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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Die Unbesiegte“ von Wanda Pratschke: eine verheißungsvolle Vorschau

Von Erhard Metz

„Der Abend des Lebens gibt mir geheimnisvolle Weisheit, und künftige Ereignisse werfen ihre Schatten voraus“ schrieb der bedeutende schottische Dichter und Goethe-Zeitgenosse Thomas Campbell. Nun können Schatten auch lichtvoll hell sein, hell wie von künstlerischer Hand geformter Gips. Und die über den Lauf eines Lebens erworbene „geheimnisvolle Weisheit“ gipfelt in einem durchaus autobiografisch zu verstehenden Werk der großen Frankfurter Bildhauerin Wanda Pratsche mit dem Titel „Die Unbesiegte“.

„Die Unbesiegte“, Gipsmodell, Ende Oktober 2020, 105 x 195 x 80 cm, ca. 1,2 Tonnen Gips, Gewicht der künftigen Bronzeskulptur ca. 10 Zentner

Wanda Pratschke schuf das Werk – ihr wie sie es nennt „Urweib“ – von März bis September in der Corona-Krise des Jahres 2020. Nach der Silikon-Negativabformung wird die Plastik in diesen Tagen und Wochen in der Kunstgießerei Strehle in Winhöring bei Altötting in zwei Teilen gegossen, zusammengeschweißt und patiniert.

„Die Figur ist Selbstzeugnis und Ausdruck des Weiblichen im Menschlichen. Der Blick nach oben verdeutlicht den Willen, meine Visionen umzusetzen“ schrieb die Künstlerin mit dem ihr eigenen Anspruch und mit berechtigtem Stolz.

„Die Unbesiegte“, Gipsmodell, Ende Oktober 2020

„Als Modell schon beeindruckend: in Gips geformt und markiert, nicht nur von den Linien des Lebens, sondern von einer massiven Leichtigkeit des Seins, fast unbekümmert und mit dem Kopf zum Himmel gestreckt, in liegender Position“, so die Künstlerin weiter. „Sie hat nichts zu verstecken, sie liegt nackt mit ihren entblößten Busen und ihren Rundungen. ‚Es gibt keine Probleme, nur Herausforderungen, die sich lösen lassen‘, das strahlt sie aus, die Unbesiegte, und inspiriert den Betrachter. Der Weg bis hierhin hat Spuren hinterlassen, aber es geht weiter. Bald in Bronze gegossen, wird sie dies für immer sein, die Unbesiegte. Dann mit einer zu erwartenden Patina und mit einer Massivität als überlebensgroßes Abbild eines Seelenzustandes, der neugierig macht“.

Wanda Pratschke mit ihrem „Urweib“

„Die Unbesiegte“ – das Alter ego von Wanda Pratschke? Das Lebensbekenntnis der 1939 in Berlin geborenen, seit über 40 Jahren frei künstlerisch arbeitenden Schülerin von Willi Schmidt an der Städelschule? Wir vermuten es, ohne die Höhen und Tiefen des Lebensweges dieser herausragenden Künstlerpersönlichkeit näher zu kennen. Das Werk legt zugleich Zeugnis ab von der künstlerischen Auseinandersetzung mit der ersten Corona-Krise des vergangenen Jahres und deren geistigen wie materialisierten Überwindung – einer Krise, die viele künstlerische Lebensentwürfe an den Rand des Existentiellen brachte und noch heute unverändert bringt. Vermag Wanda Pratschke, die „Unbesiegte“ in ihrer eigenen Person, all diesen Opfern der Corona-Krise Mut und Selbstvertrauen zu vermitteln? Wir denken an das allen Selbstzweifel, Ohnmacht und Schmerz überwältigende musikalische Werk eines Ludwig van Beethoven – in seinem wuchtigen symphonischen Schaffen oder nicht minder eindrucksvoll in seinen späten subtilen wie dramatischen Klaviersonaten.

Ein Bogen spannt sich zwischen den jüngsten drei in Bronze gegossenen Großplastiken der Künstlerin: von der „Großen Liegenden“ des Jahres 2011 über die „Große Frau – ein Fels“ aus 2019 zur heutigen „Unbesiegten“. Verkörpert die Erstere in ihrer freien, offenen, leicht lasziven Haltung ein hohes Maß an weiblichem, freizügigem Selbstbewusstsein, so erhebt und verdichtet die „Große Frau – ein Fels“ diese Attitüde zu weiblicher Würde und Erhabenheit, zum Gestus einer Philosophin und weisen Herrscherin. Die „Unbesiegte“ scheint diese Entwicklung mit ihrem versammelten Korpus und dem stolz überlegenen, herausfordernd gen Himmel gerichteten Blick hin zu einer aus Kämpfen siegreich hervorgegangenen Titanin zu krönen. In der antiken Mythologie verlieren die Titanen allerdings am Ende den Kampf gegen die Götter.

Ist die „Unbesiegte“ nun das finale Werk einer künstlerischen wie persönlichen Entwicklung, das Opus magnum Wanda Pratschkes? Wir scheuen uns, angesichts der Kreativität und Vitalität der Künstlerin ein vorzeitiges Ja auf diese Frage zu geben.

„Große Frau – ein Fels“, Jubiläumsausstellung in Frankfurt am Main zum 80. Gebuertstag der Künstlerin im Frühjahr 2019

„Große Liegende“, Frühjahr 2011, in Frankfurt am Main; die Skulptur befindet sich heute im Garten der Dienstvilla des Hessischen Ministerpräsidenten, Wiesbaden

Bislang fördern die Hessische Kulturstiftung und die Frankfurter Stiftung maecenia für Frauen in Wissenschaft und Kunst das neue Werk Wanda Pratschkes. Die Frankfurter Goethe-Universität in Gestalt ihres für die künstlerische Ausgestaltung des Universitätsgeländes zuständigen Vizepräsidenten Professor Manfred Schubert-Zsilavecz und des Vorsitzenden der Freundesvereinigung der Hochschule, Professor Wilhelm Bender, haben die Absicht erklärt, die „Unbesiegte“ als „eine vorzügliche Ergänzung bereits vorhandener Kunstwerke“ auf dem Campus Westend aufzustellen. Der Bronzeguss erfordert einschließlich eines Künstlerhonorars finanzielle Mittel in Höhe von rund 60.000 Euro, die zur Zeit zu etwas mehr als einem Drittel gedeckt sind. Deshalb mögen sich weitere Freunde und Förderer der Künstlerin angesprochen fühlen, über die gemeinnützige maecenia Stiftung einen Beitrag zu leisten, dass das Werk heutigen wie künftigen Generationen von Studierenden auf dem Campus ein Wegweiser zu Einkehr und Selbstbestimmung werden kann.

Fotos: Erhard Metz; © VG Bild-Kunst, Bonn

→ www.maecenia-frankfurt.de

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