Das grosse ka(c)kophonische Orchester
Also, es gibt, wie wir alle wissen, die symphonischen, die philharmonischen und die ka(c)kophonischen Orchester. Eines der letzteren Art – von der es, dem Himmel sei gedankt, nicht allzu viele gibt – wütet seit einiger Zeit umso erbarmungsloser an prominentester Stelle in diesem unserem Land.
Da will nichts mehr zusammenpassen im ka(c)kophonischen Klangkörper. Das mag daran liegen, dass es drei arg unterschiedliche Instrumentalistengruppen gibt, die jede für sich auschliesslich das Konzert (das kommt vom lateinischen concertare und heisst so viel wie: wetteifern, streiten) pflegen wollen.
Den grössten Lärm und Streit entfacht die Gruppe der Schlagwerker und Blechbläser : Diese hauen auf Pauken, Trommeln und Becken herum, dass es nur so kracht und scheppert. Oskar Matzerath, der einst gefürchtete Blechtrommler, war dagegen ein kleines Waisenknäblein. Diese Ka(c)kophoniker sind neu im Orchester, sie können weder Noten lesen noch verfügen sie über irgend eine klangkörperliche Disziplin oder gar Tugend. Ihr Stimmführer reist ständig in irgendwelchen fernen Auslanden herum und schafft weiteren postneolithischen trommelfellmarternden Schlagkram herbei. Seine Mit-Ka(c)kophoniker folgen der in manchen Showorchestern anzutreffenden Unsitte, Musikinstrumente bunt zu lackieren. Ausgerechnet ein grässliches Gelb haben sie gewählt
, mit dem sie ihre garstigen Trompeten und Posaunen und sogar die schreckliche Basstuba anstreichen. Ein gar übler Missklang ist die Folge, wenn sie in dieses Zeug hineinstossen. Mit ihm überziehen sie die vor ihnen sitzenden, bedauernswerten Streicher.
Die Streicher stellen die zahlenmässig grösste Instrumentalistengruppe im ka(c)kophonischen Orchester. Sie geben sich seriös und konservativ. Um dies für jedermann sinnfällig zu machen, haben sie ihre Violinen, Violen, Violoncelli und sogar die grossen Violonen mit schwarzem Klavierlack überzogen. Das mag zwar auf den ersten Blick schön aussehen, jedoch klingen die Instrumente dumpf, dröge und schwerfällig. Gegen die furchtbar-gelben Blechbläser und Schlagwerker, die ihnen im Nacken sitzen, haben die Streicher keine Chance. Oft lustlos kratzen sie deshalb, sotto voce, mit ihren Fidelbögen auf den Saiten herum. Unter manchen macht sich darob Resignation und Schwermut breit. Ach, wie schön, ja harmonisch war damals, so erinnern sie sich, das Musizieren mit den …, ja wie hiessen die denn gleich noch einmal, diese … na sowas, weg aus dem Gedächtnis …
Die unlängst erneut geschrumpfte und heute kleinste Gruppe der Ka(c)kophoniker bläst die hölzernen Instrumente, deren Material in baumreichen Gegenden gewonnen wird wie etwa im Bayerischen Wald. Die Klappengriffe ihrer Flöten, Klarinetten, Oboen und Fagotte sind zumeist mit kernig-edlem Hirschhorn belegt. Bisweilen treten die Musiker in alpenländischen Leder- und Lodengewändern auf, wie sie die Gebirgsschützen noch heute tragen. Besonders wenn sie, wie alljährlich im Januar, vom Kreuther Geist bedeutungsschwer beflügelt ist, lässt die kleine Schar ihre Marterinstrumente in die Ohren der Streicher hinein schrillen und pfeiffen, dass diesen regelmässig der Schreck in die Knochen fährt.
Längst werden Sie sich, liebe Leserinnen und Leser, gefragt haben, was es nun mit dem Dirigenten/der Dirigentin dieses ka(c)kophonischen Orchesters auf sich hat? Bleiben wir der Einfachheit halber bei letzterer: Sie hat sich, so will es scheinen, in das Souffleurs-Kabuff vor der Bühne in Deckung gebracht.
Ach ja, da liegt ja noch was hinter der Bühne herum, der Musiker, anscheinend ein Alleinunterhalter, ist bereits geflüchtet, seine nutzlose rote Jacke hat er abgeworfen und zurückgelassen …
(Foto: Paul-Georg Meister /pixelio.de)