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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Louise Röslers facettenreiches Werk im Museum Giersch

Lebenslange Neugier an unterschiedlichsten Techniken und Materialien

Von Hans-Bernd Heier

Das MGGU (Museum Giersch der Goethe- Universität) stellt erstmals im Frankfurter Raum das vielseitige Werk von Louise Rösler in einer Retrospektive aus. Ihr kraftvolles Schaffen zählt zu den interessanten und wichtigen Positionen der deutschen Kunst des 20. Jahrhunderts, die es wiederzuentdecken gilt. Die umfassende Schau „Paris, Königstein, Berlin. Louise Rösler (1907–1993)“ versammelt über 160 Leihgaben, darunter Gemälde, Collagen, Farb-/Filzstiftarbeiten, Aquarelle, Gouachen, Pastelle und Druckgraphiken aus allen Schaffensphasen der herausragenden Künstlerin. Die immer wieder überraschenden Techniken und Materialien beeindrucken dabei ebenso wie ihre kraftvolle Individualität und Eigenständigkeit.

Louise Rösler: „Mein Pariser Zimmer“, 1934, Öl auf Leinwand, 50,5 × 61 cm, Museum Atelierhaus Rösler-Kröhnke; Foto: MGGU / Uwe Dettmar © Anka Kröhnke

„Einzelne Werke von Louise Rösler waren bereits in den vergangenen Jahren im Museum Giersch zu sehen. Dabei wurde deutlich, dass ihr Werk ein wahrer Schatz ist, dessen Fülle noch nicht vollständig gehoben wurde“, erläutert Direktorin Ina Neddermeyer. Diese Erkenntnis aus den vorherigen Präsentationen bildete den Ausgangspunkt für die Planung einer umfassenden Einzelausstellung, initiiert und kuratiert von Susanne Wartenberg. “Denn das Werk von Louise Rösler überzeugt in seiner sinnlich-künstlerischen Qualität und ist reich an Erfindungsgeist. Es zeugt von einer lebenslangen Neugier an unterschiedlichsten Techniken und Materialien“, sagt Wartenberg. Mit dieser Präsentation leiste das Museum einen weiteren Beitrag dazu, Künstlerinnen und Künstler außerhalb des etablierten kunsthistorischen Kanons einem breiten Publikum zugänglich zu machen.

„Alexanderplatz mit Berolina im Schnee“, 1935, Öl auf Leinwand, 46 × 55 cm; Museum Atelierhaus Rösler-Kröhnke; Foto: MGGU / Uwe Dettmar © Anka Kröhnke

Die 1907 in Berlin geborene Louise Rösler wuchs in einem kunstaffinen Elternhaus auf. Ermutigt durch ihren Vater, der selbst Künstler war, absolvierte sie eine Ausbildung an der Privatkunstschule Hans Hofmanns in München und in der Klasse von Karl Hofer an den Berliner Staatschulen für freie und angewandte Kunst. Ausgedehnte Studienaufenthalte in Paris, Südfrankreich, Spanien und Italien schlossen sich daran an. 1933 kehrte sie nach Deutschland zurück und ließ sich in Berlin nieder.

„Besuch am Fenster“, 1950, Öl, Ritzungen auf Hartfaserplatte, 15,8 × 16,2 cm; Museum Atelierhaus Rösler-Kröhnke; Foto: MGGU / Uwe Dettmar © Anka Kröhnke

1943 wurde Louise Rösler mit ihrer kleinen Tochter Anka nach Königstein im Taunus evakuiert, nachdem die Berliner Atelierwohnung der Familie durch einen Bombenangriff komplett zerstört worden war. Ihr Mann Walter Kröhnke war bereits 1939 zur Wehrmacht einberufen worden und galt seit 1944 galt in Russland als vermisst. Trotz der äußerst schwierigen Umstände gelang Rösler in Königstein die Wiederaufnahme ihrer künstlerischen Tätigkeit. „Ihre vormals gegenständlich geprägten Malereien wurden nun zunehmend abstrakter, Farbe und Form entfalteten sich autonom“, so die Co-Kuratorinnen Laura Domes und Katrin Kolk.

„Komposition mit rotem Mond“, 1952, Collage, Öl auf Pappe, 30 × 40,5 cm; Museum Atelierhaus Rösler-Kröhnke; Foto: MGGU / Uwe Dettmar © Anka Kröhnke

Nach 16 Jahren in der Rhein-Main-Region kehrte Rösler 1959 zurück in ihre Heimatstadt Berlin und setzte dort ihre künstlerische Tätigkeit teils in noch freierer Form, teils wieder mehr gegenstandsbezogen fort. Bis kurz vor ihrem Tod 1993 war sie künstlerisch tätig.

In chronologisch-thematischer Abfolge widmen sich die Ausstellungsräume im MGGU den verschiedenen Werkphasen und -gruppen. Zugleich verdeutlicht die Schau durch die parallele Präsentation von Biographie, Werk und Rezeption auch die kunsthistorische Forschung.

„Hommage à Naum Gabo“, 1970, Schuhspanner, Holz, bronziert, 22,5 × 30 × 15 cm; Museum Atelierhaus Rösler-Kröhnke; Foto: MGGU / Uwe Dettmar © Anka Kröhnke

Das urbane Leben mit seiner Fülle an visuellen Reizen – Farben, Formen, Licht und Bewegung – übte zeitlebens eine große Faszination auf die Künstlerin aus und zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Werk. „Mein Hauptthema ist die Großstadt – und da die Straße – manchmal aber auch Bahnhöfe, Cafés etc.“, sagte Rösler rückblickend. Die Berliner Stadtlandschaften der 1930er Jahre sind dabei durchweg gegenständlich. Mit dem subjektiven Blick der umherstreifenden Flaneurin sammelte Rösler Eindrücke, die sie im Atelier zu Bildern verdichtete.

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 kam Röslers künstlerische Tätigkeit beinahe vollständig zum Erliegen. Sie selbst lebte mit der 1940 geborenen Tochter Anka in prekären Verhältnissen. Für künstlerische Arbeit blieb ihr zunächst keine Zeit. Unter provisorischen Bedingungen fertigte sie später Arbeiten auf Papier. Als Folge des allgegenwärtigen Materialmangels entstanden meist kleinformatige Arbeiten. Um zusätzliche Verdienstmöglichkeiten zu erschließen, entwarf Rösler auch Spielkarten und Illustrationen.

„Landschaftliche Komposition“ 1956, Öl auf Hartfaserplatte, 66 × 82 cm; Museum Atelierhaus Rösler-Kröhnke;  Foto: MGGU / Uwe Dettmar © Anka Kröhnke

Ab den 1950er Jahren wandte die Künstlerin sich verstärkt der Collage zu. Hier kam Rösler ihre Experimentierfreude zugute. Gefundene Materialien des städtischen Alltagslebens, wie z.B. Bonbonpapier, Blisterpackungen sowie plastische Teile aus Holz, Metall und Plastik fanden nun Eingang in ihre Bildkompositionen. Diese Alltagsfundstücke wurden nun Teil ihrer Bildwelten: „Ich habe in vielen Techniken gearbeitet, da ich gerne experimentiere. Meine bevorzugte Technik ist die Collage. Bei der Collage interessiert es mich, aus banalsten Dingen – meistens Papierfetzchen die ich auf der Straße finde – etwas Kostbares zu machen. Namentlich die schillernden Staniolpapiere haben es mir angetan, die ich gern verwende, wenn ich an Straßen mit Lichtreklame denke. Das ‚Bilderkleben‘ gehört zu meinen bevorzugten Techniken und fasziniert mich jedesmal von neuem.“

Berliner Stadtansichten; Foto: Hans-Bernd Heier

„Dabei interessierte Rösler weniger die Bedeutung oder der Ursprungszusammenhang der Materialien. Vielmehr bediente sie sich der ästhetischen Effekte, hervorgerufen durch Beschaffenheit und Struktur, Farbe und Form“, sagt Wartenberg. Der spielerische Zugriff der Künstlerin auf vorgefundenes Material wird übrigens auch anhand der vier plastischen Werke deutlich, die sie Anfang der 1970er Jahre aus Schuhspannern fertigte und die in der Schau zu sehen sind. Diese verweisen mit ihren Titeln humorvoll auf die jeweilige Inspirationsquelle – „Im Dürerjahr“, „Hommage à Naum Gabo“, „Antipoden“ und „Die Nonne“.

Louise Rösler (vor ihrem Gemälde „Rummelplatz im Juni“), August 1988; Nachlass Louise Rösler; Foto: Birgit Kleber

Ab Mitte der 1950er Jahre arbeitete Louise Rösler in zunehmend größeren Formaten. Ihre Kompositionen nahmen an Schwung und Dynamik zu. „Der Gegenstandsbezug trat weiter in den Hintergrund, während die rhythmische Ausgestaltung der Bildfläche in Farb- und Formsegmente an Bedeutung gewann“, so die Kuratorinnen. Louise Röslers Vorliebe für Schwünge und Bogenformen setzte sich auch in ihrem malerischen Werk der 1960er und 1970er Jahre fort.

Ob abstrakt oder gegenstandsbezogen: Louise Rösler blieb bis in ihr Spätwerk dem Großstadtthema treu. In den Arbeiten der 1980er Jahre wird die Metropole wieder gegenständlicher und damit greifbarer, aber auch monumentaler im Format. Bis zu ihrem Lebensende bewahrte Rösler ihren eigenen Blick vor allem auf ihre Heimatstadt Berlin.

Eine zentrale Grundlage für die wissenschaftliche Aufarbeitung von Leben und Werk Louise Röslers – ein so Prof. Enrico Schleiff, Präsident der Goethe-Universität, wichtiges Anliegen des Ausstellungsprojekts – bildet ihr umfassender Nachlass. Es ist ein Glücksfall, dass dieser sich trotz der zahlreichen Schicksalsschläge und häufig prekären Lebensverhältnisse erhalten hat – wenn auch mit kriegsbedingten Lücken. Über 1.000 Werke sowie Briefe, Dokumente, Fotos und Kataloge werden von der Rösler-Tochter Anka Kröhnke im Museum Atelierhaus Rösler-Kröhnke in Kühlungsborn aufbewahrt und ausgestellt.

Zu der höchst beeindruckenden Präsentation ist ein umfangreicher Katalog im Wienand Verlag erschienen, 256 Seiten, Preis: 29 Euro im Museumsshop.

Die Ausstellung wird begleitet von einem vielfältigen Bildungs- und Vermittlungsangebot in analoger und digitaler Form; weitere Informationen unter:

www.mggu.de

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