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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Giulio Cesare in Egitto“ von Georg Friedrich Händel in der Oper Frankfurt

Held Cäsar als Sieger und Besiegter
oder
Historie nur als Vorwand, dafür Gefühle über Gefühle
oder
Machtkampf in Politik und Liebe

Text: Renate Feyerbacher
Fotos:  Wolfgang Runkel /Oper Frankfurt, Renate Feyerbacher

Brenda Rae (Cleopatra) und vorne Michael Nagy (Giulio Cesare; auf der Treppe liegend) sowie Statisterie der Oper Frankfurt; Foto © Wolfgang Runkel

„Was wäre, wenn wir im Theater – so wie im Leben – immer alles verstünden?“ und „Was wäre denn, wenn, wir uns bei Händel mehr den emotionalen Affekten hingäben als den historischen?“ Das sind zwei der Fragen, die Regisseur Johannes Erath sich selbst und uns im Programmheft stellt.

Einige heftige Buh’s bescherten seine Regie. Dabei waren doch die Barockopern bestimmt nicht im hehren Elfenbeinturm angesiedelt, sondern sehr turbulent. Da ging es auf der Bühne zur Sache. Und die langen Da-capo-Arien Händels – musikalisch sehr schön, aber auch ermüdend, weil sie kein Ende zu nehmen scheinen – werden durch Aktionen belebt, auch wenn sie nicht gleich zu verstehen sind. Und ganz historisch ist die Opernhandlung  ja auch nicht.

Regisseur Johannes Erath am 20. November 2011 anlässlich „Otello – Oper Extra“; Foto: Renate Feyerbacher

Gelegentlich war der eine oder andere Gag zu viel. Unruhe konnten die Treppenaktionen, die grossartig waren und theatralische Aktionen möglich machten, hervorrufen, aber auch Angst vor körperlicher Schwäche. Da turnt Tolomeo, der ägyptische König und Bruder Cleopatras, am Treppengerüst, setzt sich sogar später auf die oberste Stufe der freistehenden Treppe und singt seine wollüstige Arie, auch nimmer enden wollend. Und die Frau, die er begehrt, Cornelia, Frau des von ihm ermordeten Pompeius, turnt auf unteren Stufen herum, auch wunderbar singend. Diese Szene ist toll, lenkt aber ab.

Tanja Ariane Baumgartner (Cornelia; auf der Treppe) und Matthias Rexroth (Tolomeo); Foto © Wolfgang Runkel

Gelungen dagegen die Einfälle mit dem Gaze-Vorhang, der manchmal zu oft auf- und zugeht. Gelungen die Idee, das Mini-Kriegerheer hinter dem aufgebläht wehenden Vorhang aufmarschieren oder die Liebesszene zwischen dem in Boxershorts auftretenden Cäsar und der bereits leicht geschürzten, Turban tragenden Cleopatra hinter dem Vorhang beginnen zu lassen.

Auch die Szene mit den Sklaven, nackte, schön gebräunte Oberkörper, die zwar so tun als zögen sie das Podium – Bühne auf der Bühne – an Seilen wie Galeerensträflinge nach vorne, dieses allerdings nach rückwärts sich bewegt. „Warum?“, fragte jemand nach der Vorstellung. Sollten die ägyptischen Sklaven bewundert werden, oder nur ein Gag, der der Technik zugute kommt?

Statisterie der Oper Frankfurt, Simon Bailey (Achilla), Tanja Ariane Baumgartner (Cornelia) und Paula Murrihy (Sesto) sowie im Hintergrund Matthias Rexroth (Tolomeo; auf der Leiter); Foto © Wolfgang Runkel

Die Bühne,  geschaffen von Herbert Murauer, zunächst geschrumpft mit den Partygästen und am Ende wieder zusammenschrumpfend mit dem gleichen Partypersonal – Rahmenhandlung – ist viel in Bewegung. Sie präsentiert sich in pompöser Grösse. So könnte es auch bei den Barockspektakeln gewesen sein, natürlich mit barockem Interieur. Das Lichtdesign von Joachim Klein, das interessante Schatten erzeugt, oder Bibi Abels Videodesign beleben das Geschehen. Katherina Tasch hatte sich mit den Kostümen eine Mischung ausgedacht: modern, ägyptisch, barock. Es gab ein „Aaahh“ im Publikum, als Cleopatra, die Treppe hochsteigend, die lange Schleppe von ihrem Prunkkostüm die Treppe herunter gleiten lässt, das Cäsar, auf der Treppe hochrobbend, zu erfassend versucht.

Auch der tote Pompeius, dessen abgeschlagener Kopf im Tuch verhüllt ist, sitzt die ganze Zeit in Sesseln unten auf der Bühne und hoch oben auf dem Steg und wandert schliesslich, mehrfach geklont, ohne Kopf über die Bühne.

Oder auch der Bezug auf Cleopatra-Filme. Das Programmheft listet zehn realisierte und zwei geplante Filme/Projekte auf, beginnend mit einem Zweiminüter, produziert 1899 in Frankreich und erst 2005 wieder entdeckt. Ein USA-Film von 1917 wurde wegen Obszönität mit allen Kopien vernichtet. Cleopatras Turban, den sie trägt, erinnert an den wohl teuersten Film aller Zeiten, beschert 1963 aus Hollywood mit Liz Taylor (Aufstellung im Programmheft).

Simon Bailey (Achilla), Dmitry Egorov (Nireno), Matthias Rexroth (Tolomeo; liegend) und Brenda Rae (Cleopatra) sowie Statisterie der Oper Frankfurt; Foto © Wolfgang Runkel

Auch diese Szene mit der grossartigen Brenda Rae, die im Schaumbad empor steigt und in dieses später ihren verhassten Bruder stülpt, gefällt.

Es steckt viel Komik und Humor in der Inszenierung, aber auch Brutalität.

Die Vergewaltigungsszenen sind im Grenzbereich. „Wir kennen uns gut, Tanja Ariane Baumgartner (Cornelia, Witwe des Pompeius) und ich“ beschwichtigte Simon Bailey (Achilla, ägyptischer Heerführer) im Gespräch bei der Premierenfeier.

Viel Skuriles, das man mögen, verstehen oder ablehnen wird.

Bald nach jeder Arie erhielten die Sängerinnen und Sänger Bravo-Rufe, allen voran Brenda Rae als mondäne, heroische, leidende Cleopatra. Sie ist keine Barockspezialistin, aber ihre Koloraturen bestechen. So ward sie noch nie gehört.

Auch der ungarische Bassbariton Michael Nagy, fünf Jahre Ensemblemitglied, mittlerweile freischaffend, den das Frankfurter Opernpublikum zum Beispiel als Papageno (Zauberflöte), als Jason (Medea von Aribert Reimann) oder als Wolfram (Tannhäuser) feierte, den er auch im letzten Jahr zum 100jährigen Jubiläum in Bayreuth sang, ist kein Barockspezialist. Auch er überraschte und bewältigte gleich seine erste Arie furios.

Im Fach zuhause sind die Countertenöre Matthias Rexroth und Dmitry Egorov, den Opernbesucher aus Dido und Aeneas kennen.

Matthias Rexroth, mehrfach ausgezeichnet, singt den grausamen, gewaltsamen, schmierigen Schurken Tolomeo. Brilliant. Seine Gegenspieler bzw. Gegenspielerinnen sind Cornelia, die Pompeius-Witwe, und Sesto, ihr Sohn, der den Vater rächen muss. Tanja Ariane Baumgartner, die als Penthisilea in der gleichnamigen Oper in Frankfurt gefeiert wurde, variiert ihre Verzweiflung eindrucksvoll und differenziert, ein warmer, Gefühle verströmender Mezzo. Sesto, gesungen von Paula Murrihy, die demnächst wieder in Dido und Aeneas zu hören ist, singt diesen quirligen, zögernden, dann wieder kampfbereiten Sohn erfrischend. Die Hosenrolle steht ihr.

Ekel Achilla wird von Simon Bailey überzeugend gespielt und gesungen. Sebastian Geyer, in der Premiere am 2. Dezember nur in der kleinen Rolle des Curio, demnächst aber in der Titelrolle, ein ruhender Pol zwischen den brillianten Barock-Arien.

Dmitry Egorov (Nireno), Paula Murrihy (Sesto) und Simon Bailey (Achilla) sowie im Hintergrund Michael Nagy (Giulio Cesare; auf der Leiter); Foto © Wolfgang Runkel

Ursprünglich sollte ein anderer Dirigent ans Pult des Frankfurter Opern-und Museumsorchesters. Erik Nielsen, ehemals Kapellmeister an der Oper Frankfurt, sprang ein und bewältigte die doch schwierige Aufgabe souverän.

Weitere Vorstellungen (in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln) von Georg Friedrich Händels „Giulio Cesare in Egitto“ an der Oper Frankfurt am 9., 13., 16., 21., 23., 25. und  31. Dezember 2012, jeweils um 18.30 Uhr; weitere Termine im Januar und Mai 2013.

 

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