„Im Garten der Zufriedenheit“ – Die Sammlung Chinesische Malerei
60 bedeutende Werke im Museum Angewandte Kunst
Die umfangreichen Asiatischen Sammlungen im Museum Angewandte Kunst gehen in ihren Anfängen auf das späte 19. Jahrhundert zurück. Doch blieb die chinesische Malerei lange ein Nischenthema. Immerhin sind heute rund sechzig teils hochbedeutende Werke Teil der Museumssammlung. Aufgrund ihrer Lichtempfindlichkeit werden sie jedoch nur selten und für begrenzte Zeit gezeigt. Alle ausgewählten Bilder wurden in einem mehrjährigen Forschungsprojekt ab 2020 wissenschaftlich aufgearbeitet. Anlässlich der Fertigstellung des Projekts wird die bislang weitgehend unbekannte Sammlung Chinesische Malerei nun in einer Ausstellung präsentiert und ist dort bis zum 14. Juli 2024 zu sehen.
Ausstellungsansicht „Im Garten der Zufriedenheit“, Foto: Guenzel/Rademacher / museum angewandte kunst
„Im Widerklang geistiger Energie“ möge „bewegtes Leben“ entstehen – qiyun shengdong 氣 韻生動 – so formuliert der chinesische Gelehrte Xie He im 6. Jahrhundert die erste seiner „Sechs Regeln“, die Malerei zu erfüllen habe. Wo dieser „Reflex des Spirituellen“ fehle, brauche man ein Bild gar nicht länger betrachten.
Bunte Päonien, Kaiserinwitwe Cixi 慈禧 (1835–1908) und Miao Jiahui 繆嘉蕙 (1842–1918), Datiert 1905, Hängerolle, Tusche und Farben auf Seide, 133,5 × 53 cm, Brokatmontierung, Knäufe aus Cloisonné, zugehöriger Holzkasten mit Drachenschnitzerei 14423, Geschenk der Familie im Andenken an Georg Mumm von Schwarzenstein, Foto: Rainer Drexel, © Museum Angewandte Kunst
Die geistige Dynamik von Kunst, die hier beschworen wird, ist zweifellos ein zentraler Gedanke, der die chinesische Malerei über Jahrhunderte geprägt hat. Dynamisch, prozesshaft und außerordentlich komplex ist oftmals schon die Entstehung eines solchen Kunstwerks: ein Maler bringt in Gegenwart seiner Freunde mit Pinsel und Tusche eine Komposition, etwa eine Gebirgslandschaft mit Gelehrtenklause, in einem eher raschen Prozess zu Papier.
Später formulieren der Maler selbst, seine Freunde, Sammler und oder auch spätere Betrachter des Bildes ihre Kommentare, entweder auf dem Bild selbst oder in Aufschriften, die sich beim Öffnen einer Querrolle an die eigentliche Komposition anschließen – das Kunstwerk wird so zum interaktiven Prozess, der sich sogar über Jahrhunderte hinziehen kann.
Die chinesische Malerei hat viele Gesichter :Landschaften, religiöse und mythologische Sujets, Genreszenen oder auch Porträt haben die chinesische Malerei geprägt. Dabei wird seit langer Zeit unterschieden zwischen Auftragsarbeiten, die von Berufsmalern ausgeführt wurden und solchen, die von gebildeten „Amateuren“ geschaffen wurden und seit jeher weit höher geschätzt werden als die ersteren.
Portrait des Ministers Jingweng 景翁 in seinem ‚Garten der Zufriedenheit‘ Yan Hongzi 嚴宏滋 (tätig 1751 – nach 1760), Datiert 1759, Querrolle, Tusche auf Papier, 34,5 x 348 cm, 11295, Schenkung C. Cords, 1943
Diese „Literatenmalerei“ hat viele Erscheinungsformen, zeichnet sich grundsätzlich jedoch durch eine bemerkenswerte Kontinuität und eine zurückhaltende, leise Sprache aus. Nicht selten wird auf Farbe völlig verzichtet, erscheint die Welt in ihnen allein in zarten Tuschespuren. Für den Betrachter bieten derartige Werke große Herausforderungen. Und so ist es kaum verwunderlich, dass, anders als z. B. das chinesische Porzellan, die Malerei aus dem Reich der Mitte erst sehr viel später und in weit geringerem Umfang den Weg in westliche Sammlungen gefunden hat.
Erst eine Kooperation mit der Ernst von Siemens Kunststiftung machte ab 2020 eine umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung dieses Bestandes möglich. Parallel dazu sollen alle Werke mit genauen Beschreibungen, Umschriften und Übersetzungen aller Aufschriften im neuen Sammlungsmodul auf der Museums-Website der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. So wird die leise und vielschichtige Sprache dieser Kunstwerke umfassend erfahrbar.
Weitere Infos:
„Im Garten der Zufriedenheit“ im
museumangewandtekunst
Schaumainkai 17
60594 Frankfurt am Main
www.museumangewandtekunst.de
Kurator:
Dr. Stephan von der Schulenburg
Zugang zur Sammlung digital: