Peter Loewys fotografische Blicke hinter und in die Kulissen von Künstlerateliers
Eine Hommage an die intimen Räume der Artists
Von Petra Kammann
Der Frankfurter Fotograf Peter Loewy hat über die Jahre Künstler und Künstlerinnen in ihren Ateliers besucht. Erstmals wurden seine fotografischen Einblicke in 25 verschiedenen Ateliers in Buchform „To the Artists“ (edition clandestin, Biel/Bienne) zusammengetragen. Versammelt sind darin Aufnahmen der Studios u.a. von Jeff Koons, über Pipilotti Rist bis hin zu David Hockney.Eine Entdeckungsreise auf den verschiedensten Kontinenten an den Orten künstlerischen Schaffens.
Buchcover von Peter Loewy, To the Artists, edition clandestin
Der vielleicht geniale Ausspruch von Pablo Picasso: „Ich suche nicht – ich finde!“ trifft ein Stückweit auch auf die Fotografien von Peter Loewy zu. Mit einer ähnlich offenen Haltung lässt er sich auf das jeweilige Umfeld der für ihn wichtigen Künstler und Künstlerinnen ein, lässt sich davon inspirieren, schafft eigene Bildwelten.
Suchen – das bedeutet für ihn: Ausgehen von vorhandenen Beständen in den Studios und ein Finden-Wollen von scheinbar Bekanntem in neuem Kontext, indem er Atelierdetails heraushebt und dabei auf Unerwartetes und Eigenartiges trifft. So sieht er und wir mit ihm Dinge, die ihre eigene Dynamik entfalten, vielleicht, weil sie auch verborgen in uns schummern.
Blick ins das Atelier von Pippilotti Rist, Foto: Peter Loewy
Verblüffend etwa die Umgebung der Schweizer Video-und Performance-Künstlerin Pippilotti Rist (*1962) , die mit ihren wilden lichtvollen Installationen die Welt der Kunst erobert hat. Systematisch geordnet wirken ihre Arbeitstische und Regale, Boden und Wände fast kindlich bunt, darüber wuchernd die Pflanzen, irgendwie zusammengeflickt das menschlich-biologische Modell neben dem Globus, und traut das schwarz-weiße Pudelpaar, das keck über den Rand der einstigen Agfa-Filmrollenschachteln blickt. Eine ganz eigene Welt!
Monochrome Strenge bei dem Keramiker Edmund de Waal, Foto: Peter Loewy
Fast nüchtern systematisch und fast monochrom dagegen das Keramikatelier des 1964 in England geborenen Edmund de Waal, der vermutlich den meisten von uns eher als Autor des opulenten Bestsellers „Der Hase mit den Bernsteinaugen“ vertraut sein dürfte. In dem üppig verquickten Roman lässt er das verborgene Erbe der Familie der aus Odessa stammenden jüdischen Familie Ephrussi wieder aufleben, deren Ende in der Nazi-Zeit besiegelt wurde. Seine schlichten Keramiken sind wohl eher von der japanischen Töpferei beeinflusst.
Eine Ecke in David Hockeys Atelier, Foto: Peter Loewy
Farbenfroh zunächst wiederum die Landschaften im Atelier des britischen Malers David Hockney (*1937) aus dem Jahre 2001. Der freie Arbeitstisch überragt von einem Ständer mit einem gewaltigen Schnürengewirr, das mit dem noch großen Computer verbunden zu sein scheint. Verblüffend in einem anderen Winkel des Ateliers dann seine geradezu naturgetreuen Bleistiftzeichnungen, mit denen er sich der Natur ebenso realistisch annähert wie bei den die schwarz-weißen melancholischen Porträts und Selbstporträts.
„Ich lebe lieber in Farbe“, hatte der Künstler einst zu seiner Entscheidung gesagt, als er sich wegen des Lichtes und der fröhlichen Alltagskultur in Kalifornien niederließ, wo er von Öl- zu Acrylfarben wechselte, bevor er sich mit dem Zeichnen auf dem i-Pad beschäftigte und sich wieder ins britische Yorkshire zurückzog, wo er die Kompositionstechniken alter Meister studierte.
„Herzzerreißend“ Komisches bei Jeff Koons, Foto: Peter Loewy
Geradezu komisch wirkte das aufgeblasenes Herz im Holzgestell an einer Bänderschleife des amerikanischen Konzeptkünstlers Jeff Koons (*1955) aus Pennsylvania, das ein Ventilator trocken zu blasen scheint. Ausgelöst durch seine Beziehung zu Cicciolina, dem ungarisch-italienischen Pornostar, greift er immer wieder auf sexuelle und andere populäre Schlüsselreize in seinen Skulpturen anspielungsreich zurück.
Weder malerisch noch bildhauerisch wirkt der Blick auf den Atelierboden des japanischen Zeichners und Autors Yoshimoto Nara (*1959). Seine naiv wirkenden Zeichnungen der übergroßen Köpfe mit den riesigen Augen und Gesichtern von sich einsam fühlenden Kindern und Tieren sind ganz im Comic-Stil angelegt.
Yoshimoto Nara comicähnliche zeichnerische Statements von oben gesehen, Foto: Peter Loewy
Schaut man in die Regale seines Ateliers, so wird es dann figürlicher. Gesammelt wurden die dort aufgestellten kleinen Kultobjekte (die goldene Oskarstatue inklusive) offensichtlich aus seinen Bestellungen bei Amazon. Die Kisten sind teils offen oder noch nicht vollends ausgepackt. Der einstige Meisterschüler der Kunstakademie Düsseldorf drückt durch sein Schaffen ein vielfältiges Spektrum an Emotionen aus: Rebellion, gegen die Erwachsenenwelt, Verletzlichkeit bis hin zu Widerstand gegen soziale Missstände.
Ein Blick in dieses „Künstler-Buch“ mit den vielfältigen Einblicken in das Arbeitsumfeld von Künstlern lohnt allemal, nicht nur wegen der so unterschiedlichen fotografischen Blicke Peter Loewys und den interessanten Bemerkungen der kenntnisreichen Kuratorin Dorothea Strauss. Bei näherer Betrachtung wird einem bewusst, wie intensiv sich Loewy mit den einzelnen Künstlern und Künstlerinnen beschäftigt hat, um das scheinbar zufällige Detail im Atelier ganz nonchalant als Charakteristikum festzuhalten.
Der Frankfurter Fotograf Peter Loewy, Foto: Petra Kammann
Und wie es im Vorwort der Kunstkennerin Dorothea Strauss so richtig heißt: „Viele Menschen meinen, Kunst käme durch Geistesblitze zustande. Kunstschaffende würden von der Muse geküsst, und zack sei es geboren, das neue Kunstwerk. Zwar genial, meinen sie, doch eben nicht wirklich Arbeit. Kunst und Arbeit, das passt für viele nicht zusammen. Vor allem keine mühevolle Arbeit. Künstlerinnen und Künstler kennen die Skrupel vor der leeren Leinwand, vor dem weissen Blatt Papier oder dem leeren Raum.“
Der US-amerikanische, in New York und Maine lebende Maler Alex Katz (*(1927) dankt es dem Fotografen mit einer handschriftlichen Widmung am Ende des Buches: „Thanks, Peter Loewy, for making my place look so interesting. Alex Katz, 5.8.02“
Cool elegante Atmosphäre bei Alex Katz, Foto: Peter Loewy
Auf dem Tisch des Malers stehen noch hunderte von Pinseln in ausrangierten Konservendosen unter dem aufmerksam beobachtenden , flächig gemalten coolen Mädchenporträt.
PETER LOEWY
Biographie
1951 in Petach-Tikva (Israel) geboren, lebt seit 1956 in Deutschland, Frankfurt am Main.
Seit 1996 ist er als freier Fotograf tätig. Seine Fotos wurden in Museen gezeigt und von verschiedenen Sammlungen angekauft.
Bislang erschienen Bücher:
„Jüdisches“, „Lèche-Vitrines“, „Bagels“, „Das IG-Farben-Haus“, „Private Collection“ (alle bim Verlag Kehayoff),
„Drawings“ (Allerheiligenpresse)
„By the way“ Pagina)
„Ich und mein Migrationshintergrun „Edition Faust)
„To the artists“ (edition clandestin)
Fotos aller 25 Künstler Ateliers
– Etel Adnan
– John Ahearn
– John Baldessari
– Miriam Cahn
– Vija Celmins
– Chuck Close
– Edmund de Waal
– Ulrich Erben
– Franz Gertsch
– David Hockney
– Howard Hodgkin
– Kudzanai-Violet Hwami – Maira Kalman
– Alex Katz
– Jeff Koons
– Thomas Lanigan-Schmitt – Yoshitomo Nara
– Tom Otterness
– Raymond Pettibon
– Elizabeth Peyton
– David Reed
– Gerhard Richter
– Pipilotti Rist
– Tim Rollins
– Pavel Schmidt