Discovery-Project 2017 des Hessischen Rundfunks in der Jahrhunderthalle
„UrSprung“ – Elektronik, Klassik, Klassik recomposed
Einmal im Jahr gibt es das aussergewöhnliche Konzert des hr-Sinfonieorchesters „Discovery Project“ für Jugendliche und Junggebliebene. Ein Muss für Musikliebhaber des Experiments am 27. und 28. Januar 2017 jeweils um 20 Uhr in der Höchster Jahrhunderthalle.
Impressionen beim Probenbesuch von Renate Feyerbacher
Lange dauerte diesmal die Probe in der Oberurseler Stadthalle. Es musste an Computern geschaltet werden, nicht sofort klappte alles. „Bolero recomposed“ steht auf dem Probenzettel. Es braucht einen Moment, bis Motive aus Maurice Ravels „Bolero“, der Neukomposition von Moritz von Oswald erkannt wurden. Er studierte an der Hamburger Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Orchesterschlagwerk, das er zunächst auch mit grossen Dirigenten und Orchestern ausübte. Dann wurde er Mitglied der „Formation Palais Schaumburg“ der Neuen Deutschen Welle.
Moritz von Oswald in der Probe
Der Elektroniker und Technoproduzent ist ein Mann der ersten Stunde in Sachen Elektronik. Ursprünglich, wie er erzählt, in Hamburg zuhause zog es ihn nach Berlin, wo er „Basic Chanel“ mit Mark Ernestus gründete. Die Labels haben in den USA Kultstatus. Den „Bolero“ hat er schon vor einigen Jahren neukomponiert. Gefragt, warum ihn Ravels Bolero interessierte, sagte er: „Ja, denn Ravels Bolero weist in seiner ästhetischen Verfahrensweise eine gewisse Verwandtschaft zum Techno auf. Der Bolero lässt sich als Loop fassen, also als eine Schleife, die sich um ihren rhythmischen Kern windet. Und wie Techno ist auch der Bolero eine Tanzmusik.“ (Interview DIE WELT vom 8. August 2011).
Dirigent José Luís Gómez und Pianist Francesco Tristano
Wirklich überraschend ist diese Musik, wie sie Motive von Ravel einbindet und weiterentwickelt. Mich hat es interessiert – und mir hat es auch gefallen. Für Moritz von Oswald gibt es keine E- und U-Musik. Das war früher eine heilige Kuh. „Musik ist Musik, ungeachtet ihres Stils“, so drückt es Francesco Tristano aus. Der luxemburgische Pianist, Komponist und Produzent, der andere Special Guest, kombiniert Klavier und Synthesizer mit den neuesten Produktionstools, auch mit der Musik von Johann Sebastian Bach und anderen Komponisten. In seiner Orchester-Komposition „Island Nation“ ist sein virtuoses pianistisches Können zu hören.
Dirigent José Luís Gómez (li.) und Ulrich Edelmann, 1. Konzertmeister des hr-Sinfonieorchesters
Und das hr-Sinfonieorchester: es probt Bachs Toccata und Fuge d-Moll, arrangiert für Orchester von Leopold Stokowski, ein berühmter britisch-amerikanischer Dirigent und Arrangeur klassischer Musik in meiner Jugendzeit. Faszination ruft auch Arthur Honeggers „Pacific 231“ hervor.
José Luís Gómez ist der Dirigent von „Discovery Project“. Er kennt sich aus damit, denn schon einmal hat er es geleitet. 2010 Gewinner des Georg-Solti-Preises , war Gómez Assistent bei Paavo Järvi. Heute ist er Chefdirigent beim Tucson Symphonie Orchestra. Er ist weltweit unterwegs, demnächst in China und Korea, wagt sich auch an Oper. Der Solti-Preis habe ihn voran gebracht, sagt er. Erst kurz vor der Probe kam er von einem Musik-Festival in Brasilien, den Jet-Lag noch spürend. Aber das merkt man seinem Dirigat nicht an. An Honeggers und den Bach-Stokowski-Werken wird länger gefeilt. Was dann zu hören ist, überwältigt. Was für ein Orchester, denke ich!
Music Discovery Project 2017 „UrSprung“: Konzerte am 27. und 28. Januar 2017, jeweils 20 Uhr in der Jahrhunderthalle Frankfurt-Höchst
Video-Livestream am 28. Januar 2017 auf www.hr-sinfonieorchester.de und www.you-fm.de
Ausstrahlung des Konzerts in hr2-kultur am 2. März 2017, 20.04 Uhr
Fotos: Renate Feyerbacher