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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Yvette fait les violettes à Tourrettes

Tourrettes-sur-Loup ist die Veilchenstadt schlechthin
Veilchenfest in 2016 am 27. und 28. Februar

Von Elke Backert

Im Poesiealbum ist’s nachzulesen: „Sei bescheiden und rein wie ein Veilchen und nicht wie die stolze Rose, die immer bewundert will sein.“ Und natürlich widmete auch Goethe dem „herzigs Veilchen“ ein Gedicht:

„Ein Veilchen auf der Wiese stand
Gebückt in sich und unbekannt;
Es war ein herzigs Veilchen …“

Bescheiden von Wuchs, aber welch ein Duft! Das unscheinbare Gewächs wurde gar 2007 als Heilpflanze des Jahres auserkoren, das, als Tee getrunken, gut gegen Husten wirke.

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Goethes „herzigs Veilchen“

Seit etwa 1880 hat sich ein ganzes Bergdorf im Hinterland der Côte d`Azur der Kultur der blaublütigen Viola odorata verschrieben. 20 Autominuten vom Flughafen Nizza entfernt ist Tourrettes-sur-Loup die Veilchenstadt schlechthin.

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Hinweistafel auf Tourrettes-sur-Loup; Bildnachweis: SchiDD/wikimedia commons CC

Heute beschäftigen sich nur noch elf Familien mit der Zucht. 300 Quadratmeter große Felder sind über und über mit der Sorte Victoria bedeckt. Sie hat besonders lange Stiele, eine bis zu 15 Jahre lange Lebensdauer und vermehrt sich schnell. Per Hand werden die winzigen Blüten gepflückt. Wer einmal selbst ein Sträußchen gebunden hat, weiß, wie mühsam und zeitaufwendig das ist. Um so verblüffter ist der Besucher in einem der Höfe, wie fix Yvette mit dem unscheinbaren Gewächs umgeht.

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130 dieser winzigen lila Bouquets zaubert Yvette in einer Stunde

Aus 25 Blüten fertigt sie einen Strauß, der eine Stunde lang in einer speziellen Salzlösung ruhen muss. Danach bindet sie einige grüne Blätter außen herum. 130 lila Bouquets zaubert sie in einer Stunde. Einen bekommt jeder Besucher als Geschenk.

Viele Jahre wurden die niedlichen Sträuße bis nach Moskau exportiert, heute nur noch innerhalb Frankreichs und nach Deutschland, in Kühllastwagen.

Stehen die Veilchen in voller Blüte, kristallisiert man sie zu leckeren Bonbons. 7.600 Blüten ergeben ein Kilo der süßen Nascherei, die man kosten darf. Damit ist das Veilchen aber noch nicht ausgebeutet. Von Mai bis August werden die Blätter geerntet – rund 160 Tonnen im Jahr – und noch am selben Tag der Ernte an die Parfümhersteller im nahen Grasse verkauft. Aus ihnen gewinnen sie einen für ihre Parfüms wichtigen Inhaltsstoff.

Veilchen anzubauen scheint also eine lukrative Sache. Denn auch für Sirup und Likör sind sie gut. Mit letzterem mixen kluge Gastwirte den beliebten Kir. So haben die 3500 Einwohner allen Grund, „La fête des violettes“ zu feiern, das Veilchenfest. Seit 1952 tun sie das, seit ein gewisser Victor Linton die Idee dazu hatte.

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„La fête des violettes“: Aushang zum 50. Veilchen-Fest in Tourrettes-sur-Loup; Bildnachweis: SchiDD/wikimedia commons CC

In diesem Jahr, am 27. und 28. Februar, ist wieder das ganze Dorf geschmückt, die Tür der Kirche genauso wie die der Bibliothek. Die Luft duftet nach Frühling, und jeder spürt, der Frühling naht. Während in Saint Grégoire die Messe zelebriert wird, bereiten Cafés und Restaurants ihre Terrassen vor für den Ansturm der Schaulustigen. Denn am Sonntag ab etwa 14 Uhr schlängelt sich der Blumenkorso durch den Ort. Umzugswagen wetteifern miteinander in leuchtendem Violett und Gelb. Dank des milden Klimas blühen auch Mimosen und Osterglocken. Musikanten, Tanz- und Folkloregruppen und kostümierte Kinder begleiten den Korso durch den Ort. Ein Bauernmarkt verführt zum Kaufen regionaler Produkte. Auch die Stände tragen Blütenschmuck. Gegen 16 Uhr endet der Tag mit einer „Blumenschlacht“, an der sich jeder beteiligen darf. Das bedeutet, alle dürfen die so kunstvoll mit Blumen dekorierten Wagen plündern und mit nach Hause nehmen, was ihnen gefällt.

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Seit 1894 heißt Tourrettes-sur-Loup „Stadt der Veilchen“. Den Beinamen sur Loup verdankt die Stadt dem Flüsschen, das die südliche Grenze der Gemeinde bildet

Malerisch und trutzig wie eine einzige Festung auf einem 400 Meter hohen Felsvorsprung gelegen, überragt das mittelalterliche Dorf zwei Schluchten und verdankt seiner einmaligen Lage, dass es die Zeiten fast unberührt überlebte. Künstler und Kunsthandwerker ließen sich nieder und ziehen ebenso Touristen an wie die schönen alten Mauern im engen Gassengewirr des unter Denkmalschutz stehenden Orts. Auch die Kirche und die Ausstellungen im Schloss sind zu besichtigen.

Fotos (soweit nicht anders angegeben): Elke Backert

 

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