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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Die Wiedereröffnung der National Portrait Gallery in London

Mehr Frauen!

von Simone Hamm

Nach drei Jahren Umbau ist die National Portrait Gallery in London wiedereröffnet worden. Jenes Museum, in dem Portraits  große historischer Briten (Shakespeare, König Heinrich der VIII.) bis hin zu Ikonen aus Pop und Sport (Anna Wintour, David Bowie, David Beckham) zu sehen sind.

Ross Place Eingang der National Portrait Gallery, London, Foto: Oliver Hess

Nach der Neueröffnung ist der Besuch noch spannender, aufregender geworden. Das fängt schon mit der neuen Eingangstür der National Portrait Gallery an, die Tracey Emin geschaffen hat. In Anlehnung an die Paradiespforte von Lorenzo Ghiberti im Baptisterium von Florenz sind auf die drei großen Bronzetüren 54 Frauenköpfe eingeätzt. Keine Berühmtheiten. Jede Besucherin jeden Alters soll sich darin wiederfinden.

Das Porträt der Portraits  in der National Gallery ist das Porträt von Mai (Oma) von Sir Joshua Reynolds (1776), Foto: David Parry 

Ein Wandgemälde mit sieben Tafeln der Popkünstlerin Jann Haworth und ihrer Tochter Liberty Blake stellt 130 Frauen vor, die die britische Geschichte und Kultur vom ersten Jahrhundert bis heute beeinflusst haben, darunter die antike keltische Königin Boudicca und die Tudor-Königin Elizabeth I., die Wissenschaftlerin Mary Beard, die Schriftstellerinnen Beatrix Potter und Agatha Christie sowie die ehemalige Olympia-Boxerin Nicola Adams, Model Kate Moss, die Modeschöpferinnen Mary Quant, Vivienne Westwood, die Sängerin Kate Bush.

Es gibt einen Raum mit Selbstportraits von Künstlern und Künstlerinnen, einen, der Musikern (Annie Lennox, Ed Sheeran) gewidmet ist und natürlich einen, der sich mit den Tudors beschäftigt. Es ist ein Parforceritt durch die britische Geschichte, von der großen Kolonialmacht bis heute.

Die zeitgenössische Sammlung in der Mary Weston Gallery im Weston-Flügel der National Porträt Gallery, Foto: David Perry

Fotografien haben jetzt einen deutlichen größeren Anteil. Das reicht historischen Dugeurtypen bis zu zeitgenössischen Bildern.

Und auch die Auswahl der Portraitierten hat sich geändert. Waren es vor der Wiederöffnung nur 25 % der Portraitierten Frauen, so sind es jetzt 48% . Allerdings  sind immer noch deutlich mehr männliche Künstler präsent.

Waren es nur 3 % Schwarze und ethnische Minderheiten, so sind es jetzt 11%.

So ist ein Foto einer großen, schönen schwarzen Frau in einem weiten hellen Festtagskleid zu sehen, das aus dem Jahre 1862 stammt: Alina, die aus dem heutigen Südwest-  Nigeria kam. Sie wurde dort  gefangen genommen und Queen Victoria geschenkt. Erst viele Jahre später durfte sie nach Afrika zurückkehren.

Ein Porträt von John Eyre aus dem Jahre 1867 ist zu sehen. Eyre hatte einen Aufstand in Jamaika brutal niedergeschlagen und erklärte das damit, das Empire verteidigen zu müssen. Das Foto zeigt einen verletzlichen Mann, keinen brutalen Mörder. Daneben hängt ein Gemälde, dass an der Grausamkeit Eyres und seiner Soldaten keinen Zweifel läßt: niedergemetzelte Schwarze, Weiße, die sich die Hände schütteln. In der National Porträt Gallery zeigen die Kuratoren, wie man die Welt aus verschiedenen Blickwinkeln erleben kann, wie man den damaligen und den heutigen Zeitgeist nicht  aus den Augen verliert.

Vor allem aber beweisen sie, dass man Geschichte ganz ohne erhobenen Zeigefinger vermitteln kann. Mit großartigen Portraits und klugen Kommentaren dazu.

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