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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Die Künstlerbücher des Verlegers und Buchhandlers Walther König im Museum Angewandte Kunst

Eine Königsklasse für sich und ein autonomer Beitrag zur Kunstgeschichte

Von Petra Kammann

Der Name König klingt wie Donnerhall. Walther König ist ebenso eine Institution in der Kunstszene wie sein Bruder, der Ausstellungsmacher Kasper König, einstiger Direktor der Städelschule, Gründungsdirektor der Ausstellungshalle Portikus und legendärer Ausstellungsmacher (z.B. „Von hier aus“). Hand in Hand arbeitend haben die zwei Münsteraner Brüder das deutsche wie das internationale Kunstgeschehen maßgeblich seit den späten 1960er Jahren geprägt, durch Ausstellungen, Künstlerbücher, Monographien oder theoretische Auseinandersetzungen über Kunst, nicht zuletzt durch gutsortierte Bookshops in Museen. Das Museum Angewandte Kunst und seine Abteilung Buchkunst und Grafik widmet nun den Künstlerbüchern von Walther König eine eigene Ausstellung. Vielen heute renommierten Künstlern und Künstlerinnen hat der Verleger und Buchhändler Walther König erstmals ein Forum für das Buch als Kunst gegeben und auch später ihre Entwicklungen gefördert. So entstanden im Königshaus lauter kleine Buch-Kunstwerke.

Der Verleger und Buchhändler Walther König im Museum Angewandte Kunst, Foto: Petra Kammann

Nach Köln war Walther König Ende 1961 gekommen, um in der Bücherstube am Dom eine Lehre als Buchhändler zu absolvieren. Da hatte er bereits ein Jurastudium in Münster hinter sich: „Ich jobbte nebenher in einer Buchhandlung und merkte, wie schön das ist.“ 1969 fand König dann einen Raum in der Breite Straße mitten im Zentrum von Köln und in Nähe der renommierten Museen, um sich selbstständig zu machen: Man traf sich. Und ihm wurde geholfen, von Kollegen, nicht zuletzt von seiner Frau, die in der Buchhandlung präsent war. „Ich habe überhaupt, privat wie geschäftlich, sehr viel Glück gehabt. Dabei, ich hatte eigentlich keine Ahnung, wie man Bücher macht“, staunt König rückwirkend. Er ging zu Ernst Brücher“ dem damaligen Grandseigneur des DuMont-Buchverlags. Der renommierte Verleger hatte Ahnung davon und er half ihm, das künftig selbst zu verlegen.

Flächendeckend: Der Verlag der Buchhandlung Walther König nun im Museum Angewandte Kunst, Foto: Petra Kammann

Mit seinem Bruder Kasper hatte Walther König 1968 den Verlag Gebrüder König in Köln gegründet, der später eine Zweigstelle in New York erhielt. Der Name erschien ihm anfangs seriös. Dabei war auch der Standort nicht ganz unwichtig. Das Rheinland mit Köln und Düsseldorf war inklusive der angesagten Künstler damals bis zum Ende der 80er Jahre das Zentrum der zeitgenössischen Kunstwelt. „Mir hätte nichts Besseres passieren können“, sagt der Verlagsbuchhändler, „als meine Buchhandlung damals in Köln aufzumachen“. Andy Warhol hielt sich in Köln auf, Richter und Polke waren dort. Und schon 1969 zeigte Peter Ludwig, der „Schokoladenkönig“, wie er damals genannt wurde, seine aufsehenerregende Pop Art-Sammlung im Wallraf-Richartz-Museum, die heute größtenteils im Museum Ludwig zu sehen ist. Das beflügelte nicht nur die junge Kölner Kunstmesse, die Art Cologne, sondern auch zig Galeristen und Händler, Sammler und Künstler, die scharenweise in die Rheinmetropole kamen. So hat sich die Fachbuchhandlung für Kunst schnell einen Ruf erworben, der weit über Köln hinausreichte.

Blick in das erste „richtige“ Buch „Objekte, benutzen“ von Franz Erhard Walther; Foto: Günzel/Rademacher, © Museum Angewandte Kunst, Frankfurt am Main

Denn das Netzwerk seines Bruders Kasper, der seit 1965 in New York lebte und für europäische Museen an Ausstellungs- und Publikationsprojekten arbeitete, mit Kunst handelte, erweiterte sich ständig. Er verkehrte mit Künstlern wie Carl Andre, Richard Artschwager, Hanne Darboven, Dan Graham, On Kawara, Sol LeWitt, Gordon Matta-Clark, Bruce Nauman, Claes Oldenburg und Andy Warhol. Auch der Konzept- und Installationskünstler Franz-Erhard Walther war in dieser Zeit in New York angekommen. Mit ihm verlegte dann Walther neben „House of Dust“ von Alison Knowles, einem computergenerierten Gedichtband auf Lochstreifen, auf Vermittlung seines Bruders Kasper sein erstes Künstlerbuch zwischen zwei Buchdeckeln: „Objekte, benutzen“ von Franz Erhard Walther, eine Publikation zu dessen Werkstücken. F. E. Walther hatte dazu schriftliche Anweisungen von New York aus nach Köln gegeben. Das machte dem Verlag Gebr. König, Köln/ New York alle Ehre.

Abgebildet sind darin Sequenzen aus Walthers Werksatz. Dieses Buch, an dem der Künstler selbst – auch konzeptionell – mitgearbeitet hatte, wurde richtungweisend für die international agierende Verlagsbuchhandlung. Ein „F.A.Z.“-Artikel von Bazon Brock, der anlässlich dieser König-Publikation erschienen war, hat zudem für die Rezeption von F. E. Walthers Werk eine große Bedeutung erlangt, auch wenn dieser erst 2017 als bester Künstler auf der Biennale in Venedig mit dem „Goldenen Löwen“ ausgezeichnet wurde.

„Das Schönste ist, in der Buchhandlung zu stehen und mit den Leuten zu reden“, sagt der inzwischen 83-jährige quicklebendige Walther König, der zwar inzwischen die Geschäfte seinem Sohn übertragen hat, es aber immer noch genießt, täglich in die Buchhandlung in die Ehrenstraße zu gehen, die unterhalb des Verlags liegt, ganz besonders aber auch, wenn sie noch leer ist am frühen Morgen. Dann lässt er seinen Blick schweifen und nimmt jedes Buch einzeln in die Hand – im Kopf hat er sie alle -, und er überlegt, wie er was und wo am geschicktesten platziert. Nun, die Kölner Buchhandlung Walther König kann man mit Fug und Recht eine Institution nennen. Diesen besonderen Ruf hat sich die 1969 gegründete Fachbuchhandlung für Kunst schnell erworben. Und das weltweit. Bis heute noch gehen Künstler, Kunstinteressierte und Sammler hier wegen des exquisiten Sortiments ein und aus. Für ein Gesamtverzeichnis der Künstlerbücher hatte es bislang jedoch nie gereicht…

Prof. Matthias Wagner K und Dr. Eva Linhart überreichen Walther König den zur Ausstellung entstandenen Katalog „Erfolgsprogramm Künstlerbücher“; Foto: Petra Kammann

Es sei nicht so leicht gewesen, berichtet Eva Linhart, Leiterin der Abteilung Buchkunst und Grafik, den Herrn König, nachdem er ihr schon für eine Ausstellung von Künstlern zugesagt hatte, ihn dann auch ans Telefon zu bekommen oder ihn – allein aus versicherungstechnischen Gründen – dazu zu bewegen, eine Liste der auszustellenden Bücher zu schicken. Und E-Mails zu schreiben ist nun mal nicht des Individualisten Walther König Ding. Denn der denkt ganz analog, hat dafür aber auch die Nase im Wind. Immer wieder hieß es: „Ich melde mich bald“. Und so kam auch erst einmal eine von ihm persönlich handschriftlich angefertigte Liste auf analogem postalischen Weg nach Frankfurt. Linhart lieb hartnäckig und listete alles systematisch auf. In letzter Minute kamen dann kurz vor Beginn der Ausstellung mehr als 300 Künstlerbücher ins Haus, die im Museum Angewandte Kunst dann in alphabetischer und chronologischer Reihenfolge abgeschrieben und systematisch aufgelistet werden mussten. Schnell entstand auf diese Weise aber auch ein Porträt entlang der bei König publizierten und hier ausgestellten Künstlerbücher.

Thomas Bayrle gestaltete „Parkhaus Köln“, ein geradezu skulpturales Buch aus Birkensperrholz

„Das Großartige bei bestimmten Konzeptbüchern ist, wenn sie aus ihrem Konzept hinausfallen und es plötzlich sinnlich wird. Dann kommt das Bauchgefühl dazu, und erst dann wird es wirklich interessant. Das hängt von der künstlerischen Potenz derjenigen ab, die das Buch machen und das vermittelt sich direkt. Solche Bücher brauchen einen besonderen Auftritt, obwohl sie klein und ganz bescheiden sind“, kommentiert Walther König die Unterschiedlichkeit der einzelnen Bücher. Dass immer auch Spaß dabei im Spiel war, erzählt der hinzugekommene vergnügte Frankfurter Künstler Thomas Bayrle, dessen „geflochtenes“ Künstlerbuch „Parkhaus Köln“ aus Pappe und Birkensperrholz hier heraussticht. Die Doppelseiten mit städtischen Abbildungen greifen einen Teil der Kölner (Un)-Architektur auf. Die Doppelseiten sind aus sich windenden Autostraßen, „Loopings“, gebildet, deren unterbrochener Mittelstreifen ausgefräst ist. Die geheimnisvolle Buchgestalt ähnelt einem mehrgeschossigen Parkhaus, wie es sie an der Rückseite der Einkaufsstraßen gibt. Das kuriose Objekt geht einem nicht so schnell aus dem Kopf.

Erstaunlich, dass der „Topseller“ des Verlags wiederum ein Künstlerbuch des international renommierten Schweizer Künstler-Duos Fischli / Weiss  aus dem Jahre 2003 ist: „Findet mich das Glück?“ mit schlicht schwarzem Cover und weißer krakeliger Handschrift als Titel. Es zählt mit einer Auflage von mehr als 300.000 Stück zum meistverkauften Künstlerbuch schlechthin. Vermutlich, weil es Fragen aufwirft, die sich jedermann und jede frau ab und zu stellt wie: „Gibt es zuviel des Guten?“ oder „Driftet alles auseinander?“, „Wie wirke ich?“, „Soll ich untertauchen?“ oder „Bin ich ein Sonderling?“, „Was denkt mein Hund?“, „Wo ist mein Bett?“ oder „Spürt sie es?“ Und auf die es nie eine eindeutige Antwort gibt. Die gestellten Fragen regen einfach nur zum Träumen, Lachen oder Seufzen an. Im Museum wird übrigens das gedruckte Büchlein in deutscher, englischer, italienischer und japanischer Sprache verkauft.

Die verschiedenen Editionen von Gerhard Richters „Atlas“; Foto: Petra Kammann

An der Frankfurter Ausstellung wird deutlich, wie facettenreich die Antworten auf die Frage, was denn ein Künstlerbuch ausmache, lauten. Eines steht fest: es hängt von den Einfällen des jeweiligen Künstlers ab. An einem Lesetisch von Michael Riedel sind die Besucher dazu eingeladen, sich mittels verschiedener Werkausgaben, die man mit Handschuhen vorsichtig durchblättern kann, ein eigenes Bild davon zu machen. Gerhard Richter wird nicht nur mit seinem Werk „Atlas“ ein wenig eine Sonderstellung  eingeräumt. Er, der eigentlich kein Bild mehr malen wollte, liefert für Walther König doch immer noch einmal ein paar ganz kleine Aquarelle für mögliche weitere Künstlerbücher. Auch die beiden Künstlerinnen, Ex-Frau Isa Genzken und seine jetzige Frau Sabine Moritz, sind mit ihren Künstlerbüchern vertreten. Bei dem 4-bändigen „Atlas“ von Helmut Friedel zu Gerhard Richter handelt es sich um eine Sammlung von Fotografien, Zeitungsausschnitten und Skizzen, die Richter seit Mitte der 1960er-Jahren gesammelt und etwas später auf losen Blättern angeordnet hat. Sie bilden eine wertvolle Kartografie für die Orientierung in Richters vielfältigem Gestaltungsphasen.

Thomas Bayrle brachte „frische Ware“ aus New York mit, ein Magazin zu seinen Ehren; Foto: Petra Kammann

Ganz aktuell kam auch Thomas Bayrle vorbei und brachte das frische MagazinMonotony in a Hurry“ seiner New Yorker Galerie Gladstone Gallery mit, wo gerade seine Ausstellung zu Ende ging, natürlich um es Walther König zu widmen. Auch da wurde nochmal evident, dass Monotonie für Bayrle nicht etwa Langeweile bedeutet, sondern Inspiration und dass gleich welche Wiederholung, so auch beim Ein- und Ausatmen, nie zweimal dasselbe produziert. Diese Erkenntnis lässt sich vielleicht als Erfahrung auf die gesamte Schau übertragen: Ein Buch ist (eben nicht) ein Buch, ein Buch…

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Ein Lesetisch von Michael Riedel lädt dazu ein, durch verschiedene Werkausgaben zu blättern. Foto: Günzel/Rademacher 2022© Museum Angewandte Kunst

DIE AUSSTELLUNG

Erfolgsprogramm Künstlerbücher Der Verlag der Buchhandlung Walther König „

7. Mai – 28. August 2022 

 www.museumangewandtekunst.de 

Den Katalog zur Ausstellung, eine Art Verlagsporträt, konzipierte die Kuratorin Dr. Eva Linhart. Er gibt zum ersten Mal einen qualitativen Überblick über die Künstler:innen, die Abfolge der Titel über die 54 Jahre sowie die Namen des Verlags, unter denen dieser veröffentlichte. Gelistet wurden die Künstlerbücher, die Walther König für die Ausstellung zur Verfügung gestellt hat, einschließlich Literatur über Künstlerbücher aus dem Verlagsarchiv.  Der Katalog ist für 19 Euro an der Museumskasse zu erwerben. Die beigefügten ISBN-Nummern erlauben es, jeden einzelnen Titel einschließlich Vorzugsausgaben zu identifizieren, auch nach Beendigung der Ausstellung.

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