Steinbildhauerin Anna Kubach-Wilmsen auf dem Campus Riedberg der Frankfurter Goethe-Universität (4)
Die Stelenallee heisst „STEINFUGE“
Über den Werdegang eines Kunstwerks
und:
Die Eröffnungsfeier wirft ihren Schatten voraus
Von Erhard Metz
Unser letzter Bericht über den Werdegang eines Land Art-Kunstwerks – der Stelenallee der Steinbildhauerin Anna Kubach-Wilmsen vor dem „Wissenschaftsgarten“ auf dem Campus Riedberg – datiert von Anfang Dezember 2014. Das winterliche Schmuddelwetter auf der zugigen Anhöhe versetzte das Werk zwar keineswegs in Vergessenheit, aber doch in einen kleinen „Winterschlaf“, aus dem es das frische Frühlingsgrün nun längst erweckt hat.
Doch auch im Dezember war zunächst noch einiges an Arbeit angesagt: Die Stelen wurden mit Hochdruck abgestrahlt …
… und anschliessend kam noch einmal schweres Gerät zum Einsatz, denn das Bodenniveau um die Mitte der Stelenreihe herum musste korrigiert und etwas abgesenkt werden.
Bevor es dann endgültig frostig wurde, kam es zum Feinschliff der Stelenköpfe, der den ganzen Facettenreichtum des Granits und seiner Einschlüsse erst richtig zum Vorschein brachte.
„Für die meisten Steinbildhauer gibt es keine Schleifphase“ sagte uns die Künstlerin Anna Kubach-Wilmsen. „Für mich ist es die Möglichkeit, mich dem Stein zu nähern, sein Bild unter dem Gebrochensein zu entdecken, die Haut und den Glanz seines Widerstandes zu erleben. Ja, und dann ist da noch der Tastsinn. Mit der Diamant-Trennscheibe, Hammer und Meissel habe ich die Köpfe der Stelen aus der gebrochenen Oberfläche gestaltet und dann mit Schleifköpfen – 16-Korn, 32-Korn und 60-Korn, die Kornzahl zählt die Schleifkörner auf einem cm im Quadrat – geschliffen. Mit 60-Korn ist die Gestaltfindung des Steins abgeschlossen. Und mein Mitarbeiter kann die Nass-Schleifphasen ohne Veränderung der Form übernehmen. Die Oberfläche wird über die Nass-Schleifphasen von 120-Korn, 280-Korn und 400-Korn gespannt, vergleichbar der Saite einer Geige. Die gespannte Saite der Geige erzeugt den Ton und die gespannte Steinoberfläche sein inneres ‚Gesicht‘.“
„Am Ende wird auch das Spiel mit der Witterung in der Skulptur reflektiert“, schwärmt Carsten Siebert, Kunstkurator der Goethe-Universität, über das Werk, „weil auf den unterschiedlich tiefen konkaven Oberflächen Wind und Wasser Einfluss nehmen. Die obere Linie der Installation bildet eine Horizontale. Das hügelige Gelände wird durch die Länge der Stelen ausgeglichen. Für Frau Kubach-Wilmsen ist immer auch die Geschichte eines Steins interessant. So greift die Künstlerin die Geschichte der Stelen auf und fügt ihnen eine neue Historie hinzu. Sie werden dauerhaft an diesem Ort verbleiben und ihre wechselvolle Geschichte wird zu einem guten Ende gebracht.“
Der Granit der Säulen stammt, wie das Institut für Geowissenschaften der Universität feststellte, aus dem Odenwald. Es handele sich um einen Hornblende-Granodiorit aus dem Weschnitz-Pluton. Die Steine sähen zwar zum Teil etwas unterschiedlich aus, seien aber Varietäten desselben Granodiorites. Im Wesentlichen hänge dies davon ab, ob die Steine aus dem zentralen oder mehr randlichen Bereich des erstarrten Plutons stammen. Das Intrusionsalter liege bei rund 340 Millionen Jahren und falle in die Zeit des Unterkarbons, so das Institut.
Und die Künstlerin gab ihrem Werk einen Namen: STEINFUGE.
Nach dem Feinschliff offenbaren die konkav geschliffenen Stelenköpfe bei strahlendem Himmelsblau bemerkenswerte Eigenschaften und spiegeln das Blau wider …
… und auch die konvexen „Köpfe“ entfalten ein erstaunliches „Eigenleben“.
„Es sind lauter kleine freie Wesen“, sagt Anna Kubach-Wilmsen. O ja, glücklich schätze sich, wem gegeben ist, in den Steinen zu lesen!
Die STEINFUGE im Frühlingsgrün – bald wird sich auch das Erdreich begrünt haben.
Grosse Ereignisse werfen nun ihren Schatten voraus:
Am Sonntag, 17. Mai 2015 wird das Land Art-Projekt am „Wissenschaftsgarten“ der Universität mit einem „Primavera-Fest“ offiziell eröffnet – zusammen mit einer Skulpturenausstellung der Künstlerin mit steinernen Büchern.
Das grösste Buchobjekt, es wiegt fast an die sechs Tonnen, wurde unlängst – bei stürmischem Wind und Regen – mit einem Riesen-Autokran vor dem Otto-Stern-Zentrum platziert.
Buch-Skulpturen auch im Wissenschaftsgarten der Universität
Sie trotzten Regen, Wind und Kälte und freuen sich aufs Primavera-Fest: Steinbildhauerin Anna Kubach-Wilmsen und Kurator Carsten Siebert am 27. April 2015 während der Aufstellung der Stein-Buch-Skulpturen
Fotos: Erhard Metz
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