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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Kunstprojekt „Gemischte Gefühle“ im Kunstverein Familie Montez (1)

Von Erhard Metz

Gemischte Gefühle durchleben wir in diesen vom neuartigen Corona-Virus geprägten Wochen und Monaten wahrhaftig – und beim Betreten des nach der Schließung jetzt wiedereröffneten Frankfurter Kunstvereins Familie Montez glaubten wir auf den ersten Blick, uns in der Adresse geirrt zu haben. Aber dem war nicht so – nur hatte sich der große Salon, früher mit Sofas und Sesseln aller Couleur und Herkunft bestückt, nun dieser entledigt und sich in einen mit Sperrbändern und Wegweisungen versehenen Ausstellungsraum verwandelt mit Traditionsrequisiten des Vereins wie auch mit Exponaten der laufenden Ausstellung, über die es zu berichten gilt.

Kunstverein Familie Montez – mit Corona

Kunstverein Familie Montez – vor Corona

Am Eingang instruiert uns zunächst eine zauberhafte junge Dame per Video über den rechten Gebrauch der MNS-Artikel (vulgo Masken), und beim Eintritt in den großen Ausstellungssaal führt uns eine Installation der Kuratorinnen Claudia Messer und Meike Helberger die Situation von Menschen mit Beeinträchtigungen vor Augen. „Gemischte Gefühle“ lautet der Titel der Gruppenausstellung über „Gefühle von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung“ – von Künstlerinnen und Künstlern wiederum mit und ohne Beeinträchtigung. Veranstalter ist die IFB-Stiftung (Inklusion durch Förderung und Betreuung) aus Anlass ihres 60-jährigen Bestehens, die Menschen mit Beeinträchtigung von Geburt bis zum Tod in allen Lebenslagen – und so auch gerade in Zeiten des Corona-Virus – begleitet, unterstützt und fördert.

↑ Freundlich, aber bestimmt: Bitte nur mit Maske!
↓ „Blessed“ und andere Schriftzüge – Installation von Claudia Messer und Meike Helberger

„Unser Kunstprojekt soll einen neuen Zugang zum Thema Beeinträchtigung schaffen, mit dem Ziel, Vorurteile und Barrieren jeder Art von Andersartigkeiten in der Gesellschaft abzubauen“, schreiben die Kuratorinnen. Über 50 Künstlerinnen und Künstler zeigen auf ihre persönliche Art und Weise verschiedene Menschen mit ihren Gefühlen beziehungsweise ihre eigenen Gefühle in Gestalt von Skulpturen, Gemälden, Installationen, Grafiken oder Fotografien. Die Titel der Arbeiten sind mit einem emotionalen Claim mit den drei Anfangsbuchstaben I-F-B in Form von „I feel bad, blue oder blind“ o.ä. überschrieben. Der größte Teil ist bepreist und steht zum Verkauf zur Verfügung; ein Teil der Erlöse wird der Stiftung zugutekommen.

Die mit Empathie und Zuwendung kuratierte, bereits 2019 im Jubiläumsjahr der Stiftung im Wiesbadener Stadtmuseum gezeigte Ausstellung ist auf einer eigenen, hervorragend gestalteten Website „Gemischte Gefühle“ ausführlich präsentiert. Wir möchten aus der Fülle und Vielfalt der Arbeiten einige wenige als pars pro toto – mit einigen subjektiven Gedankensplittern als mögliche Anregungen zur Auseinandersetzung versehen – vorstellen und auf diese Weise unserer Leserschaft einen Besuch der Ausstellung anempfehlen.

Achim Ripperger, „I feel brave“, Holz, 130 x 50 x 50 cm

Ein Astronaut mit Lebenserhaltungssystem auf dem Rücken, ein mühsam stapfender, schwer beladener Mensch, ein Januskopf mit den beiden Gesichtern der Skulptur nach vorn und nach hinten gewandt? Tiefe Schnitte, ein verinnerlichter Gestus. Das Motto „I feel bemerkenswert“ stimmt optimistisch.

Constanza Weiss, „I feel beautiful“, „Blinde Frau“, 2011, Öl auf Leinwand, 150x 100 cm

Die adipös erscheinende weibliche Gestalt strahlt in ihrer geschlossenen, versammelten Form trotz der Behinderung als Blinde Ruhe und in sich selbst gründende Zuversicht aus – oder Ergebenheit in ihr Schicksal? Nun, immerhin fühlt sie sich „beautiful“!

Valentina Stanojev, „I feel B“, „No fear in my breast“, Diptychon, 60 x 90 cm

EinTraum – wer aber greift am Waldrand mit seinen krallenartigen Händen und Füßen nach dem Mädchen, und wer ist der Kobold am rechten unteren Bildrand? Eine wunderschöne Arbeit, finden wir.

Sebastian Stehr, „I feel beloved“, Sprühdose, 300 x 190 cm

Eine klare Ansage, gekleidet in die Frage „Was ist Liebe“; ein bemerkenswerter Gestus der Hände und ein fragender Blick einer weiblichen Gestalt.

Johannes Kriesche, I feel Bulldog“, „Hundehimmel“, Glaskugeln, Plexiglas auf Öl, Leinwand und Holz, 70 x 50 cm

Ein „typischer Kriesche“. Steht das Material Glas für Klarheit und Durchblick, so verschwimmen die Konturen im diffus sich brechenden Licht. Geheimnisvoll. Drückt ein dunkler Herrscher die beiden Gestalten im Vordergrund auf die Knie, beherrscht oder segnet er sie?

„Gemischte Gefühle, Kunstverein Familie Montez, Finissage am Sonntag, 7. Juni 2020

Abgebildete Werke © die jeweiligen Künstlerinnen/Künstler, von Johannes Kriesche © VG Bild-Kunst Bonn; Fotos: Erhard Metz

→ Kunstprojekt „Gemischte Gefühle“ im Kunstverein Familie Montez (2)

 

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