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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Archiv für Februar, 2016

Die Passage Pommeraye: Ein magisch-nostalgischer Ort in Nantes

2016, Februar 28.

Von Petra Kammann

Die Passage Pommeraye in Nantes ist eine der eindrucksvollsten und schönsten auf drei Ebenen konstruierten Passagen Europas. Sie wurde auf Fels und Sand gebaut, um das zu Beginn des 19. Jahrhunderts neu entstehende Kulturviertel rund um die Place Graslin mit dem klassizistischen Théâtre Graslin und seinen korinthischen Säulen mit dem zehn Meter tiefer liegenden Elendsviertel der Unterstadt zu verbinden. Vorbild für die Anlage waren die Pariser Passagen, typische Erfindungen der „Großstadt des 19. Jahrhunderts“, welche die dunklen, in die Häuser hinein gebauten Läden abgelöst hatten. Nun wurden die Läden miteinander verbunden.

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Wer einmal nach Nantes kommt, sollte sich unbedingt von der Passage Pommeraye inspirieren lassen

Über einer grazilen Eisenkonstruktion wurden Glasdächer gespannt, welche Licht von oben spenden. Die Passagen wurden außerdem zum Schauplatz der ersten Gasbeleuchtung, so dass sie auch bei schlechtem Wetter zum Flanieren einluden, um sich die in den Geschäften ausgebreiteten Waren anzuschauen.

In den Passagen gab es Boutiquen aller Art, Cafés, Restaurants, Mode, Buch- und Blumenläden. Sie wurden zu einem Zentrum des Handels mit Luxuswaren, was viele zeitgenössische Dichter wie Charles Baudelaire („A une passante“) und Künstler zu Kommentaren und Darstellungen anregte. Das Transitorische des Augenblicks der für die Großstadt typischen Passantin wurde auch zum Gestaltungsprinzip für die neue Kunst des Impressionismus. Weiterlesen

Das Kunstwerk der Woche (8)

2016, Februar 26.

 

Die Arbeit einer Künstlerin oder eines Künstlers
aus den Atelierhäusern in Frankfurt am Main

Kerstin Lichtblau, basis Elbestrasse

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„Rotkäppchen, der Wolf und Freundinnen“, 2016, Öl, Acryl und Siebdruck auf Leinwand, 100 x 140 cm; © Kerstin Lichtblau; Foto: die Künstlerin

Von Erhard Metz

Die Erzählung vom Rotkäppchen ist rund um die Welt in vielen Sprachen bekannt („Le petit chaperon rouge“, „Little Red Riding Hood“) – so „globalisiert“ wie bereits auch die „Augenmädchen“ von Kerstin Lichtblau, die ihre markanten Geschöpfe europa- und weltweit in Ausstellungen u.a. nach Paris, Lyon und Brüssel, nach New York City, New Orleans, Albany, NY, und West Salem, Wisconsin brachte. Das kleine Mädchen mit der roten Mütze wurde zum Stoff von Theaterstücken und Opern (Le petit chaperon rouge von François-Adrien Boieldieu, 1818!), von Musicals und Filmen, von Fernseh- und Hörspielen, von Comic- und Werbefiguren, seine Geschichte wurde von Schriftstellern, Regisseuren, Pädagogen, Philosophen und Psychologen auf das Vielfältigste adaptiert, analysiert und interpretiert. Nach Erstveröffentlichungen von Charles Perrault in den Jahren 1695/1697 fand es 1812 Eingang in die berühmte Sammlung von Kinder- und Hausmärchen der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm. Und seit jeher spielt der – böse – Wolf mit. Aber auch die hilflos-kranke Grossmutter und der edel-maskulin aufgeladene rettende Jägersmann.

Natürlich interessiert diese Kult- und Symbolfigur auch eine Künstlerin wie Kerstin Lichtblau. Ihr Wolf hat die gleichen blauen Augen wie das Mädchen. Wie mag ihr Verhältnis zueinander sein? Ist Lichtblaus Rotkäppchen kindlich-naiv oder kess und sexy, unschuldig-unwissend oder listig-durchschauend, emanzipiert im 21. Jahrhundert? Und der Wolf – ist er gezähmt oder noch wild, spielt er mit oder lässt er sich nicht „in die Karten gucken“? Das Geschehen spielt in einem verzauberten – allerdings kahlen, schweflig-gelben – Wald, den kleine blaue Wölkchen durchschweben. Vier Augenmädchen (technisch handelt es sich um Siebdrucke) bevölkern die Szenerie – Freundinnen, doch eher achtsam, skeptisch, misstrauisch. Rotkäppchen und Wolf, Kindfrau und Mann, Sexobjekt und Macho, die Gute und der Böse – Freundin und Freund, kurzum: wer sind die beiden?

Lassen wir die Künstlerin selbst sprechen: „Die ‚Augenmädchen‘ richten sich an alle, die unsere Welt nicht einigen wenigen überlassen wollen, sondern das Recht einfordern, dass jedem Individuum ein gleichberechtigter Platz zusteht. Durch ihren intensiv fixierenden Blick vertauschen sie die Rolle von Betrachter und Bild – sie ziehen den Rezipienten in ihre Welt, wollen emotional berühren, auffordern – herausfordern.

Ich glaube man sieht, dass das Rotkäppchen und der Wolf in diesem Fall befreundet sind. Die Augenmädchen sind auch radikal pazifistisch!“

Wer mehr „Augenmädchen“ sehen will, wird hier aktuell fündig:

Kerstin Lichtblau und andere, „Ausstellung der Jahresgaben 2015“, Kunstverein Friedberg/Hessen, bis 6. März 2016
„We can be heroes – Kerstin Lichtblau und ihre Augenmädchen“, ABC Westside Galerie, München, 11. März bis 9. April 2016

→ Frankfurter Ateliertage 2012: Kerstin Lichtblau

→ Das Kunstwerk der Woche (9)
→ Das Kunstwerk der Woche (1)

 

Emilia Neumann in der Sachsenhäuser Galerie Perpétuel: „Hartsubstrat“

2016, Februar 25.

Von Erhard Metz

Wer in einer Ausstellung Emilia Neumanns Geschöpfen begegnet, den quält am Ende der Gedanke, im damaligen gymnasialen Biologieunterricht entweder öfters gefehlt oder geschlafen zu haben. Und im Philosophieunterricht ebenso. Denn was um des Himmels willen sind Crinkles, Pimples und Koots? Nun haben wir ja bereits einige andere dieser Wesen der Frankfurter Bildhauerin kennengelernt, so etwa die Qualjas (im Frankfurter Kunstverein) oder die Protisten (in der Skulpturenausstellung 2015 in Mörfelden-Walldorf). Das alles macht zweifellos Lust auf mehr, auf ihre Rhinoceros Dreams zum Beispiel, auf ihre Rosinante sowieso, die Gaia oder gar die „Venus von Offenbach“. Und natürlich auf die aktuelle Ausstellung mit dem Titel „Hartsubstrat“ in der Sachsenhäuser Galerie Perpétuel.

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o.T. (endogene), Serie 28 I, 2016, Gips, Pigment, Stahl, 75 x 65 x 20 cm (Totale und Detail)

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Ja nun, ein Substrat ist etwas, das als Unterlage für etwas anderes dient, das Zugrundeliegende, so wird man es definieren müssen, nach der aristotelischen Lehre ist es selbst von Eigenschaftslosigkeit, um Träger hinzutretender Eigenschaften sein zu können. Und was ist das „Hartsubstrat“ der Künstlerin? Eben das harte „Zugrundeliegende“ oder doch vielmehr das harte „andere“ Hinzutretende? Weiterlesen

Oper Frankfurt: Wiederaufnahme von „Giulio Cesare in Egitto“ von Georg Friedrich Händel

2016, Februar 24.

Recht brutales Spektakel – aufgefangen durch Ironie, Witz und Humor

Von Renate Feyerbacher

Am 2. Dezember 2012 hatte das Dramma per musica Premiere. Bei der ersten Wiederaufnahme jetzt am 12. Februar 2016 lag die musikalische Leitung erneut bei Erik Nielsen. Die Aufführung, inszeniert von Johannes Erath, war so frisch wie damals. Manche Einwände meiner damaligen Besprechung hatten sich verflüchtigt und das Publikum feierte ohne Buh-Rufe die Inszenierung und vor allem die Sängerinnen und Sänger. Fast nach jeder Arie gab es Beifall, am Ende der Vorstellung erreichte der Beifallssturm fast schon Lärmqualität.

Andreas Scholl gibt sein Debüt an der Oper Frankfurt. Bisher trat er hier als Liedsänger auf. Den Giulio Cesare sang er bereits in Paris und zusammen mit Cecilia Bartoli bei den Salzburger Festspielen. Der weltweit hochdekorierte Countertenor, dessen Heimat der Rheingau ist, der seine erste musikalische Ausbildung bei den Kiedricher Chorbuben erhielt und 2015 Preisträger des Rheingau Musikfestivals war, bewegt sich professionell auf der Bühne. Die Liebesszenen mit Lydia alias Cleopatra sind hinreissend. Bei der ersten Arie gab es kleine, stimmliche Schwächen, zu leise, aber dann, als ob er es bemerkt hätte, drehte er auf. Es folgte ein Feuerwerk höchster Countertenor-Kunst.

GIULIO CESARE IN EGITTO | Georg Friedrich Händel | WA 12.02.2016 | Oper Frankfurt Musikalische Leitung Erik Nielsen Regie Johannes Erath Szenische Leitung der Wiederaufnahme Hans Walter Richter Bühnenbild Herbert Murauer Kostüme Katharina Tasch Licht Joachim Klein Video Bibi Abel Dramaturgie Malte Krasting Giulio Cesare Andreas Scholl Curio, römischer Tribun Björn Bürger Cornelia, Pompejus Gemahlin Jamie Barton Sesto, Cornelias und Pompejus Sohn Nina Tarandek Cleopatra Louise Alder Tolomeo, König von Ägypten, Cleopatras Bruder Matthias Rexroth Achilla, Heerführer und Ratgeber Tolomeos Simon Bailey Nireno, Cleopatras und Tolomeos Vertrauter Dmitry Egorov Frankfurter Opern- und Museumsorchester

Andreas Scholl (Giulio Cesare) und Louise Alder (Cleopatra); Foto © Barbara Aumüller/Oper Frankfurt
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„Vom Verbergen“: Ausstellung im Museum Angewandte Kunst Frankfurt (MAK)

2016, Februar 21.

Von Erhard Metz

Nur noch zwei Wochen, bis 6. März 2016, ist eine besondere und höchst bemerkenswerte Ausstellung im Frankfurter Museum Angewandte Kunst MAK zu sehen, die keineswegs versäumen sollte, wer sie noch nicht besucht hat. „Vom Verbergen“ lautet ihr vielversprechender Titel – und die Ausstellung hält, was der Titel verspricht. Für Idee, Konzept und Gesamtleitung zeichnen Julia Koch und Museumschef Matthias Wagner K verantwortlich, unterstützt von Juliane Duft als kuratorischer Assistentin.

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Matthias Wagner K, Direktor des Museums Angewandte Kunst MAK, und Juliane Duft, kuratorische Assistentin der Ausstellung, in der seinerzeitigen Pressekonferenz

Der Mensch ist neugierig – vielleicht zählt diese Neugier mit zu den Überlebensstrategien im Rahmen seiner evolutionären Entwicklung. Auch wir bekennen uns zu Neugier, und der Wunsch, Geheimnisse zu lüften, scheint allgegenwärtig. Wenn da ein Kistchen steht – wer hätte sich nicht schon mal bei dem Gedanken ertappt, in einem unbeobachteten Moment den Deckel zu lupfen und hineinzuschauen, den Schlüssel einer Schranktür zu drehen und einen verstohlenen Blick in das Innere des Mobiliars zu riskieren? Und ist es nicht so, dass – je mehr verhüllt, verschlossen und versteckt wird – umso grösser der Wunsch gerät, des Verhüllten und Verschlossenen ansichtig zu werden? Gerade die Mode weiss um den Reiz und Eros des textilen Verbergens. Und beinhaltet nicht ein Verhüllen und Verschliessen auch ein Verbot an Dritte, das Verhüllte und Verschlossene zu sehen, und ist es nicht lustvoll, solchem Verbot zuwider zu handeln? Weiterlesen

Das Kunstwerk der Woche (7)

2016, Februar 20.

 

Die Arbeit einer Künstlerin oder eines Künstlers
aus den Atelierhäusern in Frankfurt am Main

Zero Reiko Ishihara, Städtische Ateliers Ostparkstrasse

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„The Pushmi-pullyu“, 2015, Keramik mit Kintsugi, Holzsockel, ca. 40 x 80 x 120 cm; Foto: die Künstlerin; © VG Bild-Kunst, Bonn

Von Erhard Metz

Wo immer sich die bekannte Künstlerin Zero Reiko Ishihara aufgehalten hat, kribbelt und krabbelt es, so scheint es, hernach. Das war und ist schon in der Frankfurter Oberfinanzdirektion im Main Triangel nicht anders, wo sie im Herbst 2010 im Rahmen ihrer Ausstellung „Aquarium“ die lange Fensterfront des Foyers zum Sitzungssaal mit eben jenen krabbelig-knubbeligen Wesen in Über-„Lebensgrösse“ versah – die Finanzverwaltung erwarb die Arbeit, die Mitarbeiter wie Besucher der Behörde auch heute noch tagtäglich an diesem Ort erstaunt wie erfreut.

Und heute nun sehen wir ein „Pushmi-pullyu“ der Künstlerin – wer gern ins Deutsche übersetzt, wird sich zu einem „Stossmich-ziehdich“ überwinden müssen. Es handelt sich um eine längst ausgestorbene, sagenhafte Tierart mit einem Kopf an jedem der beiden Enden, bekannt aus dem Kinderbuch „Doktor Doolittle und seine Tiere“ des britischen Schriftstellers Hugh John Lofting. Da stets nur die eine Hälfte des Pushmi-pullyu schlief, während die andere Hälfte wachsam blieb, konnte es nie gefangen und in einen Zoo verbracht werden. Nach Doktor Doolittle, der das Tier noch leibhaftig gesehen haben will, war es nun Zero Reiko Ishihara gegeben, es in einem ihrer Krabbelwesen gleichsam künstlerisch zu reanimieren.

Doch mit der geheimnisvollen Skulptur hat es noch eine andere, nicht minder geheimnisvolle Bewandtnis – mit Kintsugi nämlich, ein letztlich wohl im Zen-Buddhismus begründetes japanisches ästhetisches Konzept der Wahrnehmung von Schönheit (Wabi-Sabi) und der Wertschätzung von Fehlerhaftigkeit. Wir lernten es bereits im „Ouroboros“ der Künstlerin kennen.

„Beim Brennen meiner Keramikskulpturen“, erklärt es uns Zero Reiko Ishihara, „kommt es manchmal dazu, dass sie kaputt gehen. Auf den Prozess des Brennens hat man nur bedingt Einfluss. Die einzelnen Bruchstücke werden mit Urushi-Lack und eingestreutem, pulverisiertem Metall wieder verbunden. Ganz nach dem alten traditionellen japanischen Keramikreparaturverfahren „Kintsugi“ werden so die zerbrochenen Stellen repariert und für jeden sichtbar gezeigt. Es handelt sich hierbei um eine Veredelung der Keramik.“

„The Pushmi-pullyu“ wie auch andere Werke der Künstlerin sind übrigens im Rahmen der Ausstellung „Deltabeben. Regionale 2016 – künstlerische Positionen der Metropolregion Rhein-Neckar“ bis zum 28. März 2016 im Mannheimer Kunstverein zu sehen.

→ Zero Reiko Ishihara öffnet ihr Bestiarium
→ Zero Reiko Ishihara lässt den Tatzelwurm los
→ 20 Jahre städtisches Atelierhaus in der Frankfurter Ostparkstrasse

→ Das Kunstwerk der Woche (8)
→ Das Kunstwerk der Woche (1)

 

Max Beckmann-Preis 2016 der Stadt Frankfurt am Main an Agnès Varda

2016, Februar 19.

Agnès Varda: Filmemacherin, Fotografin, Multi-Media-Künstlerin
„Machen Sie immer noch weiter in Ihrem Alter?“

Von Renate Feyerbacher

Am Vorabend von Max Beckmanns (1884-1950) Geburtstag überreichte Oberbürgermeister Peter Feldmann Agnès Varda den mit 50.000 Euro dotierten Preis. Die Stadt Frankfurt am Main verleiht die Auszeichnung alle drei Jahre – erstmalig 1978 – für hervorragende Leistungen im Bereich Malerei, Grafik, Bildhauerei und Architektur. Nun etwas Neues: Erstmals wurde er an eine Filmemacherin vergeben und erst zum dritten Mal an eine Frau – nach der Malerin Maria Lassnig (2004) und der Frankfurter Fotografin Barbara Klemm (2010).

Leichtfüssig schritt die 87jährige neben Oberbürgermeister Feldmann durch den Metzler-Saal im Städel Museum, den Max Hollein zur Feierstunde vorgeschlagen hatte. Faszinierend Vardas kecke Frisur in weiss-rot gehalten. Das Stadtoberhaupt begrüsste sie als „Grand-mère de Nouvelle Vague“, einer Stilrichtung des französischen Films, zu deren ausschliesslich männlich besetztem Kern sie nicht gehörte und gehören wollte: als Macho-Verein bezeichnete sie ihn. Vardas Film-Sicht ist persönlich, eigenwillig, feministisch. Die österreichische Filmwissenschaftlerin Christa Blümlinger, die in Paris lehrt und die Preisträgerin schon lange kennt, gab einen Überblick ihres vielfältigen Schaffens. Sie nannte Varda die Erfinderin eines eigenen Stils, der dokumentarisch-fiktional arbeitet und die Welt sinnlich wahrnimmt und autobiografisch geprägt ist. Baudelaire und Rilke inspirierten sie.

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Agnès Varda mit dem Goldenen Buch der Stadt Frankfurt am Main, für das sie sich begeisterte; Foto: Renate Feyerbacher Weiterlesen

Yvette fait les violettes à Tourrettes

2016, Februar 18.

Tourrettes-sur-Loup ist die Veilchenstadt schlechthin
Veilchenfest in 2016 am 27. und 28. Februar

Von Elke Backert

Im Poesiealbum ist’s nachzulesen: „Sei bescheiden und rein wie ein Veilchen und nicht wie die stolze Rose, die immer bewundert will sein.“ Und natürlich widmete auch Goethe dem „herzigs Veilchen“ ein Gedicht:

„Ein Veilchen auf der Wiese stand
Gebückt in sich und unbekannt;
Es war ein herzigs Veilchen …“

Bescheiden von Wuchs, aber welch ein Duft! Das unscheinbare Gewächs wurde gar 2007 als Heilpflanze des Jahres auserkoren, das, als Tee getrunken, gut gegen Husten wirke.

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Goethes „herzigs Veilchen“

Seit etwa 1880 hat sich ein ganzes Bergdorf im Hinterland der Côte d`Azur der Kultur der blaublütigen Viola odorata verschrieben. 20 Autominuten vom Flughafen Nizza entfernt ist Tourrettes-sur-Loup die Veilchenstadt schlechthin. Weiterlesen

Breslau / Wrocław: Europäische Kulturhauptstadt 2016 (1)

2016, Februar 17.

Von Winfred Kaminski (Breslau)

Zwei Städte, San Sebastian (Spanien) und Wrocław/Breslau (Polen), teilen sich die Ehre, 2016 die Kulturhauptstädte Europas zu sein. Breslau feierte am 19. Januar 2016 die Eröffnung.

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Die Hauptveranstaltung fand selbstverständlich auf dem Rynek, dem Großen Ring und Rathausplatz, statt. Vier Paraden bewegten sich seit dem Sonntagnachmittag aus den vier Himmelsrichtungen auf diesen Ort zu. Sie passierten dabei unterwegs zentrale Orte der Stadt und wiesen auf geschichtlich bedeutsame Ereignisse wie das Kriegsende und dann aber auch die Solidarnosc-Bewegung hin. Choregraphiert von dem Briten Chris Baldwin, der auch schon olympische Ereignisse gemanagt hat, zogen viele Tausende durch die Stadt und trafen gegen 19.30 Uhr auf mehr als Zehntausend Wartende auf dem Rynek. Die hatten bei Minustemperaturen geduldig und dennoch guter Stimmung ausgeharrt!

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Tolle Tage – „La folle Journée 2016“ in Nantes

2016, Februar 15.

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In der großen Halle, wo es zu den den einzelnen Konzertsälen geht, finden kostenlose Konzerte statt. Hier spielen die drei polnischen Akkordeonisten des Moshem-Trios, Fotos: Petra Kammann

René Martin ist seit 1995 der innovative künstlerische Leiter der „Folle Journée“ in Nantes, eines Festivals, das in Frankreich die Vorstellung von klassischen Konzerten revolutioniert hat. Daneben betreut Martin noch verschiedene andere Musikfestivals. 1981 hatte er das Klavierfestival in La Roque d’Antheron gegründet, dessen Leiter er bis heute ist. 1988 hat Svjatoslav Richter ihm das Festival „La Grange de Meslay“ in der Touraine anvertraut. Allein mit Richter veranstaltete er dort 100 Konzerte.
Wegen der großen Beliebtheit der „Folle Journée“ wurde das erfolgreiche Festivalkonzept bereits mehrfach ins Ausland exportiert: 2000 nach Lissabon, 2001 nach Bilbao, 2004 nach Tokyo, 2007 nach Rio de Janeiro, 2010 nach Warschau, 2015 in den Ural ins russische Jekatarinenburg. 
Es werden weitere folgen. In diesem Jahr fanden die „Folles Journées“ (die „tollen Tage“) vom 2. bis 7. Februar 2016 in Nantes statt, Schwerpunktthema war „La Nature“. 
Petra Kammann traf den künstlerischen Festivalleiter René Martin zum Gespräch in Nantes

Petra Kammann: Sie haben gesagt, dass Sie die Vorurteile, die man der klassischen Musik gegenüber haben kann, aufbrechen wollten. In diesen Tagen feiern Sie bereits die 22. Auflage. Wie haben Sie Ihren Programmauftrag am Anfang gesehen?

René Martin: Als ich diese Veranstaltung entwickelt habe, war ich mir bewusst, dass es viele Menschen, vor allem unter den jungen Leuten gab, die noch nie von Beethoven oder Schubert gehört hatten. Und so wollte ich mir ein neues Konzept ausdenken, wie man auch sie erreichen könnte. Dazu war es notwendig, dass man die klassische Musik erst einmal vom Thron herunterholt. Viele denken nämlich, das ist nichts für mich, weil sie niemals ein Instrument gespielt haben. Und sie denken, man muss erst einmal Noten lesen können. Doch nichts davon ist wahr. Es reicht völlig aus, dass man sich in einen Konzertsaal setzt oder im Radio Schubert hört und dann auf Anhieb und ganz unmittelbar von Schuberts Musik angesprochen ist. Aber es ist natürlich auch nicht so leicht, auf Schubert oder Beethoven zu treffen. Und deswegen habe ich dieses Festival geschaffen. Weiterlesen