Städelschule: Rundgang 2015 (1)
Von Erhard Metz
Seit langen Jahren ist die Öffnung der Staatlichen Hochschule für bildende Künste – wie die Städelschule offiziell heisst – zur alljährlichen Rundgangsveranstaltung ein fester Termin im Kulturkalender der kunstinteressierten Frankfurter Bürgerinnen und Bürger, reizt doch der Blick hinter die Kulissen – in diesem Fall in die Ateliers – des stattlichen Schulbaus vis-à-vis des Städel-Museums zu einem entsprechenden Samstags- oder Sonntagsausflug, bei dem selbstverständlich auch Kinder herzlich willkommen sind. Aber nicht vergessen: Neben dem Hauptgebäude gilt es, auch das benachbarte Architekturgebäude, die Dependance der Schule in der Daimlerstrasse 32 (ein Shuttle-Bus verbindet die Standorte) und die Ausstellungshalle Portikus auf der Maininsel zu besichtigen (hier finden Sie Programm und Termine). Arbeiten der Studierenden im Bereich Film und Video sind im Deutschen Filmmuseum zu sehen.
Nein, Städelschul-Rektor Professor Philippe Pirotte droht hier nicht den Teilnehmern des Presserundgangs, sondern verleiht temperamentvoll seiner Begeisterung über den weltweit anerkannten Status der Städelschule wie auch über seinen einzigartigen Arbeitsplatz an diesem besonderen Kunstinstitut Ausdruck. Mit rund 130 Studierenden der Freien bildenden Kunst und rund 50 Studierenden des Fachbereichs Architektur handelt es sich bei der Hochschule wohl um die kleinste ihrer Art – klein, aber fein! Professoren und Studierende arbeiten auf Augenhöhe, ja kollegial miteinander. Es gibt im Bereich Freie bildende Kunst – noch – keine Master- oder Bachelor-Abschlüsse und auch keine vergleichbaren Zeugnisse, so dass sich die künstlerische Entwicklung der Studierenden frei von den mit solchen Regularien verbundenen Einflüssen und Zwängen vollziehen kann.
Rund 70 Prozent der Studentinnen und Studenten kommen aus dem Ausland an die Schule. Manchen unter ihnen wird man später auf der documenta Kassel oder den Biennalen und ähnlichen Grossausstellungen der Welt wiederbegegnen. Die Hochschule zählt zu den einflussreichsten Institutionen des Kunstgeschehens rund um den Globus. Die Absolventen knüpfen – wohin auch immer sie einmal gehen werden – ein internationales Netzwerk, an dem auch die – oft ebenso weltweit agierenden – Professoren teilhaben. Aber auch gerade und nicht zuletzt im Rhein-Main-Gebiet begegnet der Kunstinteressierte immer wieder Städelschul-Absolventen – in Museen, Galerien und Sammlungen oder in den vielfältigen Ausstellungen.
Klar, Berlin ist grösser, aber Frankfurt am Main ist als Stadt und Standort von Kunstgeschehen auf eine spezifische Weise nicht minder bedeutsam – so lautet das Credo von Pirotte. Leider entspreche die – finanzielle wie sächliche – Ausstattung der Hochschule noch längst nicht deren weltweiter Reputation. Die Beschaffung der benötigten finanziellen Mittel nehme daher auch rund 80 Prozent seiner Arbeitszeit ein. Der Rektor nimmt sich dieser Aufgabe entschlossen und – wie er mit einigen Beispielen belegt – zum Teil auch erfolgreich an. Nicht nur für die Schule selbst gelte es, Mittel zu beschaffen, sondern auch für Förderungen und Stipendien einzelner Studierender. Die alljährlich verliehenen Rundgangspreise bilden einen soliden Grundstock dazu.
Wie immer bietet der Rundgang durch die Hallen, Flure und Ateliers der Hochschule einen faszinierenden Einblick in das dortige künstlerische Geschehen. Beginnen wir mit ersten kleinen Beispielen:
Verbergen sich hinter dieser Tür mit dem Schild „Institut für Kunstkritik“ der Professorin Isabelle Graw die Schlüssel zum „Stein der (Kunst)Weisen“? Gross genug sind sie ja.
Felix Bolze – wir kennen den Künstler vom Rundgang 2014, als er uns freundlich zu einem Spiel Patience einludt, allerdings auch zum Bemalen weisser Spielkarten – hat in der Lichthalle ein „Lagerfeuer“ vorbereitet mit der Handlungsanweisung: „1. Male ein Bild von dir so wie dich dein Leben prägte. 2. Schreibe deinen Namen und dein Geburtsjahr auf die Rückseite. 3. Lege es neben das Lagerfeuer und geselle dich hinzu.“ Das Werk ist als Performance angelegt.
Ebenfalls in der Lichthalle begegnen wir der Installation „Womanmann“ von Anna Lucia Nissen (2015, single channel video, 9 min, 1 screen, 2 shopping trolleys, 2 dummy legs, 1 T-shirt, 2 pair of trainers). Eine Performance der Künstlerin findet am Samstag und Sonntag Nachmittag statt.
Immer wieder erstaunlich ist der beträchtliche Anteil der Malerei an der Rundgangsausstellung. Wir werden weiter berichten.
Abgebildete Werke © der jeweiligen Studierenden;
Fotos: Erhard Metz
→ Städelschule: Rundgang 2015 (2)
Siehe auch Rundgänge durch die Städelschule:
→ Städelschule: Rundgang 2014
→ Städelschule: Rundgang 2013
→ Städelschule: Rundgang 2012
→ Städelschule: Rundgang 2011
→ Städelschule: Rundgang 2010
→ Städelschule: Rundgang 2009