Von Erhard Metz
Dem scheidenden Direktor des Dommuseums im Frankfurter Kaiserdom St. Bartholomäus, Professor August Heuser, verdankt die Stadtgesellschaft eine Vielzahl herausragender Präsentationen zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler. Ihren Platz haben diese Wechselausstellungen im „Quadrum“, einem überdachten quadratischen Raum im an der Nordseite des Doms gelegenen Kreuzgang. Vertraute Sehgewohnheiten aufzubrechen, die Besucher mit überraschenden und ungewohnten theologisch-künstlerischen Perspektivwechseln zu konfrontieren – dazu fühlte sich der Theologe, Pädagoge und Kunsthistoriker berufen.
Zum Abschied in den Ruhestand fordert Heuser jetzt das Publikum zu einer Auseinandersetzung mit einem grossformatigen Leinwandbild der besonderen Art heraus: „Das Martyrium des Hl. Bartholomäus oder das doppelte Martyrium“ heisst die 2,50 x 2,85 Meter messende Arbeit des Leipziger Künstlers Aris Kalaizis. Der Maler ist in Frankfurt am Main kein Unbekannter: Erst im vergangenen Jahr faszinierte wie irritierte er die Besucher des Quadrums mit seinem ebenfalls grossformatigen, damals keineswegs unumstrittenen Gemälde „make/believe“, das den emeritierten Papst Benedikt XVI. in einem überraschenden Spannungsverhältnis zu Würdenträgern der Kurie, präsentierenden Soldaten der Schweizer Garde und einem mit Engelsflügeln versehenen Mann in zeitgenössischem Strassenanzug darstellt, welcher die in den Raum greifende, imperial anmutende Geste des Papstes abzuwehren scheint.
„Das Martyrium des Hl. Bartholomäus oder das doppelte Martyrium“ nun ist – so werden es viele Betrachter empfinden – ein „furchtbares, entsetzliches Bild“. Doch nicht das Bild als künstlerisches Werk ist „furchtbar oder entsetzlich“, sondern das dargestellte Geschehen – ein Interview des Künstlers am Ende dieser Ausführungen verdeutlicht diesen Unterschied.
Bartholomäus, einer der zwölf Apostel, Namenspatron des Frankfurter Kaiserdoms – dort erinnern vor allem eine Reliquie und der Bartholomäusfries aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts an den Heiligen -, verkündigte, wie es die Überlieferung vermittelt, das Evangelium im Gebiet des heutigen Iran, vielleicht auch in Albanien, Armenien, Indien oder Ägypten, wobei er auch den Text des Matthäus-Evangeliums hinterbracht haben soll. Er erlitt den Märtyrertod, indem er der Legende nach bei lebendigem Leib gehäutet und mit dem Kopf nach unten gekreuzigt wurde (seine Attribute sind entsprechend das Messer, das Buch oder die abgezogene Haut). Historisch gesichert ist die Art, wie er zu Tode kam, nicht. Weiterlesen