„Karl Lagerfeld. Modemethode“ in der Bundeskunsthalle Bonn
Mode hat Methode: Wie Karl Lagerfeld sich ständig neu erfindet, zeigt eine Ausstellung über den Modeschöpfer in der Bonner Bundeskunsthalle
Von Petra Kammann
Verleger Gerhard Steidl vor einem Foto von Karl Lagerfeld
Kaum ist eine Sache abgeschlossen, ist Karl, der Große (Modedesigner) längst schon wieder woanders: statt nach Bonn zu kommen, hat Karl Lagerfeld Gastgeberin Caroline Prinzessin von Hannover zu Ehren in Monaco gerade den traditionellen Rosenball ausgestattet, und zwar im Stil des Art Déco. Aber auch ohne ihn präsentiert sich die Bundeskunsthalle in Bonn selbstbewusst mit ihrer neuen Karl Lagerfeld-Ausstellung „Modemethode“. Denn hier ist dafür „der ganze Mode-Lagerfeld aus 60 Jahren“ zu sehen, anders, als vor einem Jahr im Essener Folkwang Museum, wo wir in „Parallele Gegensätze“ das Multitalent, den Fotografen, den Buchkünstler und den Modezeichner erleben konnten, oder in der Kunsthalle Hamburg, die unter dem Titel „Feuerbachs Musen – Lagerfelds Models“ den Versuch unternahm, den Maler Anselm Feuerbach und den Fotografen Lagerfeld in einer Ausstellung zusammenzuführen. Und doch ist Lagerfeld auch in Bonn auf Schritt und Tritt präsent, zumal der weißgepuderte Herr mit Zopf und Vatermörder in strengem Schwarz-Weiß ohnehin sein eigenes Logo ist, was er übrigens durchaus selbstironisch kommentiert: „Ich heiße inzwischen nicht mehr Lagerfeld, sondern Logofeld“.
Hier in Bonn wird greif- und fühlbar, wie der in Hamburg geborene und seit vielen Jahren in Paris lebende und international agierende Designer tickt. Und vor allem, wie dieser stilprägend war und nach wie vor ist. Wie frisch wirken noch heute seine frühen Modelle wie etwa der nachgeschneiderte Entwurf des gelben Wollmantels, der ihm 1954 den Preis des Internationalen Wollsekretariats (Woolmark Prize) und sein erstes Engagement als Deutscher bei Balmain in Paris eintrug. 1958 wechselte er dann zu Jean Patou und blieb dort bis 1963 Künstlerischer Direktor. Dann wurde er zum Chefdesigner von Chloé ernannt, wo er zunächst bis 1983 tätig war, später noch einmal von 1992 bis 1997. Weltweite Anerkennung verschaffte ihm bei Chloé 1972 die Deco-Kollektion aus Schwarz-Weiß-Drucken und asymmetrischen Schnitten. Seit 1965 entwirft Lagerfeld für das italienische Pelz- und Modeunternehmen Fendi regelmäßig zwei, neuerdings vier Kollektionen pro Jahr. Und seit 1983 gilt der Modeschöpfer und künstlerische Direktor und Chefdesigner von Chanel als veritabler Nachfolger der Gründerin und Modelegende Coco Chanel. Dabei hat er stetig Klassiker wie das Chanel-Kostüm durch unkonventionelles Design erneuert. 1974 gründete Lagerfeld in Deutschland unter seinem eigenen Namen sein erstes eigenes Unternehmen. In Bonn sehen wir Exponate aus diesen verschiedenen Schaffensperioden.
Der prämierte gelbe Mantel von 1954
Bis zu acht Kollektionen entwirft der schlagfertige, inzwischen über achtzigjährige Modedesigner pro Jahr. Und so wird hier auch ein großer Bogen quer durch die Modegeschichte geschlagen. Schon beim Betreten der Räume ist man gleich in einer ganz anderen Welt, besser noch in verschiedenen Welten. In den ersten Räumen, wo so eine Garagen-Street-Optik herrscht, werden die unterschiedlichen Looks der Prêt-à-porter auf grauen Inseln in transparenten Figurinen präsentiert. Karl Lagerfeld hat Mode immer wieder neu erdacht – kreativ, und das mit Methode und Umfeld. Denn seine Phantasie hat diese Welten jeweils neu entworfen für Chloé, für Fendi, für Coco Chanel und für die Linie Karl Lagerfeld selbst – und das mit allen Details und Accessoires. Lediglich die Linie, die er 2004 für die Billigkette H & M entwarf, ist hier ausgespart. Große Modehäuser stellten die Leihgaben zur Verfügung. Diese werden ergänzt durch Skizzen und 170 verschiedene Accessoires. Mehr als 120 Looks sind in der opulenten Bonner Schau zu sehen, wobei Lagerfelds Schaffen als Designer weitgehend chronologisch gruppiert ist. In der Bonner Schau liegt die Konzentration auf der Haute Couture, die jedoch eine wirklich hohe Kunst ist.
Pelzmäntel von Fendi
Lagerfeld kann aber immer auch auf ein eingespieltes Team zurückblicken, was sich hier positiv auswirkt. Kunstbuchverleger Gerhard Steidl, für den Karl Lagerfeld inzwischen eigens zwei Editionsreihen schuf – seit etwa zehn Jahren erscheint bei Steidl die Edition 7L Paris und seit 2010 die Reihe L.S.D. (Lagerfeld. Steidl. Druckerei. Verlag) – , gehört inzwischen zum Lagerfeld-Team. Steidl entwickelte für Bonn das Ausstellungsdesign aus Pappmaché-Betonmauern in Street-Optik.
Kurz, bevor die Preview zur Ausstellung beginnt, macht er noch einen kontrollierenden Rundgang. Alles ist gut und Steidl, der ebenso perfektionistisch und ein Papieraficionado wie Lagerfeld selbst ist, freut sich, dass die hier ausgestellten Lagerfeld-Kreationen perfekt aufgebaut und ohne Glasvitrinen erlebbar sind: „Das ist normalerweise nicht so. Uns war das aber insofern ganz wichtig, dass man einfach das Material wirklich ganz nah sehen kann. Stoff oder auch Pelz, alle Materialien haben ja etwas sehr Taktiles, Sensuelles, und das wird durch Glas immer so ein bisschen gedämpft. Selbst das Metropolitan Museum, das – gegen seine Überzeugung – ein Exponat zur Verfügung stellt, hat ausnahmsweise hier auf Vitrinen verzichtet.“ Und genau das macht einen Teil des Charmes dieser gelungenen Ausstellung aus. Jedes Kleid scheint zu atmen. Und so erlebt man auch den fließenden Hauch eines Kleides.
In den 70er Jahren schafft er einen eigenen Chloé-Kosmos
Zunächst einmal erleben wir – projiziert auf eine Wand – im Foyer der Ausstellung den Schreibtisch des Kreativen in Paris mit herumliegenden Stapeln von Büchern wie Biografien über Oscar Wilde oder den Exzentriker Barbey d’Aurevilly, Zeitschriften, Stoffmustern, Zeichenstiften, Skizzenblätter, Pinseln und Rougetöpfchen. „Ich muss immer Papier unter meinen Händen spüren, damit ich mich ausdrücken kann“, sagt Lagerfeld in einem Interview mit der Modezeitschrift „Vogue“, die als Sondernummer und in Zusammenarbeit mit dem Steidl Verlag anlässlich der Ausstellung erscheint. Natürlich ist Christiane Arp, Chefredakteurin der Vogue Deutschland, ebenfalls anwesend. Sie, aber auch alle anderen, die mit Lagerfeld zusammenarbeiten, sind voll der Bewunderung über den rastlos Kreativen, dem es deshalb nicht etwa an Präzision mangelt.
Die Wände sind mit höchst phantasievollen Accessoires „gepflastert“: pfauenhaft farbige oder ästhetisch strenge. Taschen, Schuhe, Schmuck, Knöpfe
Das alles in einer Halle der Kunst? Der Leiter der Bundeskunsthalle Rein Wolfs erläutert seinen Ansatz vor dem handverlesenen Publikum: „Mich interessiert die gesamte visuelle Kultur, und deshalb ist es für mich wichtig, Mode auch immer mit einzubeziehen in der Programmierung. Ich komme aus einer niederländischen Tradition, und da sammeln und präsentieren die Museen seit eh und je neben Bildender Kunst auch Design, Kunstgewerbe und Mode …“ Wie auch immer, hier in Bonn stehen die Mode-Kreationen im Mittelpunkt. Bei einem Besuch vorab in Paris holte sich Wolfs das Wohlwollen des Meisters. Zweite Kuratorin wurde Lagerfelds langjährige und enge Vertraute Amanda Harlech.
Der Leiter der Bundeskunsthalle, Rein Wolfs, und Vogue-Chefredakteurin Christiane Arp
Überall ist man in den Räumen der Mode sehr nahe, die Lagerfeld mit höchster Professionalität und Präzision in einer Art Kosmos in Szene setzt wie zum Beispiel bei Chloé um ein Sofa herum, das den Geist der Zeit widerspiegelt. Die meisten der insgesamt 126 „Looks“ aus sechs Jahrzehnten - Kleider und Kostüme zumeist – auf Torsos oder Schaufensterpuppen sind ein Ausdruck ihrer Zeit und zugleich zeitlos, Kleider aus Fell-Quadraten, die Neuerfindung des Kleinen Schwarzen, ergänzt von einer Chiffon-Stola oder lange, mittellange Ballkleider und elegante, weiblich-figurbetonte Abendroben mit tiefem Dekolleté. Hier eine wattierte Satinstola mit asiatisch anmutender Hose im Reithosen-Stil aus den 70ern für Fendi, dort ein mit Seidenbändern besticktes luftiges Kleid, das Lagerfeld in den 80ern für Chloé fertigte. Andere Ensembles wirken durch strenges Schwarz-Weiß. Den typischen Chanel-Tweed macht Lagerfeld in zahlreichen Varianten auf: Bestickt, mit Glitzernfäden durchwirkt, die durchblitzen in den verschiedensten Nuancen zwischen Schwarz und Weiß.
Asiatisch anmutend: Wattierte Satinstola mit Hose im Reithosen-Stil
Der zweite Teil der Schau ist den Haute-Couture-Entwürfen gewidmet, das Künstlertrio Wanda Barcelona hat dafür eigens eine Traumwelt geschaffen, einen Papier-Palast aus weißen, unbedruckten schwebende Schnipseln, unter denen die opulenteren Kreationen der legendären Chanel-Schauen im besten und wörtlichen Sinne phantastisch zur Geltung kommen. Das letzte Stück der Ausstellung ist ein Hochzeitskleid aus der Herbst-/Winterkollektion 2014/15 für Schwangere. Mit seiner goldverzierten Schleppe sieht es aus wie die Robe einer Zarin. Kleines ironisches Detail: das Hochzeitskleid ist aus Neopren.
↑ Der Papier-Palast von Wanda Barcelona für die Haute Couture
↓ Goldbesticktes Brautkleid aus Neopren für eine “Zarin”
Wie in allen Exponaten fällt auf, dass dem Meister das Spiel mit den Materialien ebenso sehr gefallen muss wie das Spiel mit der Sprache. Lagerfeld denkt und formuliert unterschiedlos und parallel auf Deutsch, Französisch und Englisch. Und seine Methode umschließt sogar noch mehr: Neben Zeichnungen und Entwürfen von Knöpfen und anderen Accessoires, neben Plakaten und Fotografien lässt er selbst den Sound eigens für seine Schauen komponieren. Auch das lässt sich hier hören.
Schade nur, dass in der Schau die von ihm entworfene erschwingliche H&M-Kollektion nicht zu sehen ist. Sie hätte gezeigt, dass der Meister nicht nur Spaß daran hat, für die Luxusindustrie Objekte zu ersinnen, sondern sein Spaß in der Herausforderung liegt, sich ständig neu zu erfinden. Daher erscheint es nur logisch, dass nichts, aber auch auch gar nichts bis heute altbacken daherkommt, weder seine Kreationen noch der über 80jährige selbst.
Karl Lagerfeld 2014 beim Signieren im Folkwang Museum in Essen
Die Ausstellung „Larl Lagerfeld. Modemethode“ in der Bundeskunsthalle, Bonn ist bis zum 13. September zu sehen
Fotos: Petra Kammann