Landschaften aus dem Verborgenen
Von Hanneke Heinemann
Kunsthistorikerin und Kuratorin
Eröffnungsansprache
Mit Christiana Protto haben wir eine Künstlerin vor uns, die in jedem Bereich ihres langen Schaffens stark reflektiert und dabei immer wieder auf Hauptthemen wie das Reisen oder die menschliche Existenz zurückgreift, ohne sich jedoch Neuem zu verschließen. Dadurch erhalten ihre Werke eine Konsequenz, die man mitunter erst auf dem zweiten Blick erkennt. Einige Aspekte, die man nicht nur an den Werken der Ausstellung ablesen kann, möchte ich ohne Anspruch auf Vollständigkeit vorstellen. Dabei werde ich Themen wie Garten, Ornamente, Schichten, Raum und das Wanderatelier streifen.
Der Titel „A Taylor’s Garden“ (Eines Schneiders Garten) wurde von Christiana Protto halb mit Bedacht, halb intuitiv gewählt. Die Verbindung von Garten und einem Schneider mag uns vielleicht am Anfang befremdlich erscheinen. Jedoch finden sich durchaus Gemeinsamkeiten in einer Schneiderei und in einem Garten. Ein Schneider schneidet aus und setzt wieder zusammen. Macht ein Gärtner nicht Ähnliches, wenn er Pflanzen umgesetzt und Beete und Flächen anlegt? Ein Schneider arbeitet mit Formen und Ornamenten, ein Gärtner richtet sich ebenfalls nach Strukturen und Mustern. Auch ein Flechtzaun, mit dem Gärten umzäunt sein können, wird ähnlich hergestellt wie das Gewebe, mit dem der Schneider arbeitet.
Wir kennen den Garten als ein abgegrenztes Stück Natur, das mehr oder weniger stark gepflegt und bearbeitet wird. Mit unseren kunsthistorischen Kenntnissen haben wir sofort einen „Hortus conclusus“ vor Augen, ein wunderschönes Rasen- und Gartenstück, in dem meist von schönsten Blüten umgeben Maria sitzt, ausgestattet mit Symbolen ihrer Tugenden.
Einen schönen Ort, ein Paradies, stellt man sich in vielen Kulturen als Garten vor. Es ist der fruchtbare Ort, in dem etwas wächst, mit meist üppiger Vegetation aus Zweigen, Blüten und Rasen. Häufig ist ein Garten oder Park mit Wasser in Form von Seen, Brunnen oder Sprinkelanlagen verbunden, das Üppigkeit und Leben garantiert. Sehen Sie sich hierzu bitte besonders die Fotos an.
Doch die Künstlerin sieht auch andere Aspekte im Garten. Für sie ist der Garten ebenfalls ein Ort des Verfalls, im dem auch Gewalt angewendet wird: Um dem Garten Form zu geben, muss geschnitten und gestutzt werden. Auf einigen Fotos kann man aggressive Eingriffe sehen: So schön die Sichelform des neuen Beetes im Rasen auch ist, der Schnitt und das Entfernen der Graspflanzen hat etwas von der Brutalität einer Schnittwunde, von der wir allerdings annehmen, dass sie bald schön verheilen wird.
Die meisten anderen Ornamente in Christiana Prottos Werken sind jedoch deutlich angenehmer und man spürt sofort, dass die Künstlerin von Ornamenten fasziniert ist.
↑ Raumansicht:
Coupage (Vase), 2015, Mischtechnik auf Papier, 42 x 30 cm
Giardinetto, 2014, Acryl auf Tablett, 30 x 45 x 7 cm
Buddha, 2014, Mischtechnik auf Papier auf Leinwand, 40 x 30 cm
© VG Bild-Kunst, Bonn Weiterlesen