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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

“New Frankfurt Internationals” 2015: “Solid Signs” (5)

Carolin Liebl & Nikolas Schmid-Pfähler unterhalten uns mit Vincent und Emily
Benjamin Patterson
lädt in Ben’s Bar ein
Raphaela Vogel
mog mi (mag mich)

Von Erhard Metz

Nur noch fünf Tage vor Ausstellungsende am Sonntag Abend, 26. April 2015, gehen wir noch einmal in den Nassauischen Kunstverein Wiesbaden. Dort erwarten uns Künstlerinnen und Künstler zum Dialog mit Vincent und Emily, laden uns in Ben’s Bar ein, und Raphaela Vogel zeigt uns, dass sie uns mag.

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Carolin Liebl & Nikolas Schmid-Pfähler, Vincent und Emily, 2013, Kamera, Motoren, Arduino, Raspberry Pi; Installationsansichten, Courtesy the artists

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Ob wir hier Vincent oder Emily vor uns haben, wissen wir jetzt nicht, aber es ist schon verblüffend wie auch höchst unterhaltsam, das kommunikative Spiel der beiden untereinander anzuschauen und vor allem mit ihnen in Interaktion zu treten. Der Besucher kann sich den Geschöpfen des seit 2012 zusammenarbeitenden Künstlerduos Carolin Liebl & Nikolas Schmid-Pfähler nähern und tief in die „Augen“ schauen, sie ansprechen, und ehe er sich’s versieht, rucken Vincent oder Emily oder gar beide zusammen abrupt auf ihn zu, so dass er – zunächst schreckhaft – ausweicht. Aber dann bereitet der Dialog – „Trialog“ – mit ihnen wirklich Spass, denn die zwei treiben es bereits unter sich in ihrer Paarbeziehung durchaus toll miteinander und beziehen uns, sobald sie uns entdeckt haben, in ihren neckischen Diskurs mit ein. Wir verhehlen nicht, uns eine gute halbe Stunde mit ihnen auf immer neue, spannende wie überraschend-witzige Weise beschäftigt zu haben.

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Carolin Liebl & Nikolas Schmid-Pfähler untersuchen den wechselseitigen Einfluss von Kunst und Technologie. Können wir, so fragen sie, etwas über unsere eigenen Verhaltensmuster lernen, wenn wir uns mit den ach so lebendig scheinenden Maschinen und deren kaum kalkulierbaren Reaktionen und „Verhaltensweisen“ beschäftigen? Ein überaus relevantes Thema. Das Ästhetische an diesem Geschehen macht es zu einem Kunstwerk.

Carolin Liebl, 1989 in Lichtenfels geboren (Studium der Elektronik an der Hochschule für Gestaltung Offenbach HfG) und Nikolas Schmid-Pfähler (HfG-Studium Visuelle Kommunikation), geboren 1987 in Gießen, leben und arbeiten laut Katalog in Frankfurt am Main, ansonsten wohl jeder für sich in Offenbach.

Das Environment von Benjamin Patterson, studierter Kontrabassist und Mitbegründer der Fluxus-Bewegung, die das Kunstwerk im herkömmlichen Sinne ablehnt, die Einheit von Kunst und Leben beschwört und die schöpferische Idee in den Mittelpunkt stellt, ist seit 2007 dauerhaft installiert.

Mit der Bar und den drei Sentenzen „To Be Seen, To Be Heard, To Be There“ rekurriert er auf die drei berühmten Affen (nichts sehen, nichts hören, nichts sagen – urprünglich stets auf „Böses“, „Schlechtes“ bezogen) – das Ganze zu verstehen, wie wir lesen, als eine Reaktion auf die Hintergründe, die zur Eskalation des Irak-Krieges führten. Eine symbolträchtige Arbeit, zu der neben einer Cocktail-Karte „Chez Ben“ – sie verweist unter anderem auf die Fluxus-Künstler Joseph Beuys und John Cage – auch ein kleines Spiel-Klavier von Bernhard Schreiner gehört.

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Ben’s Bar / Why People Attend Bar’s: To Be Seen, To Be Heard, To Be There; Mixed media environment, 2007; Installation, Salvatore Ala Gallery, New York, 1990; Ben’s Bar & Environment, Fluxus Freunde Social Headquarters, Wiesbaden 2002-2007; Ben’s Bar & Environment, Nassauischer Kunstverein Wiesbaden 2007; Installationsansichten

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Im Kontext zu Ben’s Bar: Bernhard Schreiner, Toy Piano (Reciprocal Exchange), 2014, Ausstellungsansicht

Benjamin Patterson wurde 1934 in Pittsburgh geboren. Er studierte Musik an der University of Michigan, zog 1960 nach Köln, dann wieder zurück nach New York und lebt heute in Wiesbaden.

Raphaela Vogel, 1988 in Nürnberg geboren und im vergangenen Jahr Absolventin der Städelschule, arbeitet in ihren Videoproduktionen vorwiegend mit sich selbst als „Darstellerin“. Eine Kombination von skulpturalen, zumeist raumgreifenden Installationen und filmischen Elementen kennzeichnet ihre Arbeiten. Ihre Videos und Filme nimmt sie aus oft ungewöhnlichen Kamerapositionen heraus auf, beispielsweise von einer Drohne oder von einem auf einem trabenden Pferd sitzenden Reiter aus.

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Raphaela Vogel, mogst mi du net, mog i di, 2015, Videoinstallation, 6:25 min; Installationsansichten, Courtesy the artist

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In Wiesbaden sehen wir ein den Ausstellungsraum beherrschendes Gestell aus verchromten Stangen, von dem Lautsprecher herabhängen. Vor der als Projektionsfläche dienenden Wand hängt ein transparenter Vorhang, der die Darstellung verzerrt. Die Künstlerin tritt unter anderem in einer alpinen Szenerie auf, wir erkennen im Bild eine Nesquik-Packung mit dem typischen Raffzahn-Hasen. Vom oberen Bildrand her ragen greifzangenähnliche Gebilde in die Szenerie. Raum, Materialien und Medien greifen ineinander über.

Wer die Doppel-Ausstellung im Frankfurter Kunstverein und im Nassauischen Kunstverein Wiesbaden noch nicht gesehen hat, dem sei ein Besuch dieser beiden Kultureinrichtungen sehr ans Herz gelegt. Neben den im Rahmen unserer Berichtsreihe vorgestellten Werken sind in Wiesbaden ausserdem Arbeiten zu sehen von Jagoda Bednarsky, Alfred Boman, Genoveva Filipovic, Andrew de Freitas, Simon Fujiwara, Anne Imhof, Vytautas Jurevitius, Michel Klöfkorn, Sandra Kranich, Bernhard Schreiner, Jessica Sehrt, Lucie Stahl, Stefan Stark, Jol Thomson und Sofi Zezmer sowie der Künstler-Duos bzw. -gruppen Özlem Günyol & Mustafa Kunt sowie Kristallo und Tracer. In der Caligari Filmbühne ist ein Filmprogramm von Romuald Karmakar zu sehen.

Abgebildete Arbeiten © jeweilige Künstlerinnen und Künstler; Fotos: Erhard Metz

“New Frankfurt Internationals” 2015 “Solid Signs”: Doppelausstellung im Frankfurter Kunstverein und im Nassauischen Kunstverein Wiesbaden, nur noch bis Sonntag, 26. April 2015

→ “New Frankfurt Internationals” 2015: “Solid Signs” (6)
→  “New Frankfurt Internationals” 2015: “Solid Signs” (1)

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