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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Unter Waffen Fire & Forget 2“ im Museum Angewandte Kunst Frankfurt

Von Kriegsmoden und Modekriegen

Von Winfred Kaminski

Die aktuelle Ausstellung im Museum Angewandte Kunst „Unter Waffen. Fire & Forget 2“ belegt ein weiteres Mal, dass die Frankfurter Museen immer wieder für Besonderes stehen. Die derzeit im MAK laufende Ausstellung – sie kann bis zum 26. März 2017 besucht werden – bildet da keine Ausnahme. Sie wird, ganz im Gegenteil, von vielen als ein highlight angepriesen.

Was auf gut 1200 Quadratmeter Fläche präsentiert wird, lässt manchmal den Atem stocken. Denn wie manche Künstler und Designer mit den „Waffen“ spielen, zielt auf Regelverstoß. Wie überhaupt der Umgang mit der Waffen-Metapher und mit Kriegs-Metaphorik ein Hauptelement der Ausstellung darstellt. Es wird gezielt, ausgelöst, geschossen, Land erobert und vieles andere mehr. Und dann doch wieder nicht oder nur im übertragenen Sinne.

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James Piatt, Pursuader, 2007, Foto: James Piatt, © James Piatt

Die ausgestellten Produkte und Kunstwerke von der Camouflage-Mode bis zum Smartphone mit Schlagring dokumentiert die Faszination von Design und Publikum durch den Flair des Militärischen. Offen bleibt dabei, ob hier tatsächlich ein neuer/anderer Militarismus Platz greift oder ob nicht mit der Verfremdung eine Einhegung des Bedrohlichen stattfindet und damit Zivilisierung einhergeht? Eine Taschenlampe in Form einer Pistole, hier eine Beretta, ist zuerst nützlicher Gegenstand. Oder der Öffner für die Champagner-Flasche ist eben auch nur einem Gewehr ähnlich und taugt gerade nicht zum Schießen. Manches wirkt kokett und ironisch, wenngleich die Vermutung naheliegt, dass wir es im Einzelfall mit styliger Geschmacklosigkeit und einer gehörigen Portion Zynismus zu tun haben könnten.

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Extranight, Extranight Gun, 2015, Aluminium, ABS-Plastik, NCVM-Beschichtung, Foto: Jean-Luc Brigot, © Extranight

Eines nämlich ist überklar, die glatte und glänzende Oberfläche der Designobjekte oder der Kunstgegenstände (was in der Ausstellung unterschieden wird!) täuscht darüber hinweg, dass im Ernstfall Lärm, Krach, Geschrei, Gestank, Zerfall, Blut und Tod an ihre Stelle treten. Insofern haben die Ausstellungsstücke nichts mit der kriegerischen Wirklichkeit wie etwa aktuell im syrischen Aleppo zu tun.

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(li.) Rami Maymon, Untitled (Soldiers), 2005, © Rami Maymon; (re.) Sadak, AW ,2016, „Borders“, 2015, Foto: Ryan Tandya, © Sadak

Zu den grossen und bekannten Namen und Marken, die durch ihre Werke und Produkte mitwirken, gehören Modefirmen wie Adidas, Nike und eben auch Alpha-Industries mit ihrer Bomberjacke. Designer wie Philipp Starck, Tobias Rehberger oder Ted Noten nutzen Militärisches, um es zu verfremden; kaum anders als die anonymen Teppichknüpfer aus Belutschistan, die einen Teppich mit Kampf- und Kriegsmotiven ausschmückten.

Es fällt in der Ausstellung „Unter Waffen Fire&Forget 2“ besonders auf, dass trotz der Präsenz der Waffen und von Waffenähnlichem, trotz der Hersteller und Modellnamen Beretta, Peacemaker, Heckler & Koch, Merkel oder Winchester über allem – und wie sollte es anders sein – eine museale, ja meditative Stille liegt. Auch von dem riesigen aus Waffen- und Munitionsresten zusammengebauten zweisitzigen Sitzmöbel geht keine Gefahr und keine Gewalt aus. Das Kriegsmaterial ist – getreu dem biblischen Motto „Schwerter zu Pflugscharen“ – verfremdet, ja zweckentfremdet. Die gesamte Ausstellung, sie erinnert von ferne an eine Waffen- und Militärmesse, markiert eine demilitarisierte Zone. Vieles lässt uns gruseln, aber von kriegerischem Grauen, so wie es die täglichen Nachrichten in unsere Wohnzimmer tragen, spüren wir kaum etwas. Beispielhaft wird das an den ausgestellten „kompostierbaren“ Anti-Personen-Minen. Die Distanzierung, auf die der Künstler wohl abhebt, verfehlt ihr Ziel und der ironische Protest schlägt in Zynismus um.

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Ted Noten, YSL001, Serie 7 Necessities, 2012, Edition of 3 + 1 A.P., 3 D- Druck einer Pistole in Nylon, – Pistole, verschiedene Materialien, USB-Stick, Spiegel, Acryl, Silberkette, Diamant, Weißgold 14 kt, Lipgloss, Pillen, © Atelier Ted Noten

Zusätzlich bietet der Ausstellungskatalog „Ammo“, aufgemacht wie ein Hochglanzmodemagazin (deutsch und englisch), ein weiteres ergänzendes Narrativ zur musealen Präsentation. Allerdings erliegt mancher Beitrag der Gefahr „kritischer Allgemeinplätze“. Krieg ist nicht sexy, auch wenn das Titelbild es suggeriert.

Design hat es ja vielfach mit Oberflächen zu tun, aber es gibt eben eine Täuschung durch die Oberfläche. Darum ist es nur beruhigend, dass es zu der Ausstellung ein überaus reichhaltiges und ambitioniertes Rahmenprogramm gibt, das verspricht, den „Verrat der Bilder“ (Rene Magritte) zu entlarven und hinter die polierten Oberflächen zu schauen; veranstaltet vom Exzellenzkluster „Normative Orders“ der Frankfurter Goethe-Universität. Kuratiert wurde die sehenswerte Schau von Ellen Blumenstein, Daniel Tyradellis und Matthias Wagner K mit kuratorischer Assistenz von Juliane Duft und Anna Gien.

„Unter Waffen – Fire & Forget 2“, Museum Angewandte Kunst, bis 26. März 2017

Bildnachweis: Museum Angewandte Kunst

 

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