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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Retrospektive des Luxemburger Malers Edmond Goergen im Haus Beda in Bitburg

„Vom Schrecken ins Licht“

Edmond Goergen (1914-2000) ist ein Maler und Mensch, der den Weg vom Schrecken ins Licht gefunden hat. Diese innere Spannung im Goergenschen Werk stellt die Besonderheit eines Malers dar, der dem Grauen des Todeslagers in Mauthausen das Schöne, die Hoffnung, das Leben entgegensetzt. 18 Jahre nach seinem Tode hat seine Tochter Viviane Goergen, die in Frankfurt lebende Pianistin, seinen Nachlass gesichtet und unter Mitwirkung von Freunden, Stiftungen, Museen und „hundert helfenden Händen“ eine so umfangreiche wie vielfältige Retrospektive des Zeichners, Widerstandskämpfers, KZ-Insassen, Restaurators, Malers und Europäers zusammengestellt.

Von Petra Kammann

Der Maler Edmond Goergen in seinem Atelier, Foto: privat

Goergens Geschichte ist so ungewöhnlich wie es seine Zeichnungen, seine Malerei, seine Restaurationen alter Gemälde und Kirchen in Luxemburg sind. “Das Leben ist es wert, gelebt zu werden!“ lautete die Überzeugung eines Menschen, der die Hölle kennengelernt und das KZ Mauthausen überlebt hat. Man möchte ergänzen: das Leben ist es auch wert, gezeichnet oder gemalt zu werden…

Dem Luxemburger Maler Edmond Goergen war es auch in der Nachkriegszeit wichtig, der Realität ins Auge zu schauen und das zu zeichnen und zu malen, was er sah, was sich ihm auf besondere Weise eingeprägt hat. Er wollte sich nicht – wie einige seiner Zeitgenossen – abstrakt oder in Symbolen ausdrücken. „Ich richte mich nicht nach Schulen und Tendenzen. Es ist das Subjekt und sein Temperament, das mir die Konzeption und die Technik des zu malenden Werkes diktiert“, sagte er. Seine Kunst ist daher sowohl gegenständlich als auch figurativ und kann als Weiterentwicklung der impressionistischen Malweise gesehen werden. Das Porträt und die Landschaft blieben seine bevorzugten Motive.

Windungen an der Obersauer, 1968, Öl auf Leinwand, Privatbesitz

Schon ab 1945 hatte er trotz seiner durch den KZ-Aufenthalt angegriffenen Gesundheit ein Studium an der École Nationale Supérieure des Beaux Arts in Paris aufgenommen und auch im Restaurierungsatelier des Louvre gearbeitet, um seine Technik zu vervollkommnen. Ursprünglich hatte er sich die Maltechniken in einem abendlichen Fernstudium erworben.

Um seinen Lebensunterhalt zu bewerkstelligen, hatte Goergen vor dem Krieg nämlich zunächst als Hochfrequenzfunker bei Radio Luxemburg gearbeitet, weswegen er auch über die Vorhaben der Nazis an geheime Informationen der Alliierten gekommen war und sich daher dem luxemburger wie auch dem französischen Widerstand angeschlossen hatte. Er wollte seine betroffenen Landsleute schützen und verhalf 150 von ihnen zur Flucht über Frankreich nach England. Doch er wurde verraten, entdeckt, gefangen genommen, zunächst ins KZ Hinzert und schließlich nach Mauthausen transportiert, was einem Todesurteil gleichkam.

Vallée du Rhône, Das Tal der Rhône, 1976, Frankreich, 92 x 65 cm, Privatbesitz, Deutschland

Seine Zeichnungen aus dem Konzentrationslager Mauthausen, die neben den in der Nachkriegszeit entstandenen Gemälden in der Ausstellung im Haus Beda in Bitburg zu sehen sind, sind von großer Drastik und  Eindringlichkeit. Goergen scheute sich nicht, den Tod und das Sterben eines einzelnen Menschen mit dem eindringlichen Blick zu zeichnen. War Gefahr im Verzug, dabei entdeckt zu werden, verschluckte er seine Zeichnungen. „Noch Jahre später litt er daher unter Erstickungsängsten“, berichtet seine Tochter Viviane Goergen.

Trotz höchster Lebensgefahr im Konzentrationslager Mauthausen habe er ganz bewusst seine sterbenden Lagergenossen gezeichnet, um ihnen in seinen Bildern ihre Würde zurückzugeben und sie damit weiterleben zu lassen. In der Bitburger Schau sind nicht nur diese eindrucksvollen  Zeichnungen zu sehen, sondern auch Schriftdokumente und ein früher Schwarz-Weiß-Film, in dem er seine Erfahrungen schildert.

Er selbst hatte das Glück, in letzter Minute befreit zu werden. Und er hatte im KZ wichtige Leidensgenossen und andere Europäer kennengelernt, was ihn sich nach dem Krieg leidenschaftlich für Europa einsetzen ließ. 1969 jedenfalls tauschten sich die „Leidensgenossen“ Eugen Kogon, Simon Wiesenthal, André Malraux oder auch der Luxemburger Minister Pierre Grégoire im Comité Européen pour la Recherche Scientifique des Origines et des Conséquences de la Deuxième Guerre Mondiale mit Sitz in Luxemburg aus.

„Gloire immortelle“, Unsterblicher Ruhm, 1945, KZ Mauthausen, Collection du Musée National d’histoire et d’art Luxembourg, für die Ausstellung freundlicherweise zur Verfügung gestellt

So war es ihm nach seiner Befreiung genauso wichtig, die Schönheit der Natur, der Stadträume oder der Menschen darzustellen, wissend, dass sie ein flüchtiges Geschenk sind, das jederzeit dem Menschen geraubt werden kann. Und nach dem Krieg entstehen schließlich seine schönen Ölgemälde: dynamische Kompositionen mit energiegeladenen kräftigen Pinselstrichen, einem pastosen Farbauftrag und einem reichem Farbenspiel.

Zahlreiche Dokumente und Würdigungen befinden sich ebenfalls in der Ausstellung, Foto: Sabine Kuypers

Allein über 30 Gemälde hat das Musée National d’historie et d’Arts (MNHA) für die Schau ausgeliehen. So nimmt es nicht Wunder, dass die Königlichen Hoheiten des Großherzogs und der Großherzogin von Luxemburg die Schirmherrschaft für die Ausstellung übernommen haben. Denn Goergen hat nach dem Krieg die künstlerische Szene außerordentlich belebt, und er hat die ihm zustehende Anerkennung bekommen.

Überhaupt sind auch in einigen Ausstellungskästen die zahlreichen Würdigungen, die der Humanist Edmond Goergen nach dem Krieg in verschiedenen europäischen Ländern erworben hat, in der Schau versammelt.

↑ Viviane Goergen, Tochter von Edmond Goergen , Pianistin und Musikcoach, Frankfurt am Main, im Hintergrund Goergens Porträt von ihr am Klavier, Foto: Petra Kammann

↓ Edmond Goergen, Viviane am Klavier, 1960, Privatbesitz

Seine leuchtenden, farbenfrohen Stadträume, seine lichterfüllten Szenen am Meer, seine mit Menschen belebten Straßen und Plätze sind voller Optimismus und Lebensfreude, wenn auch die äußere intensiv erlebte Schönheit und Harmonie in seinen Bildern bisweilen durch den lebhaften Pinselstrich von einer gewissen inneren Unruhe begleitet ist, von einer unheilvollen Ahnung, die sich teils in den dunkleren Farben ausdrückt. Es scheint, als läge über seinen Porträts und Landschaften der Schleier einer eigentümlichen Melancholie, vor allem in den Winterbildern wie der Linde mit den dürren Ästen oder auch in einigen der Porträts, vor allem in den Selbstporträts.

Ein weiterer dokumentarischer Schwarz-Weiß-Film wie auch Fotos, Artikel und Dokumente sind in der Ausstellung Goergens Tätigkeiten als Restaurator gewidmet. Sie lassen den Besucher an seiner tief verankerten Liebe zur bildenden Kunst – auch der alten Kunst – teilhaben. Beeindruckend, wie er in kleinen Örtchen in Luxemburg in alten renovierungsbedürftigen Kirchlein und Kapellen hoch oben auf dem Gerüst unter der Decke hängt, arbeitet und Fresken oder Skulpturen freilegt. Für Luxemburg war er ein Pionier des Denkmalschutzes. Außerdem war er beratend für den Denkmalschutz  auch international tätig.

Edmond Goergen arbeitet an einem Gewölbebeschlussstein in der Kirche von Rindschleiden, Foto: Marcel Tockert

Dass der Luxemburger Premier- und Kulturminister Xavier Bettel ebenso wie die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer ein Grußwort für den so informativen wie vielfältigen Katalog (Verlag Imhof) geschrieben haben und die Ausstellung in einem großen Festakt mit Konzert eröffnet wurde, ist nicht zuletzt auch ein Zeichen dafür, dass neben seinen künstlerischen Fähigkeiten, die der Maler besaß, der Mensch Edmond Goergen auch ein großer politisch engagierter Europäer war, der mit seiner Menschenliebe heute als großartiges Vorbild für das aktuelle Europa taugt.

Die Ausstellung Edmond Goergen (1914 – 2000). „Der Luxemburger Maler. Vom Schrecken ins Licht“ steht unter der Schirmherrschaft Ihrer Königlichen Hoheiten des Großherzogs und der Großherzogin von Luxemburg noch bis zum 19. August 2018 im Haus Beda in Bitburg, Bedaplatz 1, zu sehen.

Am 11. August wird Viviane Georgen persönlich durch die Ausstellung führen. 

Öffnungszeiten: dienstags – freitags:15:00 – 18:00 Uhr, samstags, sonn- u. feiertags: 14:00 – 18:00 Uhr

Eine Würdigung Edmond Goergens von Andreas Pesch ist auch in FeuilletonFrankfurt nachzulesen.

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