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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Archiv für November, 2016

Der Internationale Hochhaus-Preis 2016 und innovative Entwicklungen im Hochhausbau

2016, November 12.

Neue Hochhausikone gegen die Langeweile

Der Preis bezieht sich auf Architekten und Bauherren, deren Gebäude mindestens 100 Meter hoch sind und die in den vergangenen zwei Jahren fertiggestellt wurden. Gewinner des diesjährigen Hochhauspreises ist das Wohnhochhaus „VIA 57 West“ in New York. Dessen dänischer Architekt Bjarke Ingels (BIG) und sein New Yorker Investor Douglas Durst nahmen den vom Deutschen Architekturmuseum, der DEKA-Bank und der Stadt Frankfurt am Main gestifteten Preis von 50.000 Euro in der Paulskirche entgegen. Er wird alle zwei Jahre verliehen, in diesem Jahr zum siebten Mal. Ein Beitrag von

Petra Kammann

Ein Hochhaus soll das sein? Schaut man sich im Frankfurter Architekturmuseum (DAM) das Modell des VIA 57 West von Bjarke Ingels an, so denkt man eigentlich nicht an ein Hochhaus, sondern eher an eine Pyramide, die aus der Symmetrie gerutscht ist, oder an ein Segelschiff, das am westlichen Rand von Midtown Manhattan vorbeisegelt. Man reibt sich die Augen. Fast schwebend und so poetisch wie utopisch wirkt dieses unwirklich helle Gebilde vor der New Yorker Skyline. Das eher quer als hoch liegende Gebäude hat in diesem Jahr doch tatsächlich den Internationalen Hochhaus-Preis gewonnen!

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Im Gespräch: Matthias Danne, Deka-Bank, Architekt Bjarke Ingels (BIG) und Douglas Durst (Durst Organization) Weiterlesen

Sabine Kuehnle: „Die Versuchung des Heiligen Antonius“ in der Weissfrauen Diakoniekirche Frankfurt

2016, November 9.

Von Erhard Metz

Vielleicht mag es nicht ganz statthaft sein, aber es reizt uns denn doch: der grossvolumigen Installation von Sabine Kuehnle „Die Versuchung des heiligen Antonius“ in der Frankfurter Weissfrauen Diakoniekirche eines aus Hunderten von Details des um die Wende zum 16. Jahrhundert entstandenen berühmten Triptychons von Hieronymus Bosch „Die Versuchungen des heiligen Antonius“ gegenüberzustellen: eine Szene hoch am Himmel über einer Landschaft voll schrecklicher Geschehnisse und Heimsuchungen. Der Heilige fliegt, hilflos auf dem Rücken liegend, auf einem Drachenungeheuer, gequält von um ihn herum schwebenden Dämonen und teuflischen Wesen. Der ägyptische Christ Antonius, Begründer des asketischen, einsiedelnden Mönchtums – sein Tod wird auf das Jahr 356 datiert – , lebte und lehrte die Abkehr von leiblichen und weltlichen Begierden. Immer wieder lockten ihn jedoch verführerische Versuchungen und peinigten ihn albtraumhafte Visionen. Die „Vita Antonii“, verfasst von Bischof und Kirchenvater Athanasius (um 300-373), legt davon Zeugnis ab.

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Hieronymus Bosch (um 1450-1516): Die Versuchungen des heiligen Antonius (um 1505/10), Triptychon, kleines Detail vom oberen Bildrand des linken Flügels, Museu Nacional de Arte Antiga, Lissabon; Bildnachweis wikimedia commons

Tiefschwarze, zerrissene Zeltplanen hängen in der Weissfrauenkirche von der Decke des hohen Kirchenraumes herab, flankiert von zerrissenen Netzen und trockenen, verkohlten Ästen. Äste, verbrannt und verkohlt, liegen auch auf dem Boden zerstreut.

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Trüffelsuche in der Schweiz

2016, November 7.

Von Elke Backert

Trüffeln suchen in der Schweiz? Ja, richtig gelesen. Nicht im französischen Périgord, nicht in Italien, aber in der französisch sprechenden Schweiz, genau in der Region Yverdon-les-Bains. Das liegt an der Südspitze des Neuenburger Sees, des Lac du Neuchâtel, an der Grenze zum Jura und nicht weit entfernt vom Genfer See.

Ein Mensch alleine würde es nicht schaffen, aber wer sich mit Trüffeln auskennt wie Monsieur Pierre Yves Masson, geht mit seiner Hündin Jana im Wald von Bonvillars auf Suche. Sie ist natürlich abgerichtet darauf und ganz wild, die Spezialität aufzuspüren.

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Pierre Yves Masson und seine Hundedame Jana auf Trüffelsuche; so muss der Trüffel aussehen – und wie er duftet! Weiterlesen

„Die Kunst von Aardman“ im Deutsches Filmmuseum

2016, November 3.

Mit Shaun, Wallace und Gromit

Von Winfred Kaminski

Die Besucher der aktuellen Sonderausstellung „Aardman. Art that Takes Shape“ im Deutschen Filmmuseum erwartet eine Riesenüberraschung und ein großartiges Erlebnis. Denn endlich wird es möglich nachzuvollziehen, weshalb die kurzen Filme um „Shaun, das Schaf“ alle Welt fasziniert. Vielen sind Shaun und seine Herde auf den Screens der U-Bahnen begegnet und deshalb vertraut. Nunmehr ist der gesamte Kosmos der Aardman-Studios am Frankfurter Museumsufer zu erleben. Die Ausstellung wurde gemeinsam mit dem Pariser Museum „Art Ludique“ entwickelt; Diane Launier hat auch die Frankfurter Ausstellung eröffnet.

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Direktorin Claudia Dillmann, Diane Launier und ein Dolmetscher (Bild: Sophie Schüler. Quelle: Deutsches Filminstitut)

Die Figuren aus den Aardman-Studios (Bristol) sind längst Ikonen: der Erfinder Wallace, Gromit, der Hund, Morph, Piraten und nicht zuletzt die Protagonisten aus „Chicken Run“ und eben der Namensgeber Aardman.

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Key Visual Deutsches Filmmuseum: Die Kunst von Aardman (Quelle: Deutsches Filminstitut) Weiterlesen

Dauerausstellung zur Antikenrezeption im Landesmuseum Darmstadt

2016, November 1.

Inspiration Rom

Das Hessische Landesmuseum in Darmstadt (kurz HLMD) hat nach der langen Umbauphase von 2007 bis 2014 die Präsentation seiner ständigen Sammlung völlig neu konzipiert. Mehr als ein Besuch ist notwendig, um sich die vielfältigen Ausstellungsschwerpunkte zu erschließen. Anfangen könnte man mit der neuen Ausstellung zur Antikenrezeption im 18. Jahrhundert. Sie verspricht interessante Einblicke und eröffnet neue Perspektiven auf bislang wenig beachtete Sammlungsbestände.

Von Andreas Pesch

Der Ausstellungsfokus des Hessischen Landesmuseums auf die Antikenrezeption ist neu, auch wenn die Sammlungsgeschichte der meisten Ausstellungsstücke noch auf die Zeit der Landgrafen von Hessen-Darmstadt zurückgeführt werden kann. Gezeigt werden Objekte, die Zeugnis ablegen von einer neuartigen Begeisterung für das römische Kulturerbe innerhalb der gesellschaftlichen Elite des 18. Jahrhunderts. Im Zentrum der Schau stehen kleine, aufwendig gearbeitete Miniaturmodelle römischer Ruinen aus Kork. Bis zum Umbau fristeten sie eher ein Schattendasein im Kellergeschoss des HLMD; nun aber werden sie spektakulär in Szene gesetzt.

Nach Vorläufen im 16. Jahrhundert kam die Kunst der Korkbildnerei in Italien ab Mitte des 18. Jahrhunderts zur Blüte. Ein wichtiger Vertreter war Antonio Chichi (1743-1816), dessen Werke in Darmstadt zu sehen sind. Die Nachbildung von Ruinen der römischen Zivilisation im Maßstab 1:100 oder 1:25 kam damals in Mode. Nicht nur in Hessen-Darmstadt wurden Korkmodelle gesammelt, sondern auch in Kassel, Gotha, Aschaffenburg, Berlin, Amsterdam oder St. Petersburg, wo heute ähnliche Sammlungen existieren. Die Mode war Ausdruck eines neuen Interesses für die Kunst der Antike. Antikenrezeption war zwar kein ganz neues Phänomen. Denn schon in früheren Epochen hatten etwa Karolinger oder Renaissance-Päpste in ihren Bauprojekten die Formensprache der römischen und hellenistischen Kunst aufgegriffen, um sich auf diese Weise als Erben des Imperium Romanum zu inszenieren. Allerdings hatten sie ohne Skrupel die teilweise noch erhaltenen Gebäude römischer Zeit als Rohstoffquelle für die eigenen Neubauten genutzt. Renaissancepaläste waren mit Marmor aus römischen Tempeln ausgestattet worden, und die Bauten des Forum Romanum waren zum Großteil in den Kalköfen gelandet, in denen Baumaterial für Michelangelos Petersdom hergestellt wurde.

Im 18. Jahrhundert veränderte sich die Art und Weise, wie das antike Erbe rezipiert wurde. War das Kolosseum in Rom 1744 vor dem vollständigen Abbruch nur durch Umwandlung in eine Gedenkstätte für christliche Märtyrer bewahrt worden, so begann man auf einmal den antiken Ruinen einen Eigenwert als Zeugen der griechisch-römischen Kunst zuzusprechen. Es entstand die Auffassung, dass die Ruinen selbst (und nicht bloß die in ihnen verwendeten Stilmittel) Erhaltung und Studium wert sind. Die Korkmodelle bringen den Wandel in Wahrnehmung und Wertung antiker Bauten zum Ausdruck. Es handelt sich nicht um Rekonstruktionen des ursprünglichen Zustands oder um Idealbauten im klassischen Stil, sondern – in den meisten Fällen – um maßstabsgetreue Modelle der damals erhaltenen Ruinen. Herrscherhäuser ebenso wie betuchte Privatleute konnten durch ihren Erwerb eine moderne, das heißt an klassischen Idealen orientierte Geisteshaltung demonstrieren.

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Raumaufnahme, Ausstellung Archäologie, Antike, Foto: © Wolfgang Fuhrmannek Weiterlesen