Das Museum für Moderne Kunst Frankfurt im Jahr 2010
Die Frankfurter Museen haben einen Ausstellungsetat, der auch Erwerbungen ermöglichen soll. So ähnlich verlautete es aus dem Mund der Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth in der Pressekonferenz zur Vorstellung des „neuen Hilmar Hoffmann“, gemeint ist dessen in der Tat eine Lücke in jeder Bibliothek schliessendes Buch „Das Frankfurter Museumsufer“. Anschliessend erfuhren wir jedoch authentisch, wie sich die Situation jedenfalls beim Museum für Moderne Kunst – kurz MMK – darstellt: Der von der Stadt zur Verfügung stehende Ankaufsetat dieses Hauses für 2010 beträgt 0,00 Euro. So macht Susanne Gaensheimer, die Direktorin des MMK, aus der bekannten Not eine schon mit der Ausstellung „Yellow and Green“ unter Beweis gestellte Tugend: Sie schöpft in der nächsten, am 19. Februar 2010 beginnenden Ausstellung „Radical Conceptual“ ein weiteres Mal aus dem Vollen, will sagen aus den so reichen Beständen des Hauses, um die so manche in Europa und der Welt konkurrierenden Museen für kontemporäre Kunst das MMK beneiden.
MMK-Direktorin Susanne Gaensheimer in der Jahrespressekonferenz 2010; Foto: FeuilletonFrankfurt
Nicht weniger als 22 Seiten umfassen die Presseinformationen über die für 2010 geplanten Aktivitäten des MMK: Aus diesen Fleissarbeiten seien einige Aspekte herausgegriffen: Standen in „Yellow and Green“ grosse Arbeiten der Pop-Art und des Minimalismus im Fokus, so konzentriert sich „Radical Conceptual“ auf die amerikanische und europäische Konzeptkunst von den 1960er Jahren bis zur Gegenwart und die entsprechende, herausragend bestückte Sammlung des MMK.
On Kawara, 24.APR.1989, 1989, MMK; Foto: Axel Schneider
Manche dieser Arbeiten wurden, wie etwa die Installation On Kawaras mit den berühmten „Date Paintings“ oder Lawrence Weiners Wandarbeit „Stones found and broken sometimes in the future“ speziell und exklusiv für das Haus entwickelt. Unter den grossen Namen wären weiter Alighiero Boetti zu nennen, der bedeutende Konzeptkünstler der italienischen Arte Povera, ebenso Hanne Darboven mit einem ihrer Hauptwerke „Ein Jahrhundert – Johann Wolfgang von Goethe gewidmet“. Und weiter aus der anschliessenden Künstlergeneration: Francis Alÿs, Jonathan Borofsky, David Hammons, Candida Höfer, Cady Noland, Rirkrit Tiravanija, Rosemarie Trockel oder Ai Wei Wei. Prominent die Neuerwerbung des raumbezogenen Werkes „…rinsed with mercury…“ des Briten Cerith Wyn Evans aus dem Jahr 2009.
Einen wichtigen Punkt bilden in diesem Zusammenhang die Filmarbeiten „Yellow Movies“ von Tony Conrad (vorgestellt auf der letztjährigen Biennale in Venedig), von John Baldessari „6 Colorful Inside Jobs“ oder von Paul Sharits „Frozen Film Frames: N.O.T.H.I.N.G.“. Und es wird auch etwas zum Hören geben: eine Akustische Installation für das MMK von Florian Hecker (ab 8. Mai 2010) aus Tönen und Klängen, die er mit modernsten digitalen Programmen generiert und zu hochkomplexen Klangkompositionen und mehrkanaligen Rauminstallationen verdichtet. Ab dem 28. März 2010 zeigt das MMK zum ersten Mal konzeptuelle Kunst auch auf Papier, ebenfalls aus seiner reichhaltigen entsprechenden Sammlung: Arbeiten von Carl Andre, Robert Barry, Alighiero Boetti, Stanley Brown, Dan Flavin, Ilya Kabakov, On Kawara, Joseph Kosuth, Gary Kuehn, Barry Le Va, Robert Morris, Claes Oldenburg, Blinky Palermo, Tobias Rehberger, Andreas Slominski, Nedko Solakovaber, Franz Erhard Walther oder Lawrence Weiner. Die meisten der Zeichnungen stehen in einem direkten Zusammenhang mit skulpturalen oder konzeptuellen Werken dieser Künstler. Eine gesonderte Präsentation wird – über deren bereits erwähntes Opus magnum hinaus – den Papierarbeiten von Hanne Darboven gewidmet sein.
Im MMK-eigenen Doppelgänger des „Kabinetts für aktuelle Kunst Bremerhaven“ von Gregor Schneider wird die Reihe „Double“ fortgeführt – nun mit Arbeiten unter anderem von Marina Abramovic/Ulay, Wolfgang Laib, Andreas Slominski und Luc Tuymans.
Vom 25. September 2010 an zeigt das MMK internationale Gegenwartsfotografie: Unter dem Titel „staying home/going out“ wird es erstmalig seine Räume ausschliesslich mit fotografischen Werken aus seiner über 1500 Arbeiten umfassenden (und damit einer der weltweit grössten) Sammlung bestücken. Zu ihr zählen Werkgruppen von Nobuyoshi Araki, Lothar Baumgarten, Bernd und Hilla Becher, Anna und Bernhard Blume, Christian Boltanski, Günther Förg, Ryuji Miyamoto, Thomas Ruff, Beat Streuli und Jeff Wall sowie von Peter Fischli und David Weiss, aber ebenso Konvolute mit Reportagefotografien von Paul Almasy, Barbara Klemm, Anja Niedringhaus, Abisag Tüllmann oder Sebastião Salgado – allesamt Sternstunden der Fotografie des 20. Jahrhunderts. Aktuell konnte das MMK Werkgruppen von Taryn Simon und Miroslav Tichy sowie eine so herausragende Auftragsarbeit wie das fünfteilige Werk „Klause“ von Thomas Demand erwerben, das speziell für dieses Haus entstanden ist. Begleitet wird die Schau internationaler Gegenwartsfotografie von einer Ausstellung „The Purple Generation. Mode und Fotografie in den 90er Jahren“. Künstler, Modefotografen und Modedesigner wie Vanessa Beecroft, Walter van Beirendonck, Bernadette Corporation, Bless, Mark Borthwick, Susan Cianciolo, Maria Cornejo, Anders Edström, Jason Evans, Inez van Lamsweerde, M/M (Paris), Kostas Murkudis, Richard Prince, Terry Richardson, Collier Schorr, Jürgen Teller, Wolfgang Tillmans oder Yohji Yamamoto werden die zentralen Räume bespielen. Das MMK will, als erstes der Museen für Gegenwartskunst, den wechselseitigen Einfluss der unterschiedlichen Disziplinen Mode, Fotografie und Kunst in den 1990er Jahren sichtbar machen.
Ai Wei Wei/Serge Spitzer, Ghost Valley coming down the Mountain, 2005-2006, MMK; Foto: Axel Schneider
Vielversprechend scheint uns eine ins Auge gefasste Kooperation des MMK mit dem Frankfurter Kunstverein und dem Portikus, der Ausstellungshalle für zeitgenössische Kunst auf der Frankfurter Maininsel, zu werden. Für den 8. Dezember 2010 ist der Beginn einer Ausstellung „New Frankfurt Internationals“ mit Arbeiten von Künstlern vorgesehen, die in Frankfurt am Main und Umgebung leben oder hier studiert haben (an der Städelschule, an der Akademie für Bildende Künste in Mainz oder an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach). Frankfurt am Main mit über 1000 in der Stadt lebenden Künstlerinnen und Künstlern und über 200 Atelierräumen bildet einen Brennpunkt künstlerischen Potentials, das bislang noch allzu oft im Verborgenen blüht. Das MMK stellt dafür seine Dependance „MMK Zollamt“ zur Verfügung.
Pressekonferenz mit Sophie von Olfers, Mario Kramer, Susanne Gaensheimer und Klaus Görner; Foto: FeuilletonFrankfurt
Last not least – bei so vielen Anglizismen im Angebot des MMK kommt es auf diesen einen nun auch nicht mehr an – baut das MMK sein Bildungs- und Vermittlungsprogramm für Kinder und Jugendliche weiter aus: mit „Kunst entdecken“, mit „Show Up!“ als kuratorischem Projekt in Kooperation von Schule und Museum sowie mit „MMK Plattform“, einem Online-Magazin von Kindern und Jugendlichen zur Kunst im MMK. Denn: Ein junges Publikum ist nicht erst das Publikum von morgen, sondern schon jetzt das Publikum von heute!
Jugendführung im MMK; Foto: Axel Schneider
Übrigens: Jetzt am 30. und 31. Januar 2010 findet im Frankfurter Museum für Moderne Kunst das „Familienwochenende“ statt. Zwei Tage lang gehört das Museum Kindern und Familien.