Das Museum Angewandte Kunst präsentiert Rekordzahlen und Ausstellungs-Highlights
Stolze Bilanz für 2019 und ein ambitioniertes Programm für 2020 …
Von Hans-Bernd Heier
Prof. Matthias Wagner K, Direktor des Museums Angewandte Kunst, und sein engagiertes Team können sich über eine großartige Bilanz für 2019 freuen. Die Besucherzahlen, die in den letzten Jahren ohnehin schon kontinuierlich gestiegen sind, kletterten im letzten Jahr um weitere 25.000 auf ein Rekordniveau von über 167.000 Besucher*innen. Mit einem ambitionierten Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramm möchten sie im laufenden Jahr dieses Super-Ergebnis noch toppen. Dafür haben sie drei große Präsentationen mit einem sehr reichhaltigen Veranstaltungsprogramm erarbeitet.
Der ästhetische Richard-Meier-Bau, in dem das Museum Angewandte Kunst seine umfangreichen Kollektionen präsentiert, ist ein Blickfang am Schaumainkai; Foto: Anja Jahn, 2014; ® Museum Angewandte Kunst
Zu dem großartigen Erfolg im letzten Jahr haben vier spektakuläre Präsentationen zu gleichen Teilen beigetragen: Die „Moderne am Main“, die anlässlich des 100. Jubiläums des Bauhauses den Blick auf den Beitrag Frankfurts als dessen „Werkstatt“ in den Jahren zwischen 1919 -1933 richtete; Die „Contemporary Muslim Fashions“, die sich mit dem hitzig diskutierten Phänomen zeitgenössischer muslimischer Mode auseinandersetzte; die Schau „Sagmeister & Walsh: Beauty“, die Besucherinnen und Besucher mit reizvollen interaktiven Installationen auf eine vergnügliche Suche nach der Lust am Schönen mitnahm, sowie das „HOUSE OF NORWAY“, das herausragende Positionen aus Norwegens Kunst, Design, Kunsthandwerk und Architektur versammelte.
Ingrid Godon aus/from „Ich sollte“, erschienen im Mixtvision Verlag; „I Must“ published by Mixtvision Verlag, 2016; © Ingrid Godon
Den Ausstellungsreigen des 1. Halbjahres 2020 eröffnet am 27. Februar die Schau „Ingrid Godon. Ich wünschte – Open House“ mit zahlreichen Begleitveranstaltungen. „In einer Zeit des rasanten technologischen Wandels, in einer Welt des fortschreitenden Populismus, der Irrungen und Wirrungen zwischen Lüge und Aufklärung sowie der Angst vor Kriegen und Klimakatastrophen hat das Potenzial, das im individuellen Wünschen liegt, umso größere Beachtung verdient. Denn die Veränderung von Missständen fängt zu allererst mit dem Wunsch an, etwas verändern zu wollen“, so der Kurator Thomas Linden. Aus diesem Grunde lädt das Museum Angewandte Kunst mit der Ausstellung „Ingrid Godon. Ich wünschte“ in einen Möglichkeitsraum ein, der nicht nur einen Anreiz bietet, die eigenen Wünsche zu reflektieren, sondern einen, der auch als Raum für Prozesse, Ereignisse und Diskussionen zur Teilhabe animieren möchte.
Ingrid Godon aus „Ich sollte“, erschienen im Mixtvision Verlag; „I Must“ published by Mixtvision Verlag, 2016; © Ingrid Godon
Die ausgewählten Illustrationen der international renommierten belgischen Künstlerin Ingrid Godon sollen als Ausgangspunkt für diese Reflexion dienen. Zusammen mit Texten des vielfach ausgezeichneten Lyrikers Toon Tellegen sollen Godons Bilder von Gesichtern ernster Kinder, wehmütiger Männer und nachdenklicher Frauen eine Tür für unsere Imagination öffnen.
Während der gesamten Laufzeit verwandelt die für die Ausstellung konzipierte Klanginstallation „sound 48H silence“ von d.o.o.r (Oona Kastner und Dirk Raulf) die Architektur des Museums in einen großen Klangkörper. Sie mündet am letzten Wochenende in eine 48-stündigen Live-Performance mit namnhaften internationalen Musiker*innen.
„Michelle Elie wearing Comme des Garçons“, Paris 2018; Foto: Acielle; © Acielle / styledumonde.com
In „Life doesn’t frighten me – Michelle Elie wears Comme des Garçons“ wird ab 3. April durch kulturellen Kontext ie Kleidung zu Mode. Die japanische Designerin Rei Kawakubo gründete 1969 ihr Modelabel „Commes des Garçons“ (deutsch: Wie Jungs). „Bis heute geht es der japanischen Designerin Rei Kawakubo nicht darum zu gefallen, sondern spielerisch und lustvoll den männlichen, durch westliche Schönheitsideale gelenkten Blick zu stören. Konventionen der Schnittkunst bricht sie durch Dekonstruktion, Verschiebung, Zerstörung und Ausbuchtungen ohne Rücksicht auf Körperformen“, sagt die Kuratorin Dr. Mahret Ifeoma Kupka. „Comme des Garçons“ widerspricht den Normen, fällt auf und provoziert nicht selten.
Michelle Elie wearing Comme des Garçons, Paris, 2015; Foto: Luigi Ciacco: © Luigi Ciacco
Die Designerin und Mode-Ikone Michelle Elie liebt und sammelt Kawakubos “Kleider-Objekte“. Sie trägt diese bei den internationalen Fashionweeks, die sie regelmäßig besucht, und auch in ihrem Kölner Alltag. Die außergewöhnliche Schau im Richard-Meier-Bau präsentiert über 50 Outfits aus Elies Sammlung und lässt die gebürtige Haitianerin die Geschichten der jeweiligen Stücke erzählen. Vom Moment der Entdeckung an, über den Erwerb, bis hin zum Erleben auf dem eigenen Körper und den unterschiedlichsten Reaktionen, die das Tragen bei anderen provoziert. Als farbige Frau in einer weißen Mehrheitsgesellschaft mit ihren entsprechenden Vorstellungen von Schönheit, erregt Elie höchste Aufmerksamkeit. Da tatsächlich Mut dazu gehört, Commes des Garçons extravagante Kleidung zu tragen, betont Mode-Ikone Elie „Life doesn’t frighten me“, so auch der Titel der Schau.
Anette Lenz: Motiv für das Tanzfestival „Pharenheit“, 2020; © Anette Lenz
Nicht nur das Ausstellungsprogramm der Schirn Kunsthalle wird „weiblicher“, sondern auch das des Museums Angewandte Kunst. Denn mit „Anette Lenz. à propos“ versammelt das Museum ab dem 24. April die beeindruckenden Werke einer weiteren Künstlerin. Ihre Arbeiten werden erstmals in einer Sonderausstellung in Deutschland gezeigt.
Nach ihrem Grafikdesign-Studium in München trat Lenz in Paris dem Gestalterkollektiv „Grapus“ bei, das sich mit Henryks Tomaszewskis „Kultur des Verrückten Einfalls“ und der Beuyschen Idee der „Sozialen Plastik“ an die Spitze der zu jener Zeit allein ökonomisch orientierten französischen Gestalterwelt geputscht hatte. Aus Skepsis gegen diese Art der kommerziellen Werbung entwickelte Grapus völlig neue Strategien für die Kommunikation im öffentlichen Raum. Dies ist bis heute der Fall. „Unaufgeregt, aber umso relevanter für eine visuelle Wahrnehmung, hat sich Anette Lenz in den letzten 30 Jahren in der französischen Grafikwelt etabliert“, erläutern die Kuratoren Peter Zizka und Prof. Matthias Wagner K.
Anette Lenz: Motiv für das Poesiefestival „Expoésie“, 2019; © Anette Lenz
Anette Lenz lebt in Paris und zählt zu den einflussreichsten Gestalter*innen der Gegenwart. Sie gestaltete die Corporate Identity mehrerer französischer Städte, Theater und Museen und entwickelte mit ihrem Spiel mit Typografie, Farbe und teilweise auch Fotografie außergewöhnliche Plakatserien, Ausstellungsdesigns und Bücher. Dabei blieb für sie „das Plakat das demokratische Medium schlechthin“.
„Trotz schwieriger Bedingungen in der nach wie vor männlich dominierten und von ökonomischen Faktoren bestimmten Kommunikationswelt, hat sie sich ihre Einmaligkeit bewahrt und ist Teil einer längst überfälligen Genderkorrektur geworden. Sie kann als Vorreiterin einer neuen Generation von Grafikdesigner*innen gewertet werden, die sich ihrer politisch-gesellschaftlichen Rolle bewusst sind. In der von ihr erarbeiteten Einzelausstellung, wird sie die Museumsräume in begehbare grafische Welten verwandeln, die visuelle Kommunikation nicht als Kauf-, sondern als sinnlichen Denkanstoß erleben lassen werden“, so die Kuratoren.
Sakebecher, Blauweiß-Porzellan, ca. 20. Jahrhundert; Schenkung Anne Elbrecht; © Museum Angewandte Kunst
Während der Direktor ausführlich über die großen Sonderausstellungen im ersten Halbjahr berichtete, hielt er sich mit Informationen über das Programm in der zweiten Jahreshälfte zurück. Er wies nur auf die von Dr. Stephan von der Schulenburg kuratierte Schau 歐堂 „meet asian art: Von Drachen, Einhörnern und Mondhasen. Tierische und mythische Wesen im Alten China“ hin, die noch bis zum 30. August 2020 zu sehen ist. Das Museum greift ab September ein weiteres Mal in seine beeindruckende Schatzkiste ostasiatischer Pretiosen und zeigt 歐堂 „meet asian art: Schalen. Metamorphosen einer Grundform“. Die kleine, aber feine Präsentation widmet sich der archetypischen Form und Schönheit der Schale. Zu sehen sind ausgewählte Beispiele aus China, Korea, Japan und Südostasien, gefertigt über vier Jahrtausende hinweg in den unterschiedlichsten Materialien und Techniken.
Die drei große Präsentationen werden ergänzt durch ein reichhaltiges Veranstaltungsprogramm, das von der „iQ – Konzertreihe mit Neukompositionen“ über die Podiumsreihe „Grafikdesign denken – Grafikdesign sprechen“, Diskussionsforen bis hin zum „Neuen Museum für Bienen“ reicht. Auch die Provenienz-Forschung wird weiter fortgesetzt und für 2022 ist eine Sonderausstellung dazu geplant.
Die Gastausstellung „German Design Award 2020“ ist vom 8. bis 23. Februar 2020 im Museum Angewandte Kunst zu sehen. Der 2012 initiierte „German Design Award“ ist der internationale Premiumpreis des „Rat für Formgebung“. Sein Ziel ist es, einzigartige Gestaltungstrends zu entdecken, zu präsentieren und auszuzeichnen. Jährlich werden hochkarätige Einreichungen aus dem Produkt- und Kommunikationsdesign prämiert, die alle auf ihre Art wegweisend in der internationalen Designlandschaft sind.
Diese aufwendigen Inszenierungen im Museum Angewandte Kunstsind, wie Wagner K betont, nicht ohne die großzügige Unterstützung einer Reihe von Stiftern, Förderern und Sponsoren möglich: Dr. Marschner Stiftung, die Ernst Max von Grunelius-Stiftung, das Bankhaus Metzler, die Stiftung Polytechnische Gesellschaft, Ernst & Young GmbH, Beiten Burkhardt mbH, Rat für Formgebung, der Kulturfonds Frankfurt RheinMain, die Hessische Kulturstiftung sowie Willkie Farr & Gallagher LLP, die Stadt Frankfurt am Main, respektive das Kulturdezernat für Kultur und Wissenschaft und die Stiftung Kunstfonds, Bonn.
Weitere Informationen unter: www.museumangewandtekunst.de
Fotos: Museum Angewandte Kunst