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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Frauen in der Kurstadt Bad Nauheim zur Zeit des Jugendstils im Weltbad Nauheim

Von Wäscherinnen, Badewärterinnen, Zimmermädchen und Mäzeninnen

Ein Bericht von Hanne Kremin

Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war Bad Nauheim ein Ort mit ca. 5.000 Einwohnern und Einwohnerinnen, die pro Jahr mit rund 36.000 Kurgästen rechneten. Diese wollten versorgt sein. Und die Anzahl steigerte sich im Laufe der nächsten Jahre, denn die kleine Stadt in der Wetterau hatte dank der Solebäder und der Heilwässer einen internationalen Ruf als Bad mit Heilerfolgen.

Die Kurterrasse in Bad Nauheim zur Jugendstilzeit, Foto: Susanne Homann

Die Badehäuser im Sprudelhof, von 1905 bis 1911 im Zeichen des Jugendstils erbaut, trugen dazu bei, den Ort mit seiner außerordentlichen Atmosphäre  als einen gesellschaftlichen Mittelpunkt bekannt zu machen.

Die dadurch ständig steigende Zahl an Gesundheit suchenden Badegästen musste bewältigt werden, und folgende Zahlen verdeutlichen den Umfang der nötigen Arbeiten: die 240 Badezellen des Sprudelhofes umfassten 261 Wannen, davon waren 21 Zellen mit Doppelwannen ausgestattet. Beispiele der Zellen und auch einer mit Doppelwanne, nur für Ehepaare reserviert, sind noch im Badehaus 3 zu besichtigen. Bis zu 4.300 Bäder richtete das Personal pro Tag an, und dazu wurden 17.200 Handtücher ausgegeben.

Frauen waren für die Gesundung zuständig, Badewärter und Badewärterinnen zu der Zeit, Foto: StA Bad Nauheim

Das Personal stellten überwiegend Frauen, die die Gäste in den Badehäusern vom Empfang bis hin in das Sole-Bad betreuten, die in der Dampfwäscherei hinter dem Bahnhof für saubere Wäsche sorgten und die am Abend die Badehäuser reinigten.

Frauen fanden ebenfalls Arbeit in den Sanatorien, Hotels und Restaurants, und obwohl ihr Arbeitstag 16 Stunden betrug und oftmals beschwerlich war, bewarben sich nicht nur Bad Nauheimerinnen um eine Anstellung. Auch für Frauen und junge Mädchen aus dem Umland bedeutete eine Arbeit zur Kursaison gute Verdienstmöglichkeiten und eine interessante Abwechslung zu ihrer bisherigen Tätigkeit in der Landwirtschaft oder in Fabriken. Zahlen sprechen für die Beliebtheit einer Anstellung im Kurbetrieb: 1890 arbeiteten 430 Frauen in den Gästehäusern der Stadt – 20 Jahre später waren es 2.470.

Auch so manch eine Besucherin kam gern zur Kur nach Bad Nauheim, und das hatte einen gesellschaftlichen Hintergrund. War es doch Frauen um die Jahrhundertwende zur Zeit des Jugendstils nicht erlaubt, ohne männliche Begleitung oder einer Anstandsdame auf Reisen zu gehen oder sich in der Öffentlichkeit zu zeigen, so entfiel diese Sitte in der Zeit eines Kuraufenthalts. Frauen konnten sich nun allein und ungezwungen, ohne Aufsicht und strenger Etikette, bewegen. Ihnen standen gesellschaftliche Anlässe wie Konzerte, Tennisturniere, Bridge-Abende und andere Zerstreuungen offen, was ihre Erholung sicher förderte.

Mit den Kurgästen aus aller Welt stiegen auch prominente Frauen im Weltbad Nauheim ab, und drei Adelige gaben dem Kurort den Titel „Drei-Kaiserinnen-Bad“: Kaiserin Elisabeth von Österreich (genannt Sisi), Zarin Alexandra Feodorowna und die letzte deutsche Kaiserin Auguste Viktoria.

Die Mäzenin Francis Theodora Konitzky, Foto: HStA Darmstadt Bestand R4 Nr. 24478

Die Namen zweier bürgerlicher Frauen sind jedoch bis heute mit der Stadt verbunden: die Mäzeninnen Francis Theodora Konitzky und Louise Eshman Kerckhoff.

Nach dem Tod ihres Ehemannes, dem der Aufenthalt in Bad Nauheim zu mehr Gesundheit verhalf, spendete Francis Theodora Konitzky der Stadt die märchenhafte Summe von 200.000 Reichsmark für den Bau eines Hauses, das mittellosen Patienten eine Kur ermöglichen sollte. Daraus entstand die heute noch existierende Konitzky-Krankenpflegeakademie. Francis Theodora Konitzky kommentierte einst ihre Großzügigkeit mit den Worten:“Ich habe nur vom Überfluss gegeben.“ Im August diesen Jahres konnte die Akademie die frisch restaurierten Räume des Badehauses 5 beziehen.

„Zur Erforschung und Bekämpfung von Herzkrankheiten“ spendete Louise Eshman Kerckhoff, Foto: StA Bad Nauheim  Bildarchiv 210-03  L. Kerckhoff 0001

Die Witwe eines reichen amerikanischen Industriellen, Louise Eshman Kerckhoff, handelte aus gleichen Motiven wie F. Th. Konitzky. William G. Kerckhoff, der mehrmals in Bad Nauheim zur Kur war, verfügte, dass nach seinem Tod ein Forschungsinstitut in der Stadt  eingerichtet werden sollte. Louise entsprach seinem letzten Willen und spendete eine Million Goldmark zur Gründung der gemeinnützigen Stiftung „Zur Erforschung und Bekämpfung von Herzkrankheiten“. Heute ist die Einrichtung unter dem Namen Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung weltweit bekannt.

Und so kreuzten sich in dem kleinen Kurbad in der Wetterau zahlreiche Lebensläufe von der mittellosen Arbeiterin über die gut gestellte Dame der Mittel- und Oberschicht bis hin zur Adeligen und letztlich der großzügigen Spenderin.

Info

Die kleine Kabinett-Ausstellung „1900 – Frauenleben in Bad Nauheim“ ist im Badehaus 3 (Sprudelhof) eingerichtet. Sie befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft der Ausstellung mit historischen Fotografien „Susanne Homann – ein moderner Lebensweg um 1900“. Zu beiden Themen gibt es begleitende Broschüren. Plakate zu „Stilwende 0.2 – Wege in die Moderne“ weisen den Weg in das Badehaus 3. Öffnungszeiten sind von Di. bis So. jeweils 13.30 Uhr bis 17.30 Uhr. Geschlossen ist jedes erste Wochenende im Monat (Fr / Sa / So). : jugendstilforum.de.

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