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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Das Constant Permeke Museum in Jabbeke

„Im Gegenlicht“- Ein universaler Maler in Flandern

Ein Bericht von Simone Hamm 

Ein großer Garten, eine weite Rasenfläche, ein kleiner Weiher. Auf der Wiese voller Gänseblümchen liegt eine weiße Figur auf dem Bauch, die Knie in den Boden gedrückt, das Gesicht in den Händen. Eine Skulptur von Constant Permeke. Ein paar Schritte weiter ruht eine nackte weiße Frau aus Gips auf dem Rücken, die Beine ausgestreckt, die Arme unterm Kopf verschränkt. Diese Skulptur wollte Constant Permeke auf das Grab seiner Frau stellen. Doch die Friedhofsverwaltung griff ein. Eine Nackte unter Toten? Das ginge nicht.

Verblüffend:Permekes weiße Skulptur im Garten, ursprünglich für das Grab seiner verstorbenen Frau gedacht , Foto: Simone Hamm

Jetzt können Besucher in den wundervollen, frei zugänglichen Garten kommen und sie betrachten. Einst war dies Constant Permekes Garten. Er hatte sich dort 1929 ein großes viereckiges Haus mit flachem Dach aus Backstein bauen lassen. Nach seinen eigenen Entwürfen. Er nannte es „Die vier Winde“.

Nach seinem Tod verfügte Peremke, dass das Haus zum Museum werden sollte. 1961 wurde es eröffnet. In den letzten Jahren ist es umgebaut worden. „Im Gegenlicht“ heißt die große Ausstellung, mit der das Permeke Museum in Jabekke vor wenigen Tagen wiedereröffnet wurde.

Permekes selbst entworfenes Haus – fast im Bauhausstil – wurde spöttisch „Steinofen“ genannt , heute ist es Museum, Foto: Simone Hamm

Constant Permeke, geboren 1886, gestorben 1952,  gilt als wichtigster flämischer Expressionist. In den letzten Jahren haben flämische Nationalisten das immer wieder hervorgehoben. Haben ihn zum Traditionalisten, zum Folkloristen, zum Maler des bäuerlichen Lebens, des ländlichen Flandern gemacht. Nichts davon ist wahr. Seine Sujets mögen Bauren gewesen sein, bäuerlich ist seine Malerei nie gewesen. Constant Permeke  war ein Modernist, der stets Neues ausprobiert, neue Techniken, neue Formen. Und sein Haus war alles andere als ein Bauernhaus.

Die Bewohner des Örtchens Jabbeke, in der Nähe von von Brügge und auch nicht weit von der belgischen Küste, lehnten die moderne Architektur ab. Sie gaben dem Haus den Namen „Steinofen“. Die Besitzer hingegen, Constant Permeke und seine Frau, schätzen sie. Permeke hatte Arbeiter und Bauern gemalt. Stark und kraftvoll. Und immer wieder Fischer. Müde Fischer, die nach der Arbeit die Hände in den Schoß legen oder Pfeife rauchen. Fischersfrauen, die die Augenlieder senken. Einen Bauern, der sich lang hingestreckt ausruht. Seine Hände und Füße sind überproportional groß. Einen Bettler, der seine riesige Hand ausstreckt. Im Bild „Die Ernte“ sind Personen und Landschaft eins geworden.

Blick in den Ausstellungsraum, Foto: Simone Hamm

Permeke malte mit Holzkohle, mit Öl. In gelben, braunen und zartorangen Tönen, manchmal auch blauen. „Ein Maler muß mit den Füßen in der Scheiße stehen“, ist ein Satz, der Permeke zugeschrieben wird. Also: raus aus dem Atelier, hin zu den Menschen, auch wenn es regnet und nach Fisch riecht. Er ist Humanist gewesen. Er hat Bauern und Fischersfrauen  gemocht. Sie waren wie er, Menschen aus dem Volk.

Permeke malte mit Holzkohle und wandte sich den schwer arbeitenden Menschen zu, Foto: Simone Hamm

Eines seiner berühmtesten Bilder ist „Harvest in Devonshire“ aus dem Jahre 1917. Felder in zarten Farben, lebendig, mitreißend. lebensfroh. Trotz des Krieges und all dessen, was Permeke erlitten hat.

Das einstige Atelier wurde zum Ausstellungsraum umgebaut, Foto: Simone Hamm

Seine Bilder sind in einem langgestrickten Anbau zu sehen, dem ehemaligen Atelier Permekes. Eine der Skulpturen aus dem Garten, die Liegende, die die Knie in den Boden drückt gibt es auch hier – in Bronze gegossen.  Mitten im Raum liegt sie. Im Anbau hängen auch viele große Aktzeichnungen. Kohle – und Holzkohlezeichnungen. Frauen in groben Umrissen. Mit prallen Hintern, festen Beinen..

„Strand Devonshire“ von 1917

Im Wohnhaus selbst gibt es natürlich auch Permekes zu sehen. Aus der Sammlung. Die Dielen knarren. Im Obergeschoß hängen weniger monumentale Bilder als im Anbau. Eine Frau, die sich am Strand sonnt. Neben ihr ist der Fuß einer anderen Frau zu sehen. Ein hochhackiger Schuh.

Museumsleiterin Dominique Savenkoul betont, wie international Permeke immer gewesen sei. Er hat in England und Brasilien gelebt. Er selbst hat sich nie als Flame verstanden, sah sich als Europäer. Seine Kunst ist universal. Er stellte in Grenoble, Budapest, Hamburg und Stockholm aus. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg hatte er eine Ausstellung im Musée d’Art moderne de Paris. Er war bei der Documenta und der Biennale in Venedig.

Permeke wurde im Ersten Weltkrieg schwer verwundet und daraufhin nach England evakuiert. 1919 kehrte er nach Belgien zurück, lebte in Antwerpen und Ostende, bevor er nach Jabbeke zog. 1937, mit fünfzig Jahren begann er dort etwas Neues: die Bildhauerei. Bis zu seinem Tod lebte er in Jabbeke, überlebte zwei seiner sechs Kinder und seine Frau. Permeke war ein gläubiger Mensch, malte ein Bild von Christus, eine betende Frau. Die Hoffnung ist in seinen Werken stets präsent.

„Abschied“ – dunkle Trauer um die verstorbene Frau , Foto: Simone Hamm

Es gibt eine Ausnahme. „Der Abschied“. Als seine Frau nach schwerer Krankheit starb, malte er sie, ganz in weiß, wie sie auf ihrem Totenbett liegt, ein Kreuz in den Händen. Daneben sitzt Permeke. Es ist eines seiner wenigen Selbstbildnisse. Fast kann man ihn nicht erkennen. Dunkle Trauer beherrscht das Bild.

 

Die Austellung

Constant Permeke „im Gegenlicht“ geht noch bis zum 3.11.2024

Katalog

Zur Wiedereröffnung des Museums  ist ein hervorragender Katalog mit vielen Abbildungen der Bilder und Skulpturen erschienen:

„Constant Permeke“ mit Texten von Dominique Savelkoul, Joost Declercq, Inne Gheeraert, Jan Ceuleers, Felipe Martinez Sevilhano, Franz W. Kaiser, Anneleen Cassiman, Inneke Schwickert, Wendy Van Hoorde, Lise Vandewal, Daniël Rovers und David Van Reybrouck. 200 Seiten. Hannibal. 39.95 €.

Internetauftritt des Permeke Museums: 

https://www.permekemuseum.be/nl/

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