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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Architektur, Kunst, Wein, Natur und Genuss: Das Château La Coste

Organisch gewachsen: Kunst-Genuss inmitten der Weinberge

Von Petra Kammann

Im Château La Coste im Aixer Umland treffen Kunst, Design, Architektur und beste Weine aufeinander. Da überrascht der halbkreisförmige, 2008 von Jean Nouvel erbaute, silbrig schimmernde Weinkeller aus Aluminium durch seine futuristisch anmutende Form, da schuf auch der weltbekannte japanische Architekt Tadao Ando eine supermoderne Galerie, die wie ein ZEN-Tempel auf einem Weiher ruht, während der italienische Architekt Renzo Piano in die ansteigenden Weinberge dort einen lichtdurchfluteten „Pavillon“ für Wechselausstellungen hineinbaute. Das Château La Coste beherbergt außerdem einen eindrucksvollen Skulpturenpark, in dem mehr als 40 renommierte Künstler aus der ganzen Welt ihre Ideen parallel zur Natur realisierten. In gut zwei Stunden lang kann man sich diesen Parcours erwandern und dabei in verschiedenen Lokalitäten die Weine aus biodynamischem Anbau verkosten.

Eingangsbereich zum Besucherzentrum von Château La Coste, Foto: Petra Kammann

Für das Château La Coste, das kein Schloss im eigentlichen Sinne ist, sollte man also etwas Zeit und Muße mitbringen, um die glückliche Verbindung aus Kunst, Architektur und Natur nachhaltig auf sich wirken zu lassen. Hier, ganz in der Nähe des Luberon-Nationalparks, hat Paddy McKillen, ein steinreicher irischer Hotelier und Freund des U2-Sängers Bono, einen Traum verwirklicht, den er gerne mit den Besuchern, denen die Schönheit der Natur und der Künste am Herzen liegt, teilt. Allein die Fahrt in das seit 2004 immer weiter ausgebaute Weingut nördlich von Aix-en-Provence trägt schon zur Entschleunigung des hektischen städtischen Alltags bei. Immer wieder fallen einem dabei die Verse des französischen Dichter Charles Baudelaire der „Fleurs du Mal“ ein:

Natur, Kunst und Architektur entsprechen einander, Foto: Petra Kammann

Correspondances

La Nature est un temple où de vivants piliers
Laissent parfois sortir de confuses paroles;
L’homme y passe à travers des forêts de symboles
Qui l’observent avec des regards familiers…„/

Entsprechungen 

Die Natur ist ein Tempel: durch Säulen voller Leben
Zuweilen wirre Worte sich ergehn;
Der Mensch durchschreitet Wälder von Symbolen,
Die, ihn betrachtend, mit vertrautem Blick begegnen…

Ja, Entsprechungen findet man hier allerorten.

Garageneinfahrt links unten und Rückseite des Eingangsgebäudes mit dem Calder-Mobile, Foto: Petra Kammann

Von Aix aus ist die Autofahrt in Richtung Le Puy-Sainte-Réparade durch die hügelig-provenzalische Landschaft ebenso entspannend wie das Ankommen. Der paradiesische Ort ist aber auch in der doppelten Zeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Ungewöhnlich: kein übervoller Parkplatz ist weit und breit zu sehen. Denn mit dem Auto gelangt man unmittelbar unter das V-fömig angelegte Haupteingangsgebäude von Tadao Ando in ein offenes Parkhaus und kann auf einer Art Rampe bequem zu Fuß hinaufsteigen zu seinem ersten atemberaubenden Blick.

Nichts an diesem herrlichen Fleckchen Erde stört die Aussicht auf die Landschaft aus Rebstöcken, Olivenhainen und Wäldern. Und wie eine zeitgenössische Einlassung liegt ganz selbstverständlich das Besucherzentrum, ein puristisch-eleganter Pavillon aus Glas und Beton von Tadao Ando, hinter einem Frische spendenden Wasserbassin, auf dem nur eine riesige metallene „Spinne“ herumspaziert: „Crouching Spider 6695“, eine berühmte Skulptur von Louise Bourgeois aus dem Jahre 2003.

Vorwitzig blitzt ein paar Meter tiefer nur noch ein silbrig schimmernd gewölbtes Dach hervor: der Halbzylinder einer „Cave“, einer Weinkellerei von Jean Nouvel aus dem Jahre 2008. Auch diese Architektur wirkt wie eine in situ-Installation.

Café am Weiher mit Blick auf die Skulptur von Sugimoto, Foto: Petra Kammann

Im Innenhof des Eingangsgebäudes befindet sich auch ein von Ando geschmackvoll und schlicht eingerichtetes Café & Restaurant mit Terrasse, in dem man sich kurz erfrischen kann, bevor man sich auf den Weg durch das riesengroße Gelände macht. Im danebenliegenden weiteren Wasserbecken scheint sich die mathematisch inspirierte Arbeit des japanischen Künstlers Hiroshi Sugimoto aus dem Jahr 2010 vom Kreis aus spitz in die Lüfte zu erheben: „Mathematical Model 012 Surface of Revolution with constant negative Curvateure“, während auf der Rückseite des Gebäudes die farbigen Arme des Mobiles von Alexander Calder namens „Small Crinkly“ (1976) in der leichten Brise zu tänzeln scheinen, während sich die Wasseroberfläche des weiteren Bassins kräuselt.

Zypressen, Wälder, Weinreben, Lavendel und Olivenbäume prägen die hügelige Landschaft, Foto: Petra Kammann

Überall spürt man, dass Architektur und die Kunstwerke eine gelungene Symbiose eingehen oder Korrespondenzen zur Umgebung schaffen. Wer etwas von der Atmosphäre mit nach Hause nehmen möchte, der kann im Museums-Shop nebendran außerdem hübsche Gadgets, einen Sonnenhut, Kinderbücher über moderne Kunst und Bücher über die ausstellenden Künstler finden, um sein Wissen darüber zu vertiefen.

Bei einem Spaziergang quer durch das Weingut trifft man immer wieder auf Kunst, welche die sie umgebende Landschaft miteinbezieht. Da empfiehlt sich natürlich eine entsprechende Führung (auf Französisch oder Englisch), die man im Besucherzentrum buchen kann. „Man sieht nur, was man weiß und man schmeckt nur, was man kennt„. So könnte man den alten Dumont-Reiseführer-Werbespruch erweitern. Denn neben der wunderschönen Landschaft mit den strukturierten Wegen entlang der parallel gepflanzten Rebstöcke, die zum Beispiel den Roséweine Couteaux d’Aix hervorbringen, beherbergt das Château La Coste einen Skulpturengarten der Extraklasse mit Werken von international so renommierten Künstlern wie Sophie Calle, Yoko Ono, Ai Weiwei, Bob Dylan, Tatsuo MiyajimaFranz West, Tom Shannon, Sean Scully, Louise Bourgeois, Alexander Calder, Richard Serra, Richard Long  undundund…

Im Sommer finden in Gehrys Musikpavillon Open Air-Konzerte statt, Foto: Petra Kammann

Bergauf bergab geht es durch die hügelige Landschaft, vorbei am Frank O. Gehrys dekonstruktivistischen „Musikpavillon“. Der wurde 2008 ursprünglich für die Londoner Serpentine Gallery entworfen. Da im Sommer häufig auf dem Gelände auch open-Air-Konzerte stattfinden, sitzt man darin ganz geschützt und kann in freier Natur den Klängen der Musik oder dem Zirpen der Grillen lauschen. Zweifellos ein besonderes Klang- und Musikerlebnis.

Tom Shannon legte mit „Drop“ (Tropfen) eine glänzende, bewegliche Skulptur mitten hinein in den Weinberg. Foto: Petra Kammann

Vorbei geht es auch an Tom Shannons polierter und blinkender Edelstahl-Skulptur mit vier Metern Durchmesser aus dem Jahre 2009. Sie trägt den beziehungsreichen Namen „Tropfen“. Dieses gewölbte Rund spiegelt die sich ständig verändernde Natur wider und strahlt eine große Unbeschwertheit und Leichtigkeit aus. Oszillierend und geheimnisvoll wirkt die kreisrunde organische Skulptur, sobald man sie in Schwingung bringt. Sie ruht nämlich auf einem unsichtbaren Fuß und lässt sich vom Betrachter aus der Achse drehen.

„Mater Earth“ der französischen Künstlerin Prune Nourry, eingebettet in die Landschaft, Foto: Petra Kammann

Etwas weiter unterhalb des Olivenhains liegt „Mutter Erde“ in Form einer schwangeren Frau kurz vor der Geburt die mit ausgebreiteten Beinen da, verankert in der Erde, eingebettet in die Landschaft, und als  Skulptur begehbar. Der Anblick wirkt ähnlich stark wie ein Schöpfungsmythos, der von der Entstehung des Lebens erzählt. Die französische Künstlerin Pune Nourry lässt lediglich die Gliedmaßen der Gebärenden sinnlich aus dem Boden herausragen und gibt so den Betrachtern Raum für eigene Assoziationen.

Einfachheit und Minimalismus beherrschen auch Tadao Andos vier Kuben aus Holz (2008-2011), Foto: Petra Kammann 

Neben den zahlreichen Skulpturen trifft man auch immer wieder aufs Neue überraschende und auf den ersten Blick zurückhaltende Gebäude wie zum Beispiel auf den holzverschalten fensterlosen Kubus des japanischen Architekten Tadao Ando mit nur wenigen Sichtschlitzen. Er beherbergt ein vielsagendes Kunstwerk des japanischen Künstlerarchitekten selbst. Man betritt das Innere dieses tempelartigen Hauses im Dunkel, was Stille erzeugt. So fühlt man sich in eine Art Meditationsraum hineinversetzt.

Je weiter man ins Innere vordringt, desto intensiver erlebt man vier minimalistische, von innen beleuchtete Kuben, die uns Auskunft über die CO2-Verschmutzung und Erderwärmung geben, über den schleichenden Verlust des so lebensnotwendigen Wassers und über die zunehmende Vermüllung unserer Umwelt, in der wir leben. Einen der vier Würfel nennt Ando „ZERO“. Ihn hat der japanische Meister nämlich „unbeschrieben“ gelassen. Angesichts der ständig wachsenden Bevölkerungsdichte soll uns der Blick auf diese Leerstelle zum Nachdenken über die Zukunft anregen: „Four Cubes to contemplate our environment“ hat Ando seine puristische Installation sinnigerweise genannt.

Längs des Wegs aus Beton gelangt man in die von Renzo Piano gebaute Ausstellungshalle, Foto: Petra Kammann

Nun hat auch der italienische Architekt Renzo Piano, den meisten als Erbauer des „Centre Pompidou“ in Paris bekannt, einen Pavillon in das Gelände des kunstsinnigen Winzers Paddy McKillen förmlich in den Berg hineingebaut. Dabei ist der eigentliche Ausstellungsraum sechs Meter tief in den Weinberg eingegraben. Nur das weiße Segeldach ist von Weitem wahrnehmbar. Wie zwei geöffnete Arme strecken sich die stützenden Wände aus unbehandeltem Beton seitlich des Geländes den Besuchern gewissermaßen als Empfangsgeste entgegen, bevor man die 160 Quadratmeter große Galerie im Inneren betritt, in der Wechselausstellungen mit zeitgenössischer Kunst stattfinden. Renzo Piano Building Workshop hat damit einen Pavillon gestaltet, in dem man sowohl den kostbaren Wein lagern als solche Kunstausstellungen realisieren kann.

Der lichtdurchflutete Pavillon bietet sich für Wechselausstellungen zeitgenössischer Kunst an, Foto: Petra Kammann

Den hinteren Abschluss des Baus bildet eine Outdoor-Ausstellungsfläche, abermals mit einem Wasserbassin. Dessen spiegelglatte Oberfläche reflektiert das Zusammenspiel der Segel, über der grazilen Tragekonstruktion und den unbehandelten Betonwänden.

Neben all der Kunst gibt es auf dem weitläufigen Gelände auch bemerkenswert guten Wein zu verkosten und zu kaufen wie etwa den frischen Roséweine Couteaux d’Aix, dies jedoch or allem in den historischen Gebäuden von 1682, einer auf den heutigen Stand augebauten Bastide aus dem siebzehnten Jahrhundert, und das mit frischen modernen Akzenten.

Mit Flaschenböden wurde die Probier-Theke designed, Foto: Petra Kammann 

Zum Ausklang gibt es, für jeden, der möchte, noch eine Weinprobe. Im Bistro wiederum kann man sich wie auf einem Marktplatz im Kontrast zu dem ultramodernen Restaurant mit frischen Produkten und Salaten verwöhnen lassen – vieles kommt aus dem eigenen Garten des so fruchtbaren Geländes.

Auf der „Terrasse“ in Nähe der historischen Bastide kann man provenzalische Köstlichkeiten probieren, Foto: Petra Kammann

Wer den kostspieligen Luxus liebt und wem es nichts ausmacht, dafür tief in die Tasche zu greifen, dem sei ein Aufenthalt in der Villa La Coste Hotel & SPA mit Swimming Pool und eigenem Parkplatz empfohlen. Die luxuriöse Villa bietet ein trendiges Umfeld, viel Diskretion und dazu etliche Annehmlichkeiten, die den Aufenthalt inmitten des Weinbergs noch angenehmer gestalten. Wenn man aber bei einer Erkundung des Geländes Besuch zwischendurch Hunger bekommt, dann empfiehlt sich eher der Besuch des mediterranen Restaurants & Cafés von Tadao Ando, das bei Einheimischen ebenso beliebt ist wie bei den Besuchern.

Die 5-Sterne „Villa Lacoste“ liegt gut abgeschirmt auf der Anhöhe, Foto: Petra Kammann

Wenn das  Château La Coste sowohl Weingut, Kunstzentrum, Hotel und Gastronomie zugleich ist, sollte man zweifellos den Ort öfter aufsuchen. Denn neben dem Betrachten und Erkunden der Skulpturen lohnt es sich auch, die verschiedenen Kunstgalerien mit ihren Wechselausstellungen auf dem Gelände zu besuchen.

Und sich mit dem dort wachsenden Wein zu beschäftigen. Allein im Weinkeller von Jean Nouvel entstehen auf dem insgesamt etwa 250 ha großen Gelände einige der besten Weine der Region und verlangen nach einer Spezialverkostung. Dort werden nämlich 700.000 Flaschen des begehrten AOP Côteaux d’Aix-en-Provence pro Jahr produziert, davon 60% Rosé, 30% Rotwein und nur 10% Weißwein. Seit 2009 sind die Weine von Château La Coste bereits bio-zertifiziert, einige Sorten seit 2022 sogar auch Demeter-zertifiziert.

Wo auch immer man sich hier aufhält, sollte man nie vergessen: Bei allem stehen der Mensch, das menschliche Maß und die Natur im Vordergrund. Allein das lohnt den Weg ins Château La Coste, selbst, wenn man es nicht gleich beim ersten Mal bis zur am höchsten gelegenen Stelle des weitläufigen Geländes schafft. Dort befindet sich nämlich die Pilgerkapelle, die ebenfalls von Tadao Ando gestaltet wurde. Darüber schwebt das große, zwischen 2007 und 2008 entstandene rote Kreuz aus schimmernden Glasperlen von Jean-Michel Othoniel und strahlt seinen Glanz in die Landschaft aus. Auch das eine Correspondance, eine Entsprechung. Das Pilgern hat neue Aspekte bekommen.

Château La Coste
2750 Route De La Cride
13610 Le Puy-Sainte-Réparade

https://chateau-la-coste.com/

 

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