Frankfurter Westend Galerie: „Specchio Italia“
50 Jahre – 50 Künstler
50 Artisti per 50 anni
Die Frankfurter Westend Galerie feiert ihren 50. Geburtstag
Von Erhard Metz
↑ Elio Mariucci, Lux Veritas, 2016, Acryl auf Leinwand, 50 x 50 cm
↓ Paolo Radi, Specchio Italia, 2016, Spiegel-Perspex und Acryl, 50 x 50 cm
Italo Bressan, Diafana appare in misteriose luci, 2016, Mischtechnik auf Leinwand, 30 x 30 cm
In New York soll es an die 5000 Kunstgalerien geben, in Berlin etwa 400, in Frankfurt am Main sind es derzeit rund 50. Wie viele Galerien braucht eine Stadt wie Frankfurt? Schwer zu sagen, eigentlich könnten es nie genug sein. Anders gefragt: Gibt es unter ihnen eine, auf die wir niemals verzichten möchten? Ein klares ja: die 1966 von ihrem auch heutigen Leiter Salvatore A. Sanna mitgegründete Frankfurter Westend-Galerie.
Mit ihrem zentralen Anliegen, der Vermittlung italienischer moderner und zeitgenössischer Kunst in Deutschland, und mit ihrem unverwechselbaren Profil kommt ihr in der expandierenden Mainmetropole wie auch in der erweiterten Rhein-Main-Region seit jeher eine Alleinstellung zu. Die Auflistung der in fünf Jahrzehnten dort ausstellenden Künstlerinnen und Künstler liest sich wie ein Who is who international bedeutender italienischer Kunstschaffender, wobei die Galerie auch neueren Positionen einer jüngeren Künstlergeneration ihre Aufmerksamkeit widmet und dabei in manchem eine Schrittmacherrolle einnimmt.
Es ist nicht allein dieses profunde und einzigartige, jährlich mehr als ein halbes Dutzend Ausstellungen umfassende Angebot unterschiedlichster künstlerischer Positionen, das an Samstag Vormittagen ein anspruchsvolles Publikum den Weg in die Arndtstraße zu den Vernissagen finden läßt, es ist auch dessen besonderer, von italienischem „spirito“, von „luce“ und „colore“ durchdrungener Geist, zu dem sich die alte deutsche Italien-Sehnsucht gesellt, wie sie in den Grand Tours des Künstler- und Bildungsbürgertums seit der Renaissance und über die Romantik hinweg ihren Ausdruck fand – denken wir nur an die berühmten „italienischen Reisen“ von Vater und Sohn Goethe – und die bis heute anhält.
Hinzu kommt der Genius loci dieser kleinen, feinen Stadtvilla im Frankfurter Westend, in der neben der Galerie auch die ebenfalls 1966 gegründete Deutsch-Italienische Vereinigung e.V. beheimatet ist, bekannt durch ihre kunst- und kulturwissenschaftlichen, literarischen und musikalischen Veranstaltungen. Ein stets frischer Blumenstrauß empfängt die Gäste der Vernissagen, über das gediegene Treppenhaus mit seinen Holzstiegen gelangen sie in die drei großen, miteinander verbundenen lichtdurchfluteten Ausstellungsräume, ein Sofa im romantischen Wintergarten lädt zu einem kleinen Innehalten und Verweilen ein.
In diesen zugleich Inspiration beflügelnden wie zu Kontemplation einladenden Räumlichkeiten, abseits aller großstädtischen Hektik, finden sich Kunstwerke und Ausstellungsort zu einem harmonischen Ganzen zusammen, gerät das Betrachten der stets erlesenen, mit kuratorischer Sorgfalt ausgewählten Exponate immer wieder zu einem besonderen Erlebnis.
↑ Federico Palerma, Siria, 2012, Öl auf Leinwand, 30 x 35 cm
↓ Gianni Pellegrini, Specchi, 2016, Mischtechnik auf Leinwand, 30 x 40 cm
Mit „Specchio Italia“ wolle die Galerie, wie Barbara Thurau erläutert, einen Überblick über die Entwicklungen der Galerie-Künstlerinnen und -Künstler geben mit jeweils einem möglichst aktuellen Werk. Der Dialog zwischen Deutschland und Italien sei die Kernaufgabe der Deutsch-Italienischen Vereinigung und auch der Frankfurter Westend Galerie mit ihren Schwerpunkten „Italienische Kunst“ und „Deutsche Künstler und Italien“. In jeder einzelnen ihrer bislang rund 250 Ausstellungen sei die Galerie diesen Themen treu geblieben. Entsprechend stehe auch bei dieser Ausstellung der Dialogcharakter im Vordergrund: italienische Bilder, Italienbilder, Spiegelbilder Italiens aus italienischer und deutscher Sicht. Dabei gebe es zahlreiche Bezüge der Künstler und ihrer Werke untereinander, viele Parallelen wie auch mannigfache Kontraste.
Zu den Sujets zählten Landschaften wie etwa „Viaggio in Italia“ von Carlo Pizzichini, “Italienische Impression” von Susanne Ludwig, ein geheimnisvoller Wald von Marina Falco, eine poetische Himmelslandschaft von Alessandro Savelli oder das Bild „Val di Chiana“ von Hermann Albert.
Ein weiterer thematischer Schwerpunkt sei, so Barbara Thurau, der Bereich Kultur / Tradition mit Werken beispielsweise von Giovanni Cerri (eine Hommage an den Renaissance-Künstler Giovanni Bellini), Jörg Eberhard (mit „Italia-Germania“), mit „La bellezza e il tempo“ von Alessandra Chiappini oder mit “Isola felice“ von Giuliana Fresco.
Unter dem Themenkreis Abstraktionen / Visionen versammelten sich Arbeiten beispielweise von Manlio Onorato und Sandro Vadim, Vertretern einer ungegenständlichen, nicht-bildhaften Malerei, auch pittura aniconica genannt. Farbe und Licht, der Entstehungsprozess des Werkes selbst stünden im Zentrum. Natur und Landschaft würden nicht dargestellt, spiegelten sich jedoch wider. Beispiele der abstrakten Kunst fänden sich weiter bei den „Altmeistern“ Enrico Della Torre, Carlo Nangeroni und Giancarlo Cerri mit abstrakten, eher geometrischen Kompositionen.
Weitere Schwerpunkte der Jubiläumsausstellung seien schliesslich die Bereiche Informelle Werke, „Zeitdokumente und Denkanstösse“ sowie „Symbolik“.
↑ Joachim Czichon, Coelin davor, 2015, Mischtechnik / Collage auf Leinwand, 30 x 40 cm
↓ Mario Raciti, Una o due figure, 2016, Mischtechnik auf Leinwand, 50 x 35 cm
Graziano Marini, Senza titolo, 2016, Mischtechnik auf Lafranca-Papier, 66,5 x 53 cm
Formal der gleichzeitigen Hängung von 50 Werken in den Galerieräumen geschuldet, findet der Betrachter und interessierte Käufer überwiegend klein- und mittelformatige Arbeiten, die sich leicht in einem Wohnambiente unterbringen lassen und mit einem auch weniger opulenten Budget erworben werden können – eine wahre Fundgrube für Liebhaber einer aktuellen Malerei mit Italienbezug!
↑ Alessandra Chiappini, La bellezza e il tempo, 2016, Mischtechnik auf Leinwand, 50 x 50 cm
↓ Giuliana Fresco, Isola felice, 2015, Öl, Pastell und Wachs auf Leinwand, 50 x 50 cm
Weitere teilnehmende Künstlerinnen und Künstler der Jubiläumsausstellung, hier ohne Werkabbildungen, jedoch mit Verlinkung auf früher erschienene Beiträge:
Hermann Albert, Anna Clara Beltrami, Enrico Bertelli, Andrea Brera, Marco Brianza, Paolo Buggiani, Tommaso Cascella, Marco Casentini, Roberto Casiraghi, Giovanni Cerri, Giancarlo Cerri, Raffaele Cioffi, Sonia Costantini, Enrico Della Torre, Isabella Dovera, Jörg Eberhard, Marina Falco, Emanuela Fiorelli, Leonardo Fretta, Alessandro Gamba, Paolo Iacchetti, Arthur Kostner, Petra Lemmerz, Susanne Ludwig, Liliana Malta, Gino Meoni, Albano Morandi, Carlo Nangeroni, Ester Maria Negretti, Edith Oellers, Manlio Onorato, Carlo Pizzichini, Franco Ruaro, Alessandro Savelli, Michele Sciam, Alessandro Spadari, Sandro Vadim, Fabio Valenti, Deva Wolfram und Dario Zaffaroni.
Die Jubiläumsausstellung „Specchio Italia“ wurde in Anwesenheit des Italienischen Generalkonsuls in Frankfurt am Main und Schirmherrn der Jubiläumsschau, Maurizio Canfora, eröffnet. Zur Feier des 50-jährigen Bestehens der Deutsch-Italienischen Vereinigung, Trägerin der Galerie, findet am 18. Oktober 2016 auf Einladung des Magistrats der Stadt in Anwesenheit von Oberbürgermeister Peter Feldmann ein Festakt im Kaisersaal des Frankfurter Römers statt.
Der Katalog zur Ausstellung enthält Abbildungen aller 50 Exponate sowie die Lebensläufe der teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler.
Die Ausstellung in der Frankfurter Westend Galerie läuft bis zum 28. Oktober 2016
Abgebildete Werke © jeweilige Künstlerinnen und Künstler; Fotos: Erhard Metz