Günter Grass (†) reloaded
2015, April 14.Der Tod von Günter Grass löste Erinnerungen an ein Gespräch im Jahre 1999 aus, das
Petra Kammann
damalige Chefredakteurin des BuchJournal, mit dem streitbaren Schriftsteller und Bildhauer, Citoyen und Geschmähten in Lübeck führte. Anlass war ursprünglich das gerade im Steidl Verlag publizierte Buch »Mein Jahrhundert«. Dann aber hatte gerade kurz darauf Günter Grass auch noch den Nobelpreis zuerkannt bekommen.
Petra Kammann: Günter Grass auf allen Kanälen. Keine Tageszeitung hat die Berichterstattung ausgelassen. Und Sie sind der am besten dokumentierte deutsche Nachkriegsschriftsteller. Wie ist es, wenn man nach zwanzig Jahren den Nobelpreis endlich bekommt? Fühlen Sie sich mehr von ausländischen Kollegen verstanden und akzeptiert? Oder sehen Sie, dass die deutsche Literaturkritik, die Sie vor allem nach Ihrem letzten Roman so schlecht behandelt hat, nun eingelenkt hat?
Günter Grass: Das ist eine komplexe Frage. Ich habe ein unermessliches, noch gar nicht überschaubares Echo bekommen. Und es hört auch noch gar nicht auf. Gerade habe ich ein Telegramm von Gabriel García Marquez bekommen, das in etwa sinngemäß so lautet: Er umarme mich. Er aber habe mir etwas voraus, dass er nämlich wisse, was auf mich zukommt. Und er bedaure das. Damit hat er auf die mit dem Nobelpreis zusammenhängende Last angespielt. Ich glaube nicht, dass das so übermäßig sein wird. Wenn man mir das vor etwa 20 Jahren gesagt hätte, ich wäre in der engeren Wahl, wäre das sicher eine Last für mich gewesen. Damals noch mitten im Werk, da war noch vieles angedacht und unausgeführt. Da hätte man mich als den Nobelpreisträger abgestempelt und hätte von Buch zu Buch hohe Erwartungen gehabt. Die habe ich selbst seit Erscheinen der »Blechtrommel« ohnehin gehabt. Das hätte sich wieder verstärkt. In meinem Alter, jenseits der siebzig, kann ich mich ganz ungeteilt darüber freuen. Was den zweiten Teil Ihrer Frage betrifft, da gibt es natürlich einige Stimmen, die führen sich ziemlich auf. Und diese Stimmen kommen vorzugsweise aus der Springer-Presse. Sie verschweigen dem Publikum ihrer Zeitung den ganzen Inhalt der Begründung. Die ist nämlich sehr weitläufig ausgefallen. Weiterlesen