GFDL)

Mal Hand auf’s Herz, liebe Leserinnen und Leser, ist Ihnen dieses Marienkäferchen nicht auch lieber als die Schwarz-rote Berliner Koalition?

Nun krabbelt es von links nach rechts: Wie ist das von der politischen Farbenlehre her zu verstehen? Als Vorschau auf das Ergebnis der kommenden Bundestagswahl?


Klaus Kreuzer: Städte am Wasser und Flusslandschaften

2009, April 23.

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Klaus Kreuzer im Atelier: „Paris“, 110 x 90 cm; alle (auch nachfolgenden) Bilder in Öl-Spartel-Technik auf Leinwand

„Das Hauptanliegen meiner Malerei ist die Darstellung der Bewegung der Farben in der Atmosphäre; Spiegelungen im Wasser, Spiegelungen in der Luft, das Flimmern der Atmosphäre“: So lautet das künstlerische Credo des Frankfurter Malers Klaus Kreuzer. Weiterlesen

„Neu“ im Frankfurter MMK: das grosse Wiedersehen

2009, April 21.

YELLOW AND GREEN – Positionen aus der Sammlung des MMK

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Morris Louis, First Coming, 1961, 230 x 168,5 x 4 cm
Foto: FeuilletonFrankfurt

Wir sind wieder daheim im Frankfurter Museum für Moderne Kunst – weithin bekannt als MMK. Daheim in der Sammlung dieses Hauses. Sozusagen in der Frankfurter „Gud Stubb“ der internationalen kontemporären Kunst.

Vorbei ist es mit den Ausstellungs- und Event-Eskapaden eines Udo Kittelmann, der nicht müde wurde, über die zahlreiche Schar seiner Anhänger hinaus ein grosses Publikum davon zu überzeugen, dass das MMK mit diesen Kunst-Events weltweit in der allerersten Liga mitspiele, neben den Museums of Modern Art in New York und San Francisco, dem  Museum of Contemporary Art Chicago, der Tate Modern in London, um nur einige zu nennen, nicht zu vergessen die von ihm wohl etwas weniger geliebten Guggenheims dieser Welt … Weiterlesen

Hände

2009, April 19.

Es gibt zwei, nein drei Typen von Menschen: Die einen halten stets ein Handy, wenn nicht am Ohr, so doch in der Hand; die anderen stets einen Pappbecher (wenn auch nicht gerade am Ohr); die dritten – diese Bevölkerungsgruppe gewinnt zunehmend an Bedeutung – halten stets beides.

Manchmal überkommen uns die merkwürdigsten Fragen: Was haben wir eigentlich in früheren Jahrzehnten mit unseren Händen gemacht? Wie konnten wir das überhaupt aushalten, diese handy- und pappbecherlose Zeit?

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(Bildnachweis: fielperson; Foto: Kigoo Images /pixelio.de)

Osterbotschaften 2009

2009, April 13.

„Viele derer, die Verantwortung getragen haben, werden als moralisch und ethisch korrumpiert erlebt; von einer Gier nach immer mehr infiziert, lassen sie keinerlei Solidarität mehr erkennen mit den vielen Menschen, die tagtäglich ihre Arbeit verlässlich und verantwortungsvoll tun. Man merkt, wie hier sogar die Sprache zerbricht: Das lateinische „bonus“ bedeutet ursprünglich „gut“ und „gerecht“ und war ein Grundbegriff jeder ethischen Orientierung. Eine „Bonus-Zahlung“ für jene, die das, wofür sie einmal Verantwortung übernommen hatten, heruntergewirtschaftet und sogar an die Wand gefahren haben, ist aber eindeutig „schlecht“ und „ungerecht“. Wenn Verantwortungsträger sogar die Sprache korrumpieren, dann sind wir in der Realität des Jahres 2009 angekommen.“

Erzbischof Robert Zollitsch, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz

Zahllose Menschen haben sich wie die drei Frauen am Morgen des Ostersonntags aufgemacht. Sie sind auf der Suche nach einer neuen Ordnung. Sie wollen festen Boden unter den Füssen. Sie halten Ausschau nach einem Grund, der ihnen Sicherheit und Verlässlichkeit bietet, unabhängig von Geldsorgen und Wirtschaftskrise. Das Denken in kurzfristigen Gewinnerwartungen und Quartalsberichten soll abgelöst werden von langfristigen Prognosen und von nachhaltigen Strategien. Der Sinn von milliardenschweren Zahlungen für die künstliche Verlängerung einer Wirtschaftslogik, die sich als nicht tragfähig erwiesen hat, leuchtet immer weniger ein. Die Menschen fragen vielmehr nach Lebensformen und nach Ausgestaltungen wirtschaftlichen Handelns, die Nachhaltigkeit versprechen. Sie sehnen sich nach einem Wandel der Werte, nach dem Fest der Verwandlung.“

Bischof Wolfgang Huber, Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland

„Wem können wir überhaupt noch glauben? Und das sind Fragen, die weh tun, weil bestimmte Unternehmen einen guten Ruf hatten und man jetzt merkt, dass auch Experten der ganzen Finanz- und Wirtschaftswelt sich völlig geirrt haben und manche auch wissentlich gehandelt haben aus Gier heraus oder Schattenspiele inszenierten, die gefährlich sind und die auf Kosten von einzelnen Menschen und Menschengruppen, die auch auf Kosten ganzer Länder gehen … Das Erschütternde ist ja, dass wir jetzt befähigt werden sollen, unseren Konsum zu stärken, eigentlich genau die alten Regeln, die da waren: Kauft jetzt mehr – Abwrackprämie und dergleichen, es ist ja noch vieles andere, was wir machen sollen -, und dann wird es in einem Jahr schon wieder so sein, wie immer. Dann haben wir gar nichts gelernt, denn es kann nicht immer nur auf Wachstum gesetzt werden … Das heisst, wir müssen eine ganz neue Wirtschaftsordnung haben … wie können wir so wirtschaften, dass wir die Natur nicht ausbeuten, dass wir Menschen nicht ausbeuten, dass wir nicht immer neuen Schrott uns andrehen lassen …“

Bischöfin Maria Jepsen (im Interwiew mit dem Deutschlandfunk)

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(Foto: Gerd Altmann /pixelio.de)

Heit san mir mit’m Radl da

2009, April 6.

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… ein bisschen mehr als ein paar Tropfen Fahrradöl müsste schon her. Aber wenigstens kann man nicht umkippen …

Vor dem Deutschen Fahrradmuseum im Staatsbad Brückenau

(Foto: FeuilletonFrankfurt)

Corinna Mayer – Wandmalereien oder: Die Frucht vom Baum der Erkenntnis

2009, April 3.

Von Erhard Metz

Uralt ist die Wandmalerei – wir kennen sie aus dem Neolithikum vor rund sechs Jahrtausenden, aus dem Alten Ägypten, aus der klassischen Antike, aus den Meisterwerken eines Michelangelo oder Raffael, aus nahezu allen Erdteilen. Aber auch in dem, was wir Moderne nennen, lebt die Wandmalerei ein Stück weit fort.

Frühere Wandmalereien sollten Zeugnisse ablegen, die Menschenleben, Generationszyklen überdauern. Ihre Narrationen gleichen Geschichtsbüchern. Anders als ein Tafelbild begegnen sie dem Betrachter als Teil der in Stein verfestigten Architektur. Auch heute noch eignet ihnen etwas Archaisches, erheben sie einen Anspruch auf fortdauernde Gültigkeit.

Die Frankfurter Künstlerin Corinna Mayer – wir kennen sie von unserem früheren Porträt her – pflegt die Wandmalerei in Gestalt der Seccotechnik. Mit Acryl und Öl bearbeitet sie den trockenen Grund. So jüngst wieder in der Frankfurter Galerie Perpétuel. Annähernd lebensgross erscheinen ihre Figuren. Wir treffen auf ihren unverwechselbaren Stil, die unverwechselbaren Farben ihrer Palette.

Aber wir sind irritiert: Die in feiner malerischer Ausführung entwickelten Darstellungen werden eine Lebensdauer von nur sechs Wochen nicht überschreiten. Sie sind endlich in unserer eigenen endlichen Zeit. Der Galeriebetrieb wird sie im Zuge der nächsten Ausstellung so oder so von der Wand entfernen, herunterwaschen, überstreichen, zerstören. Wenig nur wird bleiben: einige Fotografien, eine Erinnerung.

Warum tut sie das, fragen wir uns. Was will Corinna Mayer uns zeigen?

„I’ll be your mirror“ betitelt die Künstlerin ihre Ausstellung.

Da ist zunächst eine Szene mit Adam und Eva, im Zentrum die Frucht vom Baum der Erkenntnis, hier einem Ei ähnelnd – Keimzelle allen künftigen Lebens; wir kennen dieses Motiv von früheren Arbeiten der Künstlerin. Eva hält Adam ein langstieliges Blätterwerk vor, der Pflanzenstengel verbindet unübersehbar beide Figuren. Adam statisch, Eva dynamisch, die Plattform betretend, auf der er steht. Ihre Blicke treffen sich  nicht, und auch nicht die des Betrachters. Adam schaut auf Eva, diese jedoch wendet ihren Blick seitlich auf ein gleichermassen ausserhalb von Bild und Betrachter liegendes Ziel.

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Xi’an – Chinas alte Hauptstadt (Teil 2)

2009, April 2.


Xi’an – Chinas alte Hauptstadt (Teil 2)

Text: © Ingrid Malhotra

Fotografien: © Ingrid Malhotra und Fan Feng (3)


Rund um Xi’an

Nun, so interessant die Stadt selbst auch ist (Teil 1), die bekanntesten Attraktionen finden wir draussen.

Selbst die Terrakotta-Armee liegt schon ausserhalb, wenn auch nicht weit. Das macht ja auch Sinn, denn diese Riesenanlage hätte näher bei der Stadt zuviel Bauland erfordert. Und das war sicher auch in grauer Vorzeit schon wertvoll!

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Aber zunächst ein paar Worte zur Landschaft rund um Xi’an: Die Stadt liegt in einer ausgedehnten Löss-Ebene, seit Tausenden von Jahren eine fruchtbare Kornkammer Chinas. Dieser Boden ist natürlich nicht nur fruchtbar, sondern auch weich Weiterlesen