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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Archiv für April, 2010

Fotografie aus Leipzig in den Opelvillen

2010, April 27.

Von Erhard Metz

„Mit Abstand ganz nah – Fotografie aus Leipzig“ – so heisst die aktuelle Ausstellung in den Rüsselsheimer Opelvillen. Rund 140 Exponate von 25 Fotokünstlerinnen und -künstlern, allesamt Absolventen der renommierten Hochschule für Grafik und Buchkunst HGB in Leipzig, zusammengestellt aus der Sammlung Fotografie des Kunstmuseums Dieselkraftwerk Cottbus sowie aus Leihgaben von Künstlern und Galerien in Leipzig und Berlin, vermitteln einen einzigartigen Einblick in deren künstlerisch-fotografisches Schaffen vor und nach der „Wende“.

Die Ausstellung verdeutliche, so die Intention der Opelvillen, „inwieweit die Leipziger HGB in den 1980er Jahren jene Fotografengeneration prägte, welche die Dominanz des agitatorischen Bildjournalismus unterminierte und eigene Handschriften entwickelte. Im Fokus stehen seitdem die kritische, soziologisch-empirische Auseinandersetzung mit der Gesellschaft, der Blick auf die Menschen und ihre sozialen Zwänge. Die kritische Distanz zur gesellschaftlichen Wirklichkeit als Bestandteil der Leipziger Fotografie wird bis heute deutlich. Dabei verschieben sich die Perspektiven von privaten alltäglichen auch auf öffentliche und globale Zusammenhänge“.

Eine Auswahl von sieben künstlerisch-fotografischen Positionen möge zu einem Besuch dieser ausserordentlich sehenswerten, bis zum 16. Mai 2010 laufenden Ausstellung einladen – einem „Muss“ für jeden Liebhaber der Fotokunst.

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Christian Borchert, Fernsehapparat, Berlin 1979 Weiterlesen

Jeroen de Rijke / Willem de Rooij im MMK Frankfurt

2010, April 22.

Von Erhard Metz

Zugegeben: Vanitas- beziehungsweise Memento mori- Darstellungen entfalten einen ganz spezifischen Reiz. Wir können ihm, auch ohne der Melancholie zu frönen, da und dort durchaus erliegen. Die aktuell im Frankfurter Museum für Moderne Kunst MMK im Rahmen der Ausstellung „Radical Conceptual“ gezeigte Arbeit des Künstlerpaars Jeroen de Rijke und Willem de Rooij – Jeroen verstarb 2006 allzu früh im Alter von nur 36 Jahren – „hat so etwas“.

Hier das blühend-farbige, duftende Leben, dort der Tod im schwarzweissen Stillstand. Dazwischen der Prozess des Welkens. Jeweils eine Woche etwa nimmt er in Anspruch.

Aber wovon sprechen wir, werden Sie fragen? Fangen wir also an zu erzählen, was wir sehen. Und wir erlauben uns dabei, etwas von dem abzuweichen, was uns die stets ausgezeichneten gedruckten Handreichungen des MMK fürsorglich mit auf den Rezipientenweg geben wollen. Zu allererst wollen wir ihn in umgekehrter Richtung beschreiten.

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Blumenstrauss am 14. April 2010 Weiterlesen

Jahr der Stille 2010: April

2010, April 20.

Kaum jemand hätte es für möglich gehalten. Das Unvorstellbare ist Realität. Für ein paar Tage zumindest. Eyjafjallajökull hat es, wenn auch zunächst selbst tosend, brodelnd und brüllend, erreicht: Stille.

Stille über Rhein-Main. Stille überall, wo Fluglärm in einer durchökonomisierten, globalisierten Gesellschaft zum Alltag gehört. Solche Stille hat etwas Bedrohliches für eben jene Welt, könnte sie doch, bei längerem Anhalten, gar bewirken, was Banken- und Finanzkrise unlängst nicht geschafft haben.

Die plötzliche Stille am Himmel lässt aber auch auf besondere Weise aufhorchen: Sie macht uns bewusst, wie leichtfertig wir im Alltagsleben mit diesem kostbaren Gut – der Stille – umgehen. „Man hört auf einmal die Kirchenglocken“ titelt heute die Rhein-Main-Hessen-Ausgabe der FAZ. Darunter ein Foto: Menschen sitzen, beglückt von der „himmlischen“ Ruhe, im Garten. Eyjafjallajökull gibt dem Jahr der Stille 2010 einen besonderen Akzent.

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Flughafen Frankfurt Rhein-Main (Foto: Gerd A.T. Müller, wikimedia commons GFDL) Weiterlesen

Der Künstler lebt und arbeitet in Bethang: Karsten Neumann

2010, April 17.

Von Erhard Metz

Viele, wenn nicht die meisten von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, waren schon in  Bethang oder sind zumindest durch Bethang gefahren. Wie bitte, sagen Sie, Bethang? Kennen wir nicht. Doch, kennen Sie bestimmt, vermutlich aber unter anderen Namen:

Bethang ist eine Stadtutopie des Aktionskünstlers Karsten Neumann. Bethang – vom Künstler gern auch Бethang geschrieben – besteht aus dem fiktiven Zusammenschluss der drei benachbarten Städte NürnBErg, FürTH und ErlANGen. Im Grunde ganz einfach, oder? Hätten wir doch gleich darauf kommen können!

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autobahn münchen-bethang, limitierter digitaldruck, 2008 Weiterlesen

Jazzlegende Emil Mangelsdorff zum 85. Geburtstag

2010, April 11.

Ein Frankfurter Juwel –
Jazzlegende Emil Mangelsdorff wird 85 Jahre

Text und Fotografien: Renate Feyerbacher

“Emil Mangelsdorff zählt zu den profiliertesten, vielseitigsten Solisten und Komponisten des deutschen Jazz“, so steht es im Jazzlexikon von Martin Kunzler, das 1988 veröffentlicht wurde. Und für das Fachmagazin Jazzpodium zählte er bereits in den 1950er Jahren “ohne Zweifel zu den wichtigsten Altsaxophonisten Europas”. An dieser Wertschätzung hat sich nichts geändert. Wer Emil Mangelsdorff vor drei Wochen in der Alten Oper Frankfurt bei der Feier zum 80. Geburtstag des internationalen Konzertveranstalters Fritz Rau gehört hat, fand diese Aussage bestätigt. Das Publikum hat einen Jazzer auf dem Höhepunkt seiner Karriere erlebt. Es wollte ihn nicht von der Bühne gehen lassen. Sein Feuer brennt nach wie vor.

“Seine feinziselierten Linien, getragen von einem grossen, klaren Alto-Ton, erweisen ihn als souveränen Musiker, der die gesamte Tradition, vor allem Cool-Einflüsse, mit Blues-Gefühl und Sophistication zu einer musikalisch schlüssigen Synthese zu bringen versteht”, schreibt Kunzler in seinem Jazzlexikon.

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Emil Mangelsdorff am 3. März 2010 Weiterlesen

„Das Wesen im Ding“ im Frankfurter Kunstverein (3): Egill Sæbjörnsson

2010, April 7.

“Das Wesen im Ding” im Frankfurter Kunstverein: Wieder einmal betreten wir einen verdunkelten Raum, dieses Mal ist es der grosse Ausstellungssaal im 2. Obergeschoss. Die Augen, soeben noch dem hellen Tageslicht verhaftet, gewöhnen sich nur langsam um. Schemenhaft werden einige Aufbauten sichtbar, deutlicher die Projektionen an den Wänden. Fünf Arbeiten des isländischen Künstlers Egill Sæbjörnsson sind es, die uns dort faszinieren.

Was ist das „Wesen“ im „Ding“?

Ein „Ding“: ein Objekt, eine Sache, ein Gegenstand? Das Bild, das wir uns von ihm machen, die Vorstellung, die wir von ihm haben? Wie stehen wir, als Subjekt, dem Ding, als Objekt, gegenüber? Immanuel Kant sprach von dem „Ding an sich“ als dem unabhängig vom Subjekt Seienden (Kant: „Es sind uns Dinge als ausser uns befindliche Gegenstände unserer Sinne gegeben, allein von dem, was sie an sich selbst sein mögen, wissen wir nichts, sondern kennen nur ihre Erscheinungen, d. i. die Vorstellungen, die sie in uns wirken, indem sie unsere Sinne affizieren“). Und das „Wesen“? Der Essentialismus unterstellt ein Wesen als wahre Natur, als Identität einer Sache, eines Dings also. Seit alters her bilden Vorstellungen von „Ding“ und „Wesen“ ein Tummelfeld der Philosophen. Heute erscheint, im Lichte quantenphysikalischer Erkenntnisse und Theorien, von Forschungen mit dem Large Hadron Collider LHC und deren mit Spannung wie auch Spekulationen erwarteten Ergebnissen, vieles von dem lediglich noch der historischen Betrachtung wert.

Wir verstehen die Ausstellung im Frankfurter Kunstverein als eine – exemplarische – Präsentation, wie sich Künstler heute mit Fragen nach einem Wesen im Ding auseinandersetzen. Nach einer – wiederum exemplarischen – Betrachtung der Arbeiten von Nina Canell und Florian Haas schliessen wir mit einer künstlerischen Position von Egill Sæbjörnsson.

Putzeimer, Besen und andere, der Reinigung dienende und damit durchaus banale Gegenstände entfalten in der Installation „Kugeln“ ein erstaunliches Eigenleben:

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„Daphne“ von Richard Strauss an der Oper Frankfurt

2010, April 6.

Erinnerung als Paradies und als Raum erfahrenen Unglücks:

„Daphne“ von Richard Strauss an der Oper Frankfurt

Eindrücke von Renate Feyerbacher

Eine alte Frau betritt zögernd die Bühne und schreitet durch die hohen, heruntergekommenen Räume. Claus Guth, der Opernregisseur, bekannt für seine psychologischen Interpretationen, lässt die gealterte Daphne den Ort ihrer Kindheit und Jugend, wo der Missbrauch stattfand, aufsuchen. „Der Tag, der sie veränderte, sie erstarren liess, taucht wiederum vor ihren Augen auf.“ Das Thema beschäftigt derzeit unsere Gesellschaft landauf, landab. Es sind viele, die zur Zeit aus ihrer Erstarrung aufwachen, sich erinnern und reden wie der Frankfurter Schriftsteller Bodo Kirchhoff: „Keinem der Betroffenen sieht man an, wie viel in ihm kaputt ist.“

Dieser Gedanke schwebt über der Aufführung.

In der griechischen Mythologie erstarrt Daphne, die Nymphe, zum Lorbeerbaum, als Gott Apollo hinter ihr her ist und nicht von ihr ablässt. Das Thema hat Schriftsteller (Ovid, Petrarca, Martin Opitz, Sylvia Plath, Sarah Kane – beide Dichterinnen nahmen sich das Leben – ), Komponisten (Monteverdi, Gluck, Mozart), Maler, Philosophen und Psychoanalytiker wie Sigmund Freud nicht losgelassen. Freud interpretierte die Geschichte als Deflorationsangst des Mädchens und Feindseligkeit gegenüber dem Mann, die krankhafte Züge annehmen kann.

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Lance Ryan (Apollo), Daniel Behle (Leukippos) und Maria Bengtsson (Daphne); Bildnachweis: Oper Frankfurt, Foto: © Barbara Aumüller Weiterlesen

KARFREITAG

2010, April 2.

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Karel Niestrath / Will Schwarz: Mahnmal Bittermark in Dortmund-Hombruch, 1960; Fotos: Mbdortmund/wikimedia commons GFDL

Das Mahnmal Bittermark im Dortmunder Stadtbezirk Hombruch erinnert an die etwa 300 einen Tag vor dem Einmarsch der Amerikaner im April 1945 ermordeten Zwangsarbeiter aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Jugoslawien, Polen und der Sowjetunion sowie deutschen Widerstandskämpfer.