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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Archiv für März, 2017

Kultur und Demokratie

2017, März 31.

Von Gunnar Schanno

Die Nachkriegszeit in Deutschland war nach düsterer Zeit bestimmt von einer Art Reinigung der missbrauchten Wertbegriffe, um sie in einer Neubesinnung und Neubestimmung wieder kritischem Denken zuführen zu können. So wurde auch dem besonders werthaft geltenden Begriff der Kultur nachgeforscht: historisch, soziologisch, philosophisch. Auffallend ist in der Verwendung des Begriffs Kultur, dass dessen Unbestimmtheit weiter besteht. Schließlich stärkt das Vage, das bequem Unpräzise, das Austauschbare, das Verbindlichscheinende etwa im Diskurs des Religiösen oder Ethnischen die Möglichkeit, in öffentlich propagierter Akzeptanzbereitschaft auch fragwürdigen kulturspezifischen Traditionen ihren Raum zu belassen. Wir kennen auch die Diskussion um Formen des Schächtens von Tieren, doch geht es auch ganz allgemein um Fragen von Vorstellung und Verständnis dessen, was in einer Bürgergesellschaft die säkular bestimmte Souveränität des Individuums anficht, also etwa auch im Hinblick auf Selbstbestimmungsrecht in Gleichrangigkeit von Frau und Mann.

Albertus Magnus (um 1200-1280), De Bono („Über das Gute“), Folium 1r. Köln, Dombibliothek, Codex 1024;Bildnachweis: Wikimedia commons Weiterlesen

8. Internationaler Dirigentenwettbewerb Sir Georg Solti in der Alten Oper Frankfurt

2017, März 28.

Spannendes Halbfinale, spannendes Finale

Von Renate Feyerbacher

Drei der zehn Halbfinal-Teilnehmer, darunter eine Frau, konnten sich für das Finale in der Alten Oper Frankfurt im Februar 2017 qualifizieren. Bereits hoch war das Niveau dieser Vorrunde in der Oberurseler Stadthalle, aber die Favoriten liessen sich bereits vermuten. Der Gewinner des Finales und des Publikumspreises ist der russische Dirigent Valentin Uryupin. Bereits beim Halbfinale geht der geschätzt Zwei-Meter-Mann gelassen an seine Aufgabe heran, schiebt das Dirigentenpult beiseite und begrüsst alle freundlich. Der 16jährigen Solistin Anna Luisa Kramb, die an der hiesigen Musikhochschule und der Kronberg Akademie studiert und in diesem Jahr das Abitur ablegt, ist er immer wieder zugewandt: Fünf Mal muss sie Ausschnitte aus dem Violinkonzert von Jean Sibelius spielen. Uryupin gibt dem Orchester die kürzesten Anweisungen und schliesst vor der Zeit, die ihm gegeben wurde. Souverän. Fast das gleiche Ritual folgt dann beim Finale in der Alten Oper.

Valentin Uryupin, Gewinner des 8. Dirigentenwettbewerbs Sir Georg Solti; Foto: Tibor Pluto, Solti Wettbewerb Weiterlesen

Megalopolis Los Angeles

2017, März 27.

Von Elke Backert

Los Angeles, L. A., Metropole der Filmindustrie, der Oscar-Verleihung – die Souvenir-Shops haben Tausende herumstehen in allen Größen -, Hollywood, Beverly Hills, Filmstars und -sternchen, Sunset Strip, Walk of Fame, Stadtmonster. Flächenmäßig ist L. A. eine der größten Städte der Welt, eine Megalopolis. Wer im Mietwagen ohne Navi fährt, ist verloren. Wir nahmen sogar unser in Deutschland gekauftes Navi mit, und es tat gute Dienste. Allein die unterschiedlichen Namen für Straße und ihre Abkürzungen: Road (Rd), Street (St), Drive (Dr), Road Drive, Avenue (Ave), Boulevard (Blvd), Strip, Place (Pl), Highway (Hwy), Freeway (Fwy), Interstate. Sehr verwirrend, wenn es einen Lincoln Blvd gibt, eine Lincoln Road, einen Lincoln Drive und eine Lincoln Ave. Und dann gibt es noch die Historic Route 66, die groß mit Schildern angekündigt ist. Wer wollte nicht schon immer mal auf ihr fahren …

Das Hollywood Sign vom Flugzeug aus Weiterlesen

Tanguy Viel und „Le silence de la mer“ – Eine Buchhandlung

2017, März 24.

Von Petra Kammann

Mitten im Zentrum des bretonischen Städtchens Vannes, in einem alten windschiefen Fachwerkhaus gegenüber der Kathedrale, nennt sich eine kürzlich eröffnete Buchhandlung: „Le silence de la mer“. „Das Schweigen des Meeres“ ist nicht nur die Übersetzung des Namens der Librairie. Der Name ist auch Programm. So steht er für den ersten Titel des literarischen Untergrundverlags Edition de Minuits, der 1942 die Novelle des französischen Autors Jean-Marcel Bruller im von Deutschen besetzten Paris unter dem Pseudonym Vercors veröffentlichte. Sie wurde zum Standardwerk der französischen Résistance und wegen ihres Erfolgs auch gleich zweimal verfilmt, 1949 von Jean-Pierre Melville und 2004 von Pierre Boutron.

Die Buchhandlung „Le silence de la mer“ in der Altstadt von Vannes

Dieser Titel könnte aber auch genauso gut über dem neuen Roman „Code Pénal 353“ des französischen Autors Tanguy Viel stehen. Weiterlesen

„Rigoletto“ von Giuseppe Verdi an der Oper Frankfurt

2017, März 23.

Ein Narr in der Welt des Irrsinns, bewohnt von Elenden –
Gilda, zur Madonna stilisiert

Von Renate Feyerbacher
Fotos: Monika Rittershaus / Oper Frankfurt und Renate Feyerbacher

Rigoletto“, ein Renner auf den Opernbühnen, hatte am 19. März 2017 an der Oper Frankfurt eine umjubelte Premiere – durchsetzt durch einige Buhrufe für das Regieteam.

Bei der Ouvertüre kniet Rigoletto auf einer Betbank vor einem kleinen Hausaltar. Massig mit wuchtigem Umhang und tiaraförmiger Narrenkappe. Er steht auf, nimmt das Marien-Bild aus dem vor ihm stehenden Rahmen und verspeist es. Masslosigkeit und Herrschaftsanspruch sind spürbar. Dramaturg Zsolt Horpácsy nennt Rigoletto einen „Beauftragten Gottes“, und für Regisseur Hendrik Müller ist er ein „selbsternannter Mann der Kirche“ (Oper extra). Arrigo Boito, Komponist und Librettist, bezeichnet seinen Freund Giuseppe Verdi als grossen Christen „im idealen, moralischen und sozialen Sinn“, nicht aber „im strengen Wortsinn theologischer Hinsicht als Katholik“ (Zitat Programmheft).

Dieser Sicht ist das kathedrale Bühnenbild geschuldet, das gleichzeitig die Mauer um den Herzogpalast bedeutet und durch das Lichtspiel von Jan Hartmann verändert wird. Käfigähnliche „Aufzüge“ rechts und links bewegen sich auf und ab und transportieren sowohl den Herzog als auch die weiblichen Opfer. Es bleibt nicht bei dem Einheitsbühnenbild, das Bühnenbildner Rifail Ajdarpasic ablehnt. In einer Sackgasse liegt Rigolettos Wohnung, wo er seine Tochter Gilda versteckt hält, bewacht von einer verräterischen Gouvernante (Nina Tarandek). Das Wohnungs-Plateau schwebt in das kathedrale Bühnenbild hinein, hat grosse gläserne Flügeltüren, die aufklappbar sind. Gilda steht zunächst die Hände an die Scheiben gepresst und blickt nach draussen. Ein starkes Bild ihres Gefangenseins. Als der Vater erscheint, wird eine Treppe herabgelassen und wieder hochgezogen. Später gelangen der vermeintliche Student alias Herzog und die Entführer über eine eilig herangeschobene Wendeltreppe in Rigolettos Wohnung. An diesem Vorgängen haben sich nach der Aufführung einige Kritiker gestört – dennoch ist das eine Lösung. Auch das christliche Stilleben verstörte und lenkte von Rigolettos starkem Auftritt ab.

oben v.l.n.r. Nina Tarandek (Giovanna) und Brenda Rae (Gilda), vorne v.l.n.r. Iurii Samoilov (Marullo), Mikołaj Trabka (Ceprano), Michael McCown (Borsa) und Quinn Kelsey (Rigoletto) sowie im Hintergrund Ensemble; Foto © Monika Rittershaus Weiterlesen

„Ersehnte Freiheit. Abstraktion in den 1950er Jahren“ im Museum Giersch

2017, März 19.

Wirtschaftswunder, Kalter Krieg und Aufbruchstimmung in der Adenauer-Ära („Keine Experimente“), da wächst der Wunsch der Kreativen, sprich der Künstler, die Grenzen des Realen zu überschreiten. Eine Ausstellung im Museum Giersch zeigt die befreiende Rolle der abstrakten Malerei im Nachkriegsdeutschland, die an die Avantgarde der 1920er Jahre anknüpft und schon bald den Rahmen des Regionalen sprengt. Die Sehnsuchtsblicke der Künstler gingen nach Westen, in die USA und nach Frankreich … Die Künstler entwickelten einen eigenständigen Stil – sowohl  in der Auseinandersetzung mit den internationalen Strömungen als auch mit den Konservativen. Eine Schau im Museum Giersch zeigt bis zum 9. Juli 2017, wie sich in den 50er Jahren verschiedene Künstlergruppen formierten. Die Schau präsentiert drei Zentren der Avantgarde im Westen Deutschlands: München, Recklinghausen und Frankfurt. Ausgestellt wurde zunächst in kleinen Galerien, debattiert wurde in Darmstadt. Mit der documenta 2 in Kassel hat sich 1959 die abstrakte Malerei entgültig etabliert und internationalisiert.

Von Petra Kammann

Ausstellungskonzeption und Forschung gehen im Museum Giersch seit Kurzem Hand in Hand: Die Präsidentin der Goethe-Universität, Professor Birgitta Wolff, schlug in ihrer Einführungsrede einen Bogen zum Ausstellungsthema,  indem sie die zunehmende Bedeutung der Freiheit heute erörterte, die sie als Beleg für die Aktualität der Ausstellung hervorhob.

Die Kuratoren: Stellvertretende Museumsleiterin des Museum Giersch, Brigitte Sander und  Christian Spies, Professor der Kunstgeschichte an der Goethe-Universität Frankfurt am Main  bei der Ausstellungseröffnung, Foto: Petra Kammann
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Elisabeth-Norgall-Preis 2017 des International Women’s Club of Frankfurt (IWC) an Virginia Wangare Greiner

2017, März 18.

Bist Du auch einsam?” – „I love the German part in me“

Von Renate Feyerbacher

Zwei Tage vor dem 130. Geburtstag der Clubgründerin Elisabeth Norgall, am 8. März 2017 – es ist der Internationale Frauentag – wurde zum 40. Mal der nach ihr benannte Preis verliehen. In diesem Jahr erhielt ihn Virginia Wangare Greiner aus Kenia. Sie ist die Gründerin des Vereins „Maisha e.V.“, einer Selbsthilfeorganisation für afrikanische Frauen in Deutschland.

Virginia Wangare Greiner, Trägerin des Norgall-Preises 2017 Weiterlesen

Corinna Krebber: „Leerelose Leere“ im KunstRaum Bernusstraße

2017, März 14.

„Ich bin hier, und es gibt nichts zu sagen“

Von Hanneke Heinemann

Mit diesem Satz samt der darin enthaltenen Pausen beginnt John Cage seinen „Vortrag über nichts“ (in: John Cage – Silence, Bibiothek Suhrkamp 1995). In einem in der Ausstellung gezeigten Leporello kann man diese Worte finden und lesen; die dort entnommenen Pausen sind Bestandteile des Werkes PARTITUR/an Cage, eines der beiden Werke, die sich in der zentralen Installation im großen Raum befinden.

… THE EXPERIENCE I HAD WAS IN THE SOUND-PROOF-ROOM, Leporello in Buchhülle, 12 x 18 cm, 2017

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„Seltene Treffer“: Neun Positionen aktueller Druckgrafik in der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main

2017, März 12.

Von Erhard Metz

Die (Original-)Druckgrafik hat es im digitalen Zeitalter nicht eben leicht, wird sie doch hier und da als altertümliche Technik ähnlich dem mühsamen Bleisatz vergangener Epochen angesehen. Früher dort eingesetzt, wo nach Erfindung des Gutenbergschen Buchdrucks auf kostengünstige Weise höhere Auflagen einer Ansicht herzustellen waren – überwiegend im Holz-, Kupfer- und später Stahlstich -, haben längst andere Vervielfältigungstechniken diese Aufgabe übernommen. Dem heutigen Kunstmarkt erscheint die (auch Original-)Lithografie vielfach nicht lukrativ genug, gibt es meist doch mehrere Exemplare einer Arbeit. Und die heute oft in grösseren Stückzahlen hergestellten sogenannten „Lithografien“ von Werken gerade namhafter Künstler (Grano-, Chromo-, Foto-Lithographien) haben den Ruf solcher vermeintlicher Kunstschätze ruiniert – angebliche „Limitierungen“ oder „Nummerierungen“ hin, fragwürdige „Autorisierungen“ her.

Druckgrafik wird an den heutigen Kunsthochschulen und Akademien kaum mehr gelehrt, oft verfügen diese Institute nicht einmal über die notwendige Ausstattung mit funktionablen Pressen. Professionelle, adäquate Ergebnisse liefernde Druckpressen kosten ansehnliche vier- und fünfstellige Beträge, die sich Künstler nicht oder allenfalls in Gruppen gemeinschaftlich leisten können, und die Zahl künstlerischer Druckbetriebe ist gering geworden. Hinzu kommt, dass die Preise für Qualitätspapiere stark gestiegen sind, und so manche nicht gelungene Druckergebnisse beenden ihr Dasein nach genauerer Betrachtung in der Papiertonne. Umso erfreulicher ist es, wenn sich all dieser Umstände – zum Trotz wie zur Herausforderung – erstzunehmende zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler der überkommenen druckgrafischen Techniken wiederbesinnen, sich mit ihnen neue künstlerische Perspektiven und Wege erschliessen und in kleinsten Auflagen, nicht selten sogar als (garantierte) Unikate, ganz ausserordentliche Werke schaffen.

Jan Schmidt, Ohne Titel I, 2009, Kaltnadelradierung, 58 x 42 cm, Plattengrösse 20 x 15 cm; Foto: Frank Pichler Weiterlesen

San Francisco – die Hippie-Stadt der achtundsechziger Jahre

2017, März 10.

Von Elke Backert

Summer of Love“ – 50 Jahre ist es her, dass Musik und Protest, Poesie und Rausch, Farbe und Fantasie das Love&Peace-Gefühl einer ganzen Generation maßgeblich geprägt haben. Die Hippie-Ära begann 1967 in San Francisco und feiert 2017 fünfzigsten Geburtstag.

Das Plakat ist in der Ausstellung Summer of Love im „de Young Museum“ zu sehen Weiterlesen