„After Rubens“: Absolventenausstellung der Städelschule 2018 (4)
Skulptur – oft in Verwandtschaft zur Installation
Von Erhard Metz
Skulptur oder skulpturale Installation – das ist nicht selten die Frage. Nun, man muss ja nicht gleich alles in definitorische Kästchen einordnen wollen, zumal Künstlerinnen und Künstler seit langem interdisziplinär und medienübergreifend arbeiten.
Laxlan Petras, fear not ma knell, for the second is not last, 2018, lem, soil, hessian, metal, wood, cement, polypropylene, string, glue, plaster, hay, 185 x 137 x 137 cm
„Fest gemauert in der Erden / Steht die Form, aus Lehm gebrannt.“ Wer lernt heute noch das populäre Schiller-Gedicht? Aber Laxlan Petras (geboren 1989 in Melbourne) nahm die Sache ernst, reiste eigens in eine Glockengießerei und verwendete für sein Werk Original-Lehm für Glockenguß aus Hessen. Das Relief des Glockenrands lässt uns in Gedanken zu manchen antiken Ruinenstätten wandern – und überhaupt: das uralte, in vielen Kulturen verbreitete Kult- und Musikinstrument lässt eine Vielzahl an Assoziationen zu.
Federica Partinico (1989 in Spilimbergo geboren) zieht es eher in die Höhe – ihren Matterhorn-ähnlichen Berg in ihrer zweiteiligen Arbeit ziert sie mit der Inschrift „ALTISSIMA PURISSIMA LEVISSIMA“, was frei übersetzt etwa heißt die Höchste – die Reinste – die Glatteste, Zarteste, Jugendlichste. Die Wortendungen stehen für die weibliche Form – wir hoffen deshalb, die Künstlerin spricht von sich selbst?
Federica Partinico, Untitled, 2019, papier-mâché, wall paint, pigment, 220 x ø160 cm
Stefan Cantante, Emergency Exit Sign II, 2018, steel, acryl glass, 65 x 16 x 5 cm
Stefan Cantante (1992 in München geboren) wollte in seiner dreiteiligen Arbeit zunächst das bekannte grün-weiße Piktogramm für einen (Not)Ausgang verwenden, was jedoch nicht gestattet wurde. Nun baute er ein ähnliches Kästchen nach und versah es mit einem Zitat aus den „Tabula Rasa Lyrics“ der bekannten Musikkünstlerin Björk. Ein Absolvent, entlassen ins freie Künstlerdasein, sucht den Notausgang? Nein, Cantante setzt mit dem provokanten Satz ein Signal für eine befreite künstlerische Zukunft! Oder?
Der vielseitige, interdisziplinär arbeitende Künstler Nimrod Karmi (geboren 1987 in Haifa) präsentiert seine Arbeiten an mehreren Standorten innerhalb der Ausstellung: Kleine skulpturale Elemente formiert er zu Gruppen, in einer Zusammenstellung von 36 Zeichnungen jeweils im Format 36 x 48 cm (hier nicht abgebildet) finden wir kindlich anmutende Szenen aus dem Leben eines Kindes mit rotblondem Haarschopf, bekleidet mit einem roten Oberteil und blauer Hose, welches wir, symbolisiert in einer Puppe, im tiefsten Geschoss des Ausstellungshauses vor den Toiletten wiederfinden. Es sind berührende Arbeiten.
↑↓ Nimrod Karmi, Untitled, 2018, sculptures, concrete, glitter, spray paint, various dimensions; doll, fabric and cotton, 188 x 14 cm
Iulia Nistor (1985 in Bukarest geboren) ergreift in ihrer skulpturalen Installation sozusagen Besitz vom Ausstellungshaus, das sie in ihr Werk aus original Solnhofer Kalksteinplatten (wie sie den Boden des Raumes bedecken), die sie an einer Wand positioniert, gleichsam einbezieht. Eine schon philosophisch anmutende Arbeit. „Die Frage nach dem Grund. Was ist unter meinen Füßen?“ lesen wir denn auch als Ausgangsposition eines Gesprächs der Künstlerin mit Dana Schütte im Katalog.
Iulia Nistor, o.T., 2018, Solnhofen limestone, pigments, 72 x 245,5 x 2,5 cm
Curtis McLean, Desert Rabbit II, 2016, plastic, 105 x 90 x 55 cm
Zum Abschluß unserer Serie von der diesjährigen Absolventenausstellung eine genial-ironische Arbeit von Curtis McLean (geboren 1979 in Moosomin/Kalifornien): ein Hase in einem Glaskasten. Aber was für einer! Unverkennbar stand der Lindt-Goldhase Pate, um den die berühmte Firma gegen die Confiserie Riegelein zwölf Jahre lang letztlich vergeblich urheber- und markenrechtlich prozessierte. So wird sie nun sicherlich auch den McLeanschen „Grünhasen“ in Ruhe lassen. Für den Künstler steht er sicherlich für die Merkwürdigkeiten einer Konsumgüterindustrie in einer gewinnorientierten Welt der Rechteinhaber (allein für Ostern im Jahr des Revisionsurteils soll Lindt 150 Millionen Goldhasen produziert haben). Er zitiert dabei natürlich auch den Dürer-Hasen, der es bis in die oberste Liga der Kitschpostkarten geschafft hat. Aber auch der urheberrechtlich zu Tode geschützte Beuys-Hase kommt in Erinnerung; und natürlich all die hochglanzpolierten Ballonfiguren des auch für seine Urheberrechtsprozesse bekannten Welt-Künstler-Superstars Jeff Koons, die vor Jahren im Liebieghaus je nach Befindlichkeit beim Publikum Ge- wie auch Mißfallen erregten. Eine tolle, beziehungsreiche Arbeit!
After Rubens. Absolventenausstellung der Städelschule 2018, Städel Museum Ausstellungshaus, bis 5. August 2018; Führungen durch die Ausstellung mit dem Kuratorenteam am 3. August, 19 Uhr, und am 4. August 2018, 14 Uhr
Abgebildete Arbeiten © jeweilige Künstlerinnen/Künstler; Fotos: Erhard Metz
→ „After Rubens“: Absolventenausstellung der Städelschule 2018 – Absolventenpreis an J. M. Heard
→ „After Rubens“: Absolventenausstellung der Städelschule 2018 (2)
→ „After Rubens“: Absolventenausstellung der Städelschule 2018 (3)
→ Städelschule: Rundgang 2018
→ Absolventenausstellung 2017 der Städelschule – Absolventenpreis an Leda Bourgogne
→ 200 Jahre Städelschule: 10 Jahre Streiflichter zu Rundgängen und Absolventenausstellungen