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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Ein Interview mit Volker Staab, dem Architekten des neuen Jüdischen Museums

Die lichte Architektur eines neuen Museumskomplexes

Ein Glück für Frankfurt: Nach fünf Jahren wurde das renovierte Jüdische Museum mit seinem Erweiterungsbau von Staab-Architekten (Berlin) am 21. Oktober wiedereröffnet. Dabei ist ein heller eigenständiger Bau entstanden, der nicht auf spektakuläre architektonische Aspekte setzt, der es aber in sich hat, der einen neuen Stadtraum auftut, dabei bestens die klassizistischen historischen Gebäude einbindet und Raum für die Präsentation des jüdischen Lebens in all seinen verschiedenen Facetten bietet. Das FeuilletonFrankfurt-Interview mit dem Architekten Volker Staab führte Petra Kammann.

Der Architekt Volker Staab; Foto: Petra Kammann

Petra Kammann: Herr Staab, Sie gelten als der Architekt für schwierige Ausgangslagen von Bauten. Auch hier in Frankfurt fanden Sie mit der Erweiterung des Jüdischen Museums auf einem eingekeilten Grundstück keine ganz leichte Aufgabe vor. Überraschenderweise sahen Sie die Lösung in einem fünfeckigen schrägen Kubus, den sie dem historischen klassizistischen Palais gegenübergestellt haben. Wie haben Sie sich an die Aufgabe herangetastet? Welches war die Grundidee für eine so andere Formensprache, wo es doch um eine organische Ergänzung und Verbindung von Tradition und Moderne ging?

Volker Staab: Unser Anliegen ist es immer, aus der jeweiligen Situation heraus unsere Häuser zu entwickeln. Unsere Gebäude verbindet nicht eine spezielle „Handschrift“ oder eine durchgängige formale Attitüde. Uns geht uns vielmehr um die Suche nach „Anlässen“, warum etwas so aussieht, wie es dann aussehen kann. Und ein solcher Anlass war im Falle des Erweiterungsbaus zunächst einmal die Umorientierung der Adresse Untermaikai 12—14 zum Bertha-Pappenheim-Platz 1 hin, um die Frage nach dem Zusammenspiel zwischen dem Neubau und den historischen Palais zu lösen. Am Anfang unserer verschiedenen Überlegungen ging es um die Öffnung zu den Wallanlagen hin. Da stellten wir uns die Frage: Wie können wir die Gäste empfangen? Wie die Stadt und das neu entstehende Haus miteinander verbinden? Und: In welchem Verhältnis steht der Neubau zu den beiden Palais [ehem. Rothschild- und Bethmannpalais]? Wie funktioniert die Verbindung dieser Häuser?

Gelungene Verbindung zwischen dem Erweiterungsbau und dem bestens renovierten früheren Rothschild-Palais, Foto: Jüdisches Museum 

Dabei haben Sie sich bewusst von der symmetrisch angelegten Grundform des historischen Rothschild-Palais abgewandt. Dieses Prinzip hätten Sie ja – wenn auch in modernerer schlichterer Form ­– aufgreifen, spiegeln und dabei trotzdem eine moderne architektonische Sprache dafür finden können. Warum haben Sie sich denn für einen eckigen und schräg angelegten Kubus entschieden?

Am Anfang arbeiten wir zunächst einmal mit Modellen, um ein Projekt zu entwickeln. Dabei stellt man dann auch sehr schnell fest, dass ein Bau, den man parallel zum historischen Gebäude gestellt hätte, einen straßenähnlichen Durchgangsraum zwischen den beiden Häusern hätte entstehen lassen, während das Schrägstellen des Neubaus so etwas wie eine räumliche Fassung zwischen dem Neubau und den Palais erst ermöglicht, und dazu einen Platz schafft, auf dem man empfangen wird. Denn die schräge Seite läuft auf eine Engstelle zu und weitet den Platz zur anderen Seite hin. Im Modell erlebt man auch schon die Proportionierung dieses Corpus, der zu den Wallanlagen in der Höhe ansteigt, um eine stadträumliche Präsenz zu bekommen. Dort hingegen, wo er näher an den Altbau stößt, wird er immer niedriger und bleibt unterhalb der Traufe dieses Altbaus, damit er das Zusammenspiel der beiden Bauten nicht dominiert. Dieses Spiel erschloss sich für uns anhand der Modelle schon in der Wettbewerbsphase. Später ist es dann ja immer ganz schön, wenn man sich noch einmal alte Wettbewerbsbeiträge anschaut und sie mit der jetzigen Realisierung vergleicht. Unter den Entwürfen stößt man dann auf rechteckige Gebäude, die mit einem Winkel an das Palais angebunden sind. Manchen gehen sogar über die gesamte Höhe hinaus, andere nur in einem Erdgeschossbereich. So aber entstand eine fünfeckige Form.

Diese „Umorientierung“ setzt sich architektonisch dann auch im Inneren fort und bestimmt die innere Dramaturgie des Gebäudes.

Genau. Die verschachtelten Geschosse hatten Konsequenzen. Die Verbindung von Innen und Außen war für mich ganz wichtig. Das machte beinah eine Geschosshöhe aus. Die unterschiedlichen Höhen, die wir in den Außenanlagen vorgefunden haben, machen bereits im Eingangsbereich einen Höhenversatz notwendig. Die Verschachtelung der Höhen an dieser Stelle machte neue Bezüge zwischen den Innenräumen und nach draußen möglich, was wiederum neue Öffnungen und damit auch Aussichten durch Einschnitte in neue Räume im Inneren geschaffen hat. Wir haben diesen Versatz dazu benutzt, oberhalb des tiefergelegenen Hofs, wo jetzt die Skulptur „Untitled“ von Ariel Schlesinger steht, eine geschützte Terrasse für das offene Café anzulegen, die das Sicherheitsthema berücksichtigt und zudem die Verbindung zu den beiden Palais hergestellt. Und im Foyer haben wir oben ein Fenster eingebaut, wodurch ein Lichthof entsteht, in dem die Raumdramaturgie sichtbar wird.


Die Zwischengeschosse ermöglichen neue Einblicke; Foto:© Brigida González

Wieso haben Sie denn den Raum für Wechselausstellungen ins untere Geschoss verlegt?

Natürlich waren für die früheren Museen, in denen vor allem Gemälde ausgestellt wurden, Oberlichtdecken perfekt. Hier aber gab es den dezidierten Wunsch nach einem großem flexiblen Wechselausstellungssaal, der sich in der Kubatur nun mal nicht unterbringen ließ. Da es im Eingangsbereich einen höher gelegenen Hofteil gibt, haben wir uns entschieden, den Wechselausstellungssaal darunter anzulegen, weil dort die größte zusammenhängende Fläche war. Das gab uns zudem die Möglichkeit, das Sockelgeschoss zu organisieren. Nur so konnten wir dem Wunsch nach Größe und Flexibilität des Raums entsprechen. Hinzukommt, dass die Museumsleute wegen der Lichtempfindlichkeit der unterschiedlichen Exponate gern das Tageslicht verbannen.

Empfinden Sie das „Kellergeschoss“ nicht als klaustrophobisch?  

Das Lichtlose war ausdrücklich gewünscht. Das Gelingen einer solchen Konstruktion hängt aber auch vom Weg dorthin und von einer ausreichenden Dimension ab, die hier gegeben ist. Im Jüdischen Museum in Warschau zum Beispiel empfand ich den nicht enden wollenden Parcours als beklemmend.

Überschaubar sind die Wege in das Tiefgeschoss zum Ausstellungsraum für Wechselausstellungen; Foto:© Brigida González

Ist die Bibliothek, in die man vom Foyer aus hinaufschauen kann, das Herzstück des Museums?

Das Herz vielleicht nicht, aber einer der wichtigen Räume mit dem größten Fenster, das um die 6 Meter hoch und 4 Meter breit ist. Die innere Rahmung ist ja so angefertigt, dass das Holz den Fensterrahmen verdeckt. Wäre da nicht der Pfosten, so hätte man den völlig freien Blick auf die Stadt, ohne zu merken, dass da eine Grenze ist. Unser Wunsch war es, die öffentlichen, d.h. frei zugängigen Räume um den Lichthof herum zu bauen und durch Ausblicke mit dem umliegenden städtischen Raum zu verbinden, damit sie auch nach außen hin wirksam werden. So sieht man, wenn man abends in der Stadt unterwegs ist und noch Licht in der Bibliothek brennt, dass sich hinter der Fensteröffnung ein öffentlicher Raum verbirgt.

Und wie sind Sie mit den Treppen verfahren? Gibt es ein neues Treppenhaus zwischen den beiden Gebäuden?

Es ist an der historischen Grenze angesiedelt, wo es schon immer da war. Da der Aufzug früher außen angebracht war und man um ihn herumlaufen musste, erschien es allerdings kleiner. Außerdem mündete der Aufzug in einer Glaskuppel, die jetzt Bestandteil des Dachs geworden ist. Die Postmoderne im Sinne meines Vorgängers Kostelac, der das Museum vor 30 Jahren renoviert hat, ist verschwunden bis auf die letzte Etage, wo der Denkmalschutz darauf bestanden hat, diese Zeitschicht zu erhalten.

„Für uns war das Spiel mit der Topographie, dem abgesenkten Hof und der Terrasse die Möglichkeit, das Sockelgeschoss zu organisieren.“

Und wie war es in den beiden Palais?

Mit der Umkehrung der Erschließung des Museums konnten wir nicht so viel von der Konzeption meines Vorgängerkollegen bewahren. Das Problem war, dass seine Einbauten auf der Mainseite lagen. Die statische Struktur hingegen, die er geschaffen hat, erkennt man noch an den tragenden Säulen, die belassen wurden. Im ehemaligen Bethmann-Palais gab es so gut wie nichts Originales mehr.

Die Rückfront der klassizistischen Palais; Foto: Petra Kammann

In den Palais, in denen die Dauerausstellung untergebracht ist, wollten wir vor allem den Palaischarakter bewahren und daher auf die Einbauten an den Wänden verzichten. Stattdessen sollte man lieber um die Objekte herumgehen können. Die Wandfarben wiederum wurden der Zeit entsprechend gemeinsam mit der Denkmalbehörde erarbeitet. An einer Stelle ergab sich aus wohl ursprünglich drei Räumen, aus denen wir dann einen Raum gemacht haben, eine Enfilade. Diese Räume haben wir bewusst sehr neutral behandelt. Insgesamt ist in den Palais ein neuer Museumsparcours entstanden. Man beginnt mit seinem Besuch auf der 3. Etage und bewegt sich langsam von dort aus nach unten. Von oben aus ahnt man wegen der abgedeckten Fenster den naheliegenden Main allerdings nur.

Schon früher war es wegen des schmalen Gehwegs an der Mainuferstraße ein Problem, von dort aus in das Haus zu gelangen, und eine echte Zumutung, wenn sich am Eingang Schlangen bildeten, vor allem aber, was die Inklusion angeht, da es sich um ein Hochparterre mit ein paar Treppenstufen handelt. Nun wurde, um die zwei unterschiedlichen Niveaus zu überwinden, ein kleiner Fahrstuhl eingebaut, von dem aus man dann direkt in den Anne Frank-Raum gelangt bzw. zur anderen Seite in die repräsentativen Räume des Rothschild-Palais. Ansonsten funktionieren die an anderer Stelle eingebauten Aufzüge für die unmittelbare Erschließung der verschiedenen Ebenen.

Nun geht es hier ja auch nicht um irgendein Museum, sondern um ein jüdisches Museum. Haben Sie sich zunächst einmal umgeschaut, um sich in das Thema einzuarbeiten? Was ist im Vergleich mit anderen jüdischen Museen hier die Besonderheit? Was hat Sie inspiriert und was haben Sie eher verworfen?

Da kommt man gar nicht drum herum. Als ich junger Architekt war, war Libeskind, der in Berlin das Jüdische Museum baute, für mich natürlich faszinierend. Und ich stellte mir die Frage: Ist es richtig oder ist es falsch? Und natürlich ging es auch um die Symbolik, die mit den jeweiligen Häusern zusammenhängt. Wenn ich etwa an das Jüdische Museum in Warschau denke, so spielt dort die Teilung des Meeres, durch das Moses das Volk Israel führt, eine wichtige Rolle. Man hätte auch einen Chanukka-Leuchter als Symbol wählen können. Ich selbst empfinde eine solche steingewordene Symbolik aber als aufgesetzt. Da wird Architektur zu einer Attitüde. Architektur spricht für sich selbst und erzählt keine Geschichten von außerhalb. Sie sagt etwas über ihre Machart aus, über das, was sie räumlich bedeutet, ob sie öffentlich sein will oder privat.

Die Linierung gliedert die Fassade und lässt sie länger erscheinen, Foto: Petra Kammann

Was war denn für Sie der größte künstlerische Moment beim Bau des Jüdischen Museums? Zum Beispiel die Linierung an der Fassade, die dem Bau eine gewisse ästhetische Raffinesse verleiht?

Für mich ist es vor allem das gelungene Zusammenspiel der beiden Gebäude, das ich auch als die größte Herausforderung empfunden habe. Die Linierung ist nur ein kleines Detail, das etwas bewirkt. Man merkt bei der Realisierung, dass man noch nicht restlos zufrieden ist und probiert dann Verschiedenes aus. Als ich nochmal die alten Pläne angeschaut habe, bemerkte ich, dass zunächst  einfach glatte Flächen vorgesehen waren. Insofern bin ich jetzt über die Entscheidung, einen solchen Akzent zu setzen, sehr glücklich. Aber das Wichtigste bleibt natürlich , dass wir die offene und öffentliche Problematik zu organisieren hatten.

Das ganze Areal ist jetzt wie eine Art Weg zur Ausstellung angelegt. Der zentrale Raum erzählt von den öffentlichen Nutzungen: das Café oben, zum Beispiel, dann die Bibliothek, und  wenn man zurückschaut, dann erklärt sich auch noch das Materialkonzept. Beton ist wie ein Gestein. In dieser Betonskulptur sind alle Nutzungen, dort, wo man in Kontakt mit dem Haus kommt und wo man sich aufhält und verweilt, im Holz der hellen Esche gehalten. Natürlich ist dieses Haus ein Corpus, den man von innen erlebt. Das macht die Offenheit und die Transparenz aus, die man von außen vielleicht so nicht erwartet.

Blick von der Bibliothek auf die Stadt; Foto: Petra Kammann

Transparenz und Offenheit, sind das für Sie grundsätzlich wichtige architektonische Grundprinzipien?

Offenheit auf jeden Fall. Solche musealen Orte sollten keine elitären Orte sein, sondern vielmehr die Stadtgesellschaft dazu einladen, an der von ihnen repräsentierten Kultur teilzuhaben.

Ist Architektur für Sie der Bildhauerei eher näher als der Erzählung? Wenn ich mir allein im Inneren das spiralförmige Verbindungstreppenhaus anschaue, so hat das ja durchaus auch etwas Skulpturales.

Natürlich hat Architektur etwas Skulpturales, da schon der Beton als Material Skulpturales nahelegt, weil er nicht von der Fügung einzelner Teile lebt wie etwa Backsteine. Insofern hängt das auch ein bisschen mit der Materialität von Beton zusammen. Wir probieren jetzt gerade neue Dinge aus, weil auch der Beton in der Diskussion um die Nachhaltigkeit wieder eine Rolle spielt, da er zum Beispiel CO2 und damit Karbonat bindet. Für Architekten wie mich, die gestalterisch ohnehin eine Sympathie für Beton haben, ist diese neue Erkenntnis natürlich eine Herausforderung. Um zu Ihrer Frage zurückzukommen: das Skulpturale liegt mir schon.

Die skulpturale Wendeltreppe, welche die Verbindung zwischen den Gebäuden herstellt; Foto: Petra Kammann

Zur Zeit gibt es ja die Tendenz: „Rettet die Betonburgen“ oder „Rückkehr zum Brutalismus“. Haben Sie da ein architektonisches Vorbild im Kopf, das Sie als ideal empfinden? Was halten Sie zum Beispiel von dem Beton-Dom, den Gottfried Böhm in der Nevigeser Wallfahrtskirche realisiert hat? Nebenbei: Man kann sich das derzeit übrigens noch im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt anschauen.

Gerade die frühen Werke von Gottfried Böhm finde ich sehr faszinierend, allerdings weniger wegen des Skulpturalen, vielmehr bewundere ich, wie er es schafft, Dinge und Gebäudeteile miteinander in Verbindung zu setzen und daraus eine Form entstehen zu lassen. Bei ihm fügt sich die gefundene Form als Silhouette völlig selbstverständlich in eine Landschaft oder auch in einen Stadtraum ein.

Viele Betonbauten sind aber auch sehr hässlich, vor allem, wenn sie als Element für eine vermeintliche Sparsamkeit eingesetzt werden wie in der reproduzierbaren Plattenbauweise…

Da ich an der ETH in Zürich studiert habe, hat mich als jungen Architekten geprägt, dass in dieser Zeit dort die ganz stark betonlastige Tessiner Schule einflussreich war, die sich allerdings vom Beton-Brutalismus der 60er Jahre distanzierte. Der Tessiner Schule ging es eher um eine Verbindung zum Regionalen, zum landschaftlich Kontextuellen.

Gottfried Böhms Beton-Dom in Neviges, ausgestellt im DAM; Foto: Petra Kammann

Da Sie gerade im Rhein-Main-Gebiet sehr aktiv sind, interessiert mich auch Ihr Neubau für ein Konzerthaus in Kronberg, das ganz anders gelagert sein muss. Kronberg und Frankfurt sind natürlich ganz unterschiedliche, wenn auch benachbarte Städte. Welchen Akzent wollten Sie dort setzen?

Natürlich ist die topographische Einbettung in Kronberg noch viel stärker ausgeprägt. Da der Ort am Hang liegt, gibt es hier die terrassierten Mauern, die wir übrigens gerne auch mit dem grünlichen Stein aus der Region gestaltet hätten, den es aber leider nicht mehr gibt. Trotzdem haben wir auch dort versucht, eine Verbindung über die Materialität der Stadt oder der Landschaft zu schaffen. Natürlich ist die Stadtlandschaft in einer Stadt wie Frankfurt viel diverser. Im Falle der Palais am Untermainkai geht es um eine neue Verbindungssuche durch die Einbettung des Vorplatzes.

Volker Staab versteht sich als urbaner Architekt, hier in der Bibliothek mit Blick auf die Stadt; Foto: Petra Kammann

Glauben Sie, dass die Architektur eines Museums eher eine dienende Funktion hat?

Als wir unser erstes Museum in Nürnberg gebaut haben, waren die Kuratoren gegen die architektonische Selbstdarstellung. Das Hollein-Museum (das von Hans Hollein erbaute MMK) in Frankfurt musste dafür immer als Negativ-Beispiel herhalten, weil sich – ihrer Meinung nach ­– der eitle Architekt immer zu Lasten der kuratorischen Ansprüche profilieren will. Inzwischen hat sich diese Ansicht ja wieder gedreht. Viele Städte würden heute nur allzu gerne so einen Bilbao-Bau haben, weil sie glauben, dadurch mehr Touristen und Besucher zu bekommen. Das erscheint mir jedoch zu kurzfristig gedacht. In Bilbao mag der Effekt wegen der Lage am Meer ja funktionieren. Dazu hat das Gebäude zur Umgestaltung eines heruntergekommenen Viertels gedient, außerdem stand Guggenheim im Hintergrund. Im Falle von Herford, wo Gehry ebenfalls ein Museum gebaut hat, hat sich dieser Effekt jedoch schon abgenutzt. Uns wiederum wird vorgeworfen, dass wir zu wenig spektakulär seien.

Sie haben vor allem Museumsbauten entworfen und realisiert, warum keine Wohnhäuser?

Seltsamerweise nein. Heute ist man als Architekt oft „zwangsspezialisiert“ und wird leider nur zu dem eingeladen, was man eh‘ schon immer gemacht hat. Das finde ich eigentlich ein bisschen schade.

Empfinden Sie sich denn als Architekt, der der Formel „form follows function“ folgt?

Funktion gehört natürlich zu einem guten Bau dazu. Trotzdem glaube ich nicht, dass in der Architektur alles der Funktion unterzuordnen ist. Funktionalität allein ergibt auch noch keine gute Architektur. Was mich interessiert ist, dass Architektur so vielschichtige Bezüge wie inhaltliche, kulturelle, kontextuelle und stadträumliche hat.

Sie haben ja schon etliche andere Museen in städtischen Kontexten gestaltet und gebaut. Empfinden Sie sich daher nicht vor allem als „urbanen Architekten“?

Auf jeden Fall. Uns fällt es sehr viel schwerer, auf der grünen Wiese etwas zu planen oder zu bauen. 

Könnten Sie sich vorstellen, ein Wohnprojekt zu machen, wie es Ernst May in den 30er Jahren hier in Frankfurt geschaffen hat?

Wohnen – so denke ich – ist wohl eines der existenziellsten Themen, für das wir geeignete Gehäuse brauchen. Und da finde es schon interessant, zu überlegen, wie das gehen kann.

Welches war denn die größte Herausforderung bei der Realisierung des Museumsprojekts?

Es war tatsächlich die Kostenproblematik der Ausschreibungen. Und alles, was heute mit Haustechnik zu tun hat, ist sehr, sehr hart, wie zum Beispiel Sicherheitsschutz, Brandschutz etc. Dies war sowohl für unser Büro als auch für das von schneider + schumacher, die in Frankfurt die Bauleitung übernommen haben, eine extreme Belastung. Daran haben wir außerdem nichts verdient, worunter dann schon auch mal die Motivation leidet.

Herr Staab, was wünschen Sie sich denn für die Zukunft als Architekt des Museums für Jüdische Geschichte ?

Ich wünsche mir, dass es ein lebendiger Ort wird, und dass man vielleicht tatsächlich in Zukunft die Sicherheitskontrolle abbauen kann.

Und woran arbeiten Sie aktuell?

Am Bauhaus-Archiv in Berlin, und auch an dem Haus für die Kronberg Academy.

Der Architekt: Foto: Petra Kammann

Volker Staab

1977 bis 1983 Studium der Architektur an der ETH Zürich (Diplom-Architekt ETH)
1985 bis 1990 freie Mitarbeit im Büro Bangert, Jansen, Scholz und Schultes in Berlin. Mitarbeit am Entwurf für das Kunstmuseum Bonn
Seit 1990 freiberuflicher Architekt
1991 Gründung des Architekturbüros Volker Staab
Seit 1996 Partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Alfred Nieuwenhuizen unter Staab Architekten
Seit 2007 Staab Architekten GmbH
2002 – 2004 Gastprofessur an der Technischen Universität Berlin
2002 Lehrauftrag an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg
2005 – 2007 Gastprofessor bei der FH Münster
2008 – 2009 Lehrstuhlvertretung Architektur/öffentliche Räume und Bauten an der ABK Stuttgart
Seit 2012 Professur für Entwerfen und Raumkomposition an der TU Braunschweig
Seit 1997  Bund Deutscher Architekten BDA
Seit 2005 Mitglied der Akademie der Künste in Berlin
Seit 2007 Mitglied des Beirats der Bundesstiftung Baukultur in Potsdam
Seit 2013 Kuratoriumsmitglied der IBA Heidelberg
Seit 2014 Mitglied des Landesdenkmalrates von Berlin

→ Gelungene Verbindung von Einst und Jetzt: Das neue Jüdische Museum, so persönlich wie multiperspektivisch

→ Das neue Jüdische Museum ist eröffnet!

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