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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Der Kaiser von Atlantis“ von Viktor Ullman an der Deutschen Oper am Rhein in Duisburg

Von erschreckender Aktualität

Eindrucksvoll, findet Simone Hamm.

In Duisburg fand die Premiere von Victor Ullmann Oper „Der Kaiser von Atlantis oder die Tod Verweigerung“ statt. Schon vor zwei Jahren war sie Düsseldorf gezeigt worden, konnte wegen der Pandemie doch nicht lange im „Schwesterhaus Duisburg“ gezeigt werden. Wer dieses großartige musikalische Werk heute sieht, wird das mit anderen Augen als vor zwei Jahren tun. In den Tagen des Ukraine-Krieges bekommt „Der Kaiser von Atlantis“ eine ungeheure Aktualität. Denn das Thema dieser Oper sind Tod und Krieg: der Wahnsinn des Krieges, das sinnlose Sterben.

Der Kai#ser von At#lantis oder Die Tod-Verweigerung von Viktor Ullmann, Sergej Khomov (Soldat), Anke Krabbe (Mädchen); Foto: Hans Jörg Michel

Viktor Ullmann hatte den „Der Kaiser von Atlantis“1943 /4 komponiert – im Lager Theresienstadt. Das Libretto schrieb Peter Kien, der auch die Probezeichnungen machte. Ullmann und Kien wurden, zusammen mit ihren Familien, im Oktober 1944 in Auschwitz ermordet. Das einstündige Werk, „Der Kaiser von Atlantis“, die einzige Oper, die in einem Konzentrationslager geschrieben wurde, blieb fragmentarisch.

Doch auch als Fragment und ohne die fürchterlichen Umstände seiner Entstehung ist „der Kaiser von Atlantis“ ein Meisterwerk.

Theresienstadt hatte eine besondere Stellung unter allen Konzentrationslagern inne. Es war das Vorzeigelager. In einem Propagandafilm wurde das Leben im Lager Theresienstadt idyllisch verklärt und als ein Leben voller Musik und Kultur gezeigt.

Ullmann und Kien hingegen machten aus ihrer  Oper ein Zeugnis des Widerstands.

Die Oper spielt in einem totalitären Land. Kaiser Overall ruft den „Krieg aller gegen alle“ aus. Aber dieser monströse Anspruch ist selbst dem Tod zuwider. Er weigert sich zu töten. Die verwundeten Soldaten sterben nicht, der Henker kann seine Arbeit nicht tun. Die Soldaten revoltieren, sie wollen nicht ewig schwerverwundet sein, sie sehnen sich nach dem gnädigen Tod. Schließlich beginnt der Tod wieder zu arbeiten. Der erste, der ihm folgt, folgen muss, ist König Overall.

Ullmann war Schüler von Zemlinsky und Schönberg. Ullmann zitiert ohne Scheu und arbeitet dies in seine Musik ein.

Seine Melodien erinnern manchmal an Mahlers „Lied von der Erde“, und dann wieder an Hans Eislers Musik. Die Klarinette spielt eine verzerrte Mollversion des Deutschlandliedes, wenn Kaiser Overall auftritt. Trommeln erinnern an Alban Bergs „Wozzeck“, an Soldatenleben.

Die Produktion an der Oper am Rhein in Duisburg überzeugt sowohl musikalisch als auch szenisch. Die Inszenierung von Ilaria Lanzino ist zeitlos und deshalb so wirkungsvoll. Bühnenbildnerin Ermine Güner hat die gesamte Bühne mit ineinander verknüpften Seilen, Schnüren und Stricken überzogen. Dieses Labyrinth aus Fäden symbolisiert sowohl Fesseln, Verstrickung, Schicksalsfäden, als auch Gefängnis, Lager. In der Mitte thront König Overall.

Emmett O’Hanlon (Overall), Luke Stoker (Tod), Foto: Hans Jörg Michel

Den Kaiser singt Emmett O’Hanlon mit kräftiger Baritonstimme. Hier ist er kein reiner Machtmensch, er hat sich in seinen Palast zurückgezogen, zaudert bisweilen. Er wird begleitet vom Lautsprecher, der plappert, was der König vorgibt (Thorsten Grümbel) und vom Trommler, den Rosario Chavez singt. Die ist ganz kurzfristig eingesprungen, vom Flugzeug ging es direkt zur Hauptprobe.

Die Duisburger Philharmoniker unter der Leitung von Christoph Stöcker gehen feinfühlig ein auf die wechselnden Stimmungen der Charaktere, die mal siegestrunken, mal zutiefst verzweifelt sind.

Luke Stoker gibt einen Tod, den man nicht fürchten muss, sondern eher umarmen möchte, souverän und anziehend mit fast sanfter Bass-Stimme. „Ich lasse die Menschen nicht leiden, ich erlöse sie vom Leid.“

Emmett O’Hanlon (Overall), David Fischer (Harlekin), Foto: Hans Jörg Michel

Das Leben wird verkörpert vom Harlekin, von Martin Koch, der mit seiner markanten Tenorstimme dem Ganzen etwas Strahlendes, Positives verleiht. Das Mädchen (Anke Krabbe) singt traurig davon, dass sie Zeit ihres Lebens nie etwas Anders gekannt hat als Krieg. Ob es wirklich einen blauen Himmel gäbe? Das erinnert an lange Kriege wie den in Afghanistan.

Dieses Mädchen wird vom Soldaten (Sergey Khomov) erschossen, lebt aber weiter. Die beiden verlieben sich in den schrecklichen Zeiten ineinander. Illara Lanzino hat sich für ein offenes Ende entschieden. Das Leben ist Liebe, das Leben ist auch Tod.

 

 

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