Die Notwendigkeit von Regeln, die eine Art von Humanismus im Hightech schaffen
„Lasst uns die Schöpfung lieben“
Von Renate Feyerbacher
Am Sonntag, den 12. Oktober 2014, wurde in der Frankfurter Paulskirche in Anwesenheit von 1000 geladenen Gästen dem amerikanischen Internet-Pionier der ersten Stunde und heutigen Internetkritiker Jaron Lanier der Friedenspreis des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels verliehen. In der Begründung lobt die Jury Laniers Einsatz für das „Bewahren der humanen Werte“, die „Grundlage eines friedlichen Zusammenlebens, auch in der digitalen Welt“. Der Preis ist mit 25.000 Euro dotiert.
Die Begründung des Stiftungsrats: „Den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verleiht der Börsenverein im Jahr 2014 an Jaron Lanier und ehrt mit dem amerikanischen Informatiker, Musiker und Schriftsteller einen Pionier der digitalen Welt, der erkannt hat, welche Risiken diese für die freie Lebensgestaltung eines jeden Menschen birgt.
Eindringlich weist Jaron Lanier auf die Gefahren hin, die unserer offenen Gesellschaft drohen, wenn ihr die Macht der Gestaltung entzogen wird und wenn Menschen, trotz eines Gewinns an Vielfalt und Freiheit, auf digitale Kategorien reduziert werden. Sein jüngstes Werk ‚Wem gehört die Zukunft‘ wird somit zu einem Appell, wachsam gegenüber Unfreiheit, Missbrauch und Überwachung zu sein und der digitalen Welt Strukturen vorzugeben, die die Rechte des Individuums beachten und die demokratische Teilhabe aller fördern.
Mit der Forderung, dem schöpferischen Beitrag des Einzelnen im Internet einen nachhaltigen und ökonomischen Wert zu sichern, setzt Jaron Lanier sich für das Bewahren der humanen Werte ein, die Grundlage eines friedlichen Zusammenlebens, auch in der digitalen Welt, sind.“
Der Preisträger
Jaron Laniers Biografie ist europäisch geprägt. Die Mutter hatte Wien mit 15 Jahren verlassen, der Vater stammte aus der Ukraine und war schon vorher vor den antijüdischen Pogromen geflüchtet. Jaron Lanier wurde 1960 in New York geboren, wuchs aber in der Nähe von El Paso, Texas, auf. Die Mutter starb bei einem Autounfall, als der Junge neun Jahre alt war. Die Kindheit verlief sehr turbulent. Der Vater starb vor kurzem, „während ich diese Worte schreibe“, das sind letzte Sätze in seiner Paulskirchen-Rede, die er tief bewegt ausspricht. Er ist der Einzige, der von seiner Familie blieb, viele kamen in den Konzentrationslagern um.
Mit 15 Jahren verliess Lanier die High School, aber ein Nachbar vermittelte die Begegnung mit einem Wissenschaftler und fortan besuchte er Mathematik- und Chemieseminare an der New Mexico State University. Er gewann erste Einsichten in die Computer-Technologie.
Heute lehrt Jaron Lanier Informatik an der University of California in Berkeley, wo er mit Frau und Tochter lebt. Er erhielt unter anderem zwei Ehrendoktortitel und weitere hohe Auszeichnungen. Als ein Multitalent ist er auch Musiker. Er spielte mit dem Komponisten Philipp Glass, mit Yoko Ono, Sean Lennon und vielen anderen Musiker verschiedener Couleur. Er komponiert Konzerte, Ballette und Filmmusiken. Und er malt. Seine Zeichnungen, Gemälde und Kunstinstallationen – für Steven Spielberg schuf er virtuelle Bühnenbilder – wurden in den USA und Europa gezeigt. Er ist Buchautor („Gadget. Warum die Zukunft uns noch braucht“ und „Wem gehört die Zukunft? ‚Du bist nicht der Kunde der Internetkonzerne. Du bist ihr Produkt.‘ „). Er hat eine Sammlung von mehr als tausend seltenen alten Musikinstrumenten, von denen er am Ende der Preisverleihung in der Paulskirche eine alte Bambusflöte aus Laos, eine Khaen, spielte.
Jaron Lanier in der Paulskirche mit einer Flöte aus Laos Weiterlesen