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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Ausstellung: Edmond Goergen „Der Blick für das Schöne“ in der Englischen Kirche in Bad Homburg

Hommage der Pianistin Viviane Goergen an ihren Malervater Edmond Goergen

Von Petra Kammann

Energiegeladene Pinselstriche, ausdrucksstarke Porträts, leuchtende, farbenfrohe und belebte Stadträume, lichterfüllte Szenen am Meer oder in südlicher Landschaft charakterisieren seine Bilder. Nach dramatischen Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg und Rettung in allerletzter Sekunde hatte der Luxemburger Maler und Restaurator Edmond Goergen (1914-2000) seinen Blick auf das Schöne und auf die Realität gerichtet. Seine Tochter, die renommierte luxemburgisch-schweizerische Pianistin Viviane Goergen, hat anlässlich des 110. Geburtstags ihres Vaters eine Ausstellung im Kulturzentrum Englische Kirche in Bad Homburg zusammengestellt. Zur Vernissage sprach sie über ihren Vater und spielte besondere Werke der französischen Komponistin Marie Jaëll (1846-1925).

Die heute in Bad Homburg lebende Pianistin Viviane Goergen vor dem Selbstporträt ihres Vaters aus dem Jahr 1981, Foto: Petra Kammann

Versteckt hinter den Louisen Arkaden in Bad Homburg liegt eingebettet zwischen den Jugendstilwohnhäusern in einer kleinen Seitenstraße, der Ferdinandstraße, ein trutziger mit Efeu bewachsener Steinbau im romanischen Stil: die Englische Kirche, ein ehemaliges Kirchengebäude der Church of England, einst für die britischen Kurgäste in Bad Homburg erbaut, das sehr schön und schlicht im Inneren zu einem Kulturzentrum umgestaltet wurde. Immer noch strahlt der ursprüngliche Kircheninnenraum etwas Auratisches aus. Für eine Ausstellung plus Konzert bietet sie das perfekte Ambiente. Kurz vor sieben Uhr strömte dann auch am Freitag Abend nach und nach das interessierte Publikum für die anstehende Vernissage der Ausstellung Edmond Goergen „Der Blick für das Schöne“ hinein.

Bad Homburgs Oberbürgermeister Alexander W. Hetjes begrüßt die Gäste, Foto: Petra Kammann

Die engagierte Kultur-und Bildungsdezernentin der Stadt Bad Homburg Dr. Bettina Gentzcke begrüßte schon am Eingang die Honoratioren der Stadt persönlich. Sie hatte Viviane  Goergen bei der Realisierung der Ausstellung unterstützt. Auch der Oberbürgermeister  Alexander W. Hetjes ließ es sich nicht nehmen, zu erscheinen und eine Begrüßungsrede zu halten. „Tout Bad Homburg“, jedenfalls der kulturinteressierte Teil, war da.

Der Viviane Goergen verbundene Präsident des Deutsch-Schweizerischen Wirtschaftsclubs und International Frankfurt Business Ambassador Reginald J. P. Dumont du Voitel war ebenso gekommen wie auch der stellvertretende Generalkonsul Thomas Kalau vom Schweizerischen Generalkonsulats in Frankfurt. Ihm als Neu-Frankfurter gefiel besonders der gemalte Blick auf Frankfurt von Edmond Goergen.

Goergens Blick auf Frankfurt (1984) gefällt dem Schweizer Vize-Generalkonsul Thomas Kalau besonders, Foto: Petra Kammann

Nicht zuletzt waren etliche Musikfreunde Goergens aus der Mainmetropole oder aus Wiesbaden der Einladung gefolgt, um dem besonderen Ereignis beizuwohnen. Überall an den ausgestellten Bildern blieben ihre Blicke haften. Umrahmt wurde das Anschauen der ausdrucksstarken Bilder im offiziellen Veranstaltungsteil in der besonderen Atmosphäre der einstigen Kirche von Erläuterungen der Tochter Viviane Goergen und vor allem auch durch ihr einfühlsames Klavierspiel.

Sie vermittelte dem Publikum auch die besondere Biographie ihres Malervaters Edmond Goergen, dessen große Leidenschaft der Malerei und dem Schönen galt. Dabei war ihm als Kind aus einer kleinen luxemburgischen Bauernfamilie stammmend der Weg zum Kunstmaler nicht gerade vorgezeichnet. Dennoch, so beteuert die Tochter Viviane Goergen, seien die Verhältnisse in der Familie zwar einfach, aber der Kunst gegenüber immer aufgeschlossen gewesen. Schon Edmonds Vater wäre gerne Schauspieler geworden. Doch das war undenkbar zu dieser Zeit. Er spielte stattdessen im Laientheater. Immerhin zählte sein Großonkel Willy Goergen zu einem der beliebtesten Dichter Luxemburgs, und dessen Sohn Max Goergen schrieb schon Theaterstücke.

Viviane Goergen führte in die Biographie und das Werk ihres Vaters Edmond Goergen ein, Foto: Petra Kammann

Nichts sei Edmond Goergen zu beschwerlich oder kompliziert gewesen, kein Weg war zu weit, als dass er seinen Plan aufgegeben hätte, professioneller Kunstmaler zu werden. Während seiner ursprünglichen Lehre als Hochfrequenztechniker am „Institut Metz“ in Dommeldingen bei Luxemburg ging er, wenn die anderen Angestellten Feierabend hatten, nach geleisteter Arbeit noch eine Stunde zu Fuß in die Stadt Luxemburg, um am dortigen Lyzeum für Kunsthandwerk von 1930 bis 1934 „Kunstmalerei“ zu studieren. Anschließend musste er dann sogar noch zwei Stunden wieder zu Fuß nach Hause laufen. Und das jeden Tag aufs Neue. Heute, wo für viele die Life-Werk-Balance an oberster Stelle steht, unvorstellbar!

Als Edmond schließlich dort seine künstlerische Ausbildung abgeschlossen hatte, begann der Lernbegierige zusätzlich ein Fernstudium der Malerei an der „Ecole Universelle“ in Paris. In den Genuss einer dortigen erfolgreichen Ausbildung kam er jedoch nicht mehr, da inzwischen der Zweite Weltkrieg ausgebrochen und auch Luxemburg betroffen war. Als Widerstandskämpfer hatte er dann seine betroffenen Landsleute schützen wollen und verhalf 150 von ihnen zur Flucht über Frankreich nach England. Doch er wurde verraten, entdeckt, gefangen genommen, zunächst ins KZ Hinzert bei Trier verschleppt, dann nach Sachsenhausen und schließlich wurde er ins KZ Mauthausen transportiert, was einem Todesurteil gleichkam. Doch hatte er Glück. Gerade rechtzeitig noch wurde er von den Amerikanern befreit, so dass er noch nach Kriegsende sein unterbrochenes Pariser Kunststudium wieder aufnehmen konnte.

Viviane Goergen verzauberte das Publikum mit ihren passenden pianistischen Einlagen und Erläuterungen, Foto: Petra Kammann

In der von Angst und Krankheiten gezeichneten Phase mit Verhören, körperlichen Misshandlungen, Schwerstarbeiten bei Minustemperaturen und Unterernährung sowie einer psychischen Zermürbung war er buchstäblich durch die Hölle gegangen. Der Vergleich mit Dantes Inferno aus der „Göttliche Komödien“ bietet sich insofern förmlich an, was wohl seine Tochter Viviane Goergen dazu angeregt hatte, während der Vernissage der Ausstellung Passagen aus dem ungewöhnlichen Klavierzyklus „18 Pièces pour piano d’après la lecture de Dante“ der französischen Komponistin und Starpianistin des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts Marie Jaëll zu spielen.

Nach der Reise durch die Hölle steht der Blick auf die Schönheit im Fokus

Als der Maler Goergen schwerkrank aus der dramatischen Phase zurück in die luxemburgische Heimat kam, hatten ihn die Ärzte schon aufgegeben. Er hingegen hatte im Gegensatz zu vielen anderen Künstlern, die ihr Schicksal ausschließlich beklagten, begriffen, dass er kurzfristig noch ein zweites Leben geschenkt bekommen hatte und erlebte eine Art Renaissance, eine Wiedergeburt. Schon drei Jahre nach Kriegsende im Jahr 1948, wurde er zum zweiten Mal Vater. Seine Tochter Viviane wurde geboren, die er als Kind am Klavier porträtierte.

Edmond Goergen, Viviane am Klavier, 1960, Privatbesitz

Goergen entschied sich für das Schöne, das Positive anzunehmen, aus dem er neue Kräfte und Mut schöpfte. So schaffte er es mit viel Arbeit und einem ungeheuren Willen, wieder gesund zu werden und sich nun intensiv dem Lebens zuzuwenden, das für ihn auch ein Synonym für Frieden mit sich in der Welt bedeutete. Alles andere als eine Selbstverständlichkeit!

So nahm er unmittelbar nach seiner Genesung den in der Vorkriegszeit begonnenen, unterbrochenen Fernkurs in Malerei an der „Ecole Universelle“ in Paris wieder auf und schloss ihn bereits 1946 mit dem Titel „Professor in Malerei“ ab. Gleichzeitig setzte er sein Studium der Malerei bei Prof. M. Narbonne an der „Ecole Nationale Supérieure des Beaux Arts“ in Paris fort und beschloss, seine künstlerische Ausbildung um eine Spezialisierung auf dem Gebiet der Restaurierung bei den Prof. Jean Gabriel Goulinat und René Huyghe am Pariser Louvre zu ergänzen, was für ihn auch eine enorme Erweiterung des Blickfeldes bedeutete: die Entdeckung der Alten Meister.

So war der Doppelbegabte von 1946 bis 1948 Assistent im Restaurierungsatelier des Louvre und dort u.a. mit der Restaurierung des opulenten und farbigen Meisterwerks „Die Hochzeit zu Kana“ von Paolo Veronese aus dem Jahre 1563 betraut. Eine zweifellos fundamental einschneidende wie wertschätzende Erfahrung für den angehenden Kunstmaler! Überglücklich schreibt er über dieses Erlebnis: “Dank meiner zusätzlichen Profession als Restaurator von Bildern, die mich in engsten Kontakt zu den alten Meistern und den verschiedenen modernen Malern bringt, bin ich in der Lage, meine Technik permanent zu perfektionieren. Es ist das Geheimnis der Farben und der Komposition, das die lebendigen Elemente des Kunstwerks hervorruft“.

Landschaften wie die Windungen der Obersauer(1968) und einzelne Häuser faszinieren den Maler, Foto: Petra Kammann

Und genau das macht er seiner eigenen Malerei zu nutze. Er möchte das, was er sieht, festhalten, weil er die Erfahrung gemacht hat und sich dessen bewusst ist, wie vergänglich alles ist. So konzentriert er sich in seiner Malerei vor allem auf die Genres Porträt und Landschaft, während er die in der Nachkriegszeit so beliebte abstrakte Malerei als etwas Künstliches empfindet, als Flucht vor der Realität erlebt. Er will sich nicht in Symbole flüchten, sondern genau hinschauen, seinen ersten Eindruck verinnerlichen und diesen zu seinem eigenen machen, um ihn für die Zukunft festhalten. Es liegt ihm daher fern, sich an gerade angesagten Trends oder modischen Tendenzen zu orientieren.

Seine Kunst bleibt daher gegenständlich und figurativ. „Es ist das Subjekt und sein Temperament, das mir die Konzeption und Technik des zu malenden Werkes diktiert“. Davon ist er überzeugt und führt seine Überlegungen dazu weiter aus: „Meine Porträts haben nichts mit dem Unmittelbaren zu tun. Sie sind eine Synthese von aufeinander folgenden Eindrücken. Es ist der Charakter, der Typus, das spirituelle Wesen, die mich beschäftigen.“ 

Gebäude wie das Amphitheater von Pula, Porträts wie die von Marie-Paule und Mireille und Landschaften sind sein Thema, Foto: Petra Kammann

Entsprechend lebendig sind seine Gemälde in Strich und Farbe. Diesen Ansatz könnte man als Reminiszenz und Weiterführung der impressionistischen Malweise ansehen. Doch ist er von der Auflösung des Stofflichen durch die Impressionisten weit entfernt. Schon auf seiner Farbgebung liegt immer auch ein Hauch Melancholie, welche er durch den pastosen Auftragen der Pigmente der Farbe erzielt, was den Bildern sowohl etwas Gewichtigeres als auch etwas Magisches verleiht. Vermutlich haben die Erfahrungen, die er im KZ gemacht hat, Spuren bei ihm hinterlassen, hatte er dort dramatische Szenen skizziert, immer begleitet von der Todesangst, dabei entdeckt zu werden. Schon da war sein Wunsch, einfach etwas festzuhalten, zu zeichnen oder zu malen, „damit etwas erhalten bleiben soll.“

Blick auf Notre Dame unter dem Himmel von Paris mit den ziehenden Wolken, 1971, Foto: Petra Kammann

Aber auch seine Themen sind anders gelagert als die der Impressionisten, er bildet die Natur nicht einfach nach, vielmehr es sind es „Neuschöpfungen der Landschaft, in der etwas von seiner Weltsicht spürbar wird. Ihre atmosphärischen Wirkungen sind Psychogramme des Malers, auch Projektionsschirme seiner Befindlichkeit.“ So jedenfalls sieht es der Kunstwissenschaftler Dr. Richard Hüttel, der sich intensiv mit dem Werk Edmond Goergens beschäftigt hat, und dessen „Gang durch die Hölle“ mit der der Darstellung der „Göttlichen Komödie“ Dantes verglichen hat. 

„Edmond Goergen, dessen Hauptqualität es ist, eine Hymne auf das Leben zu singen, in all seinen Formen, all seinen Aspekten. Eine vibrierende Zärtlichkeit der Existenz, die hochfliegen und springen, die Farbe rötlich werden lässt, gibt seinem Pinselstrich eine sinnliche Dichte, die aus einer grauen und traurigen Winterlandschaft ein Feuerwerk von Freude, ein farbiges und einladendes Häuschen macht. Die Porträts, die Landschaften, das ganze Werk Goergens scheint laut zu schreien, dass das Leben es wert ist gelebt, besungen und gemalt zu werden“. So sah es der Kunstkritiker D. Torrès in der Pariser Zeitschrift „Le Vent“.

Die farbigen und geschwungenen Landschaften, wie Goergen sie sieht, findet man in der Schau, Foto: Petra Kammann

Genau davon kann man sich in der äußerst sehenswerten Ausstellung, welche die Vielfalt des malerischen Könnens Edmond Goergens repräsentiert, überzeugen. Den Bildern wohnt eine enorme Farbigkeit und Dynamik inne. „Neben dem Schönen ist ihm in der Malerei auch das Dokumentieren des Lebens sehr wichtig. Seine Straßen und Plätze sind voller Menschenleben“ schreibt Solange Lemaire, die Abgeordnete des Louvre über Goergens Bilder, und weiter :„Edmond Goergen hat uns die angenehme Überraschung bereitet, in seiner Malerei einen Sinn des Lebens, in der Belebung kleiner Straßen mit eleganten fließenden und kraftstrotzenden Pinselstrichen, zu entdecken. Da singt und tanzt es, voller Leben mit einem frischen Wind durchzogen“.

Selbst die beschneite karge Linde vor der Kapelle (1962) wirkt lebendig, Foto: Petra Kammann

Das trifft sowohl auf die Schönheit der Landschaften zu wie auf einzelne Menschen und auf besondere Gebäude, wo auch immer sie in Europa liegen, sei es in der Ansicht von der Stadt Frankfurt am pulsierenden Main, der von Notre Dame an der Seine in Paris mit den vorbeiziehenden Wolken des „Himmel von Paris“ oder bei den schillernden Menschen wie den jungen Mädchen Marie-Paule und Mireille oder bei der noch verträumten Pianistin Viviane Goergen als Kind.

Neben seiner Malerei setzte der Maler Goergen sich nach dem Krieg ebenso vehement für einen Denkmalschutz in Luxemburg ein, dessen Konservator er 1977 wurde. So freute er sich geradezu kindlich über jede Kirche, jedes Monument, das nach der Zerstörung und der Barbarei des Krieges wieder aufgebaut und renoviert wurde. Auch auf diese Weise konnte für ihn wieder das Schöne entstehen, welches das ohnehin zerbrechliche Leben wieder lebenswert macht. Das zu genießen und festzuhalten, motivierte ihn. An die aktuelle Weltlage denkend, könnte seine Haltung heute geradezu wieder vorbildhaft sein.

Ebenso, dass der der engagierte Maler schon Anfang der 1950er Jahre den europäischen Gedanken aufgriff. Schließlich hatte er im KZ bedeutende europäische Leidensgenossen wie Eugen Kogon kennengelernt. Das regte ihn an, sich nach dem Zweiten Weltkrieg leidenschaftlich für Europa einzusetzen, wo er auch hinter den ersten Kulturverträgen mit der CSSR und Deutschland stand. Also gründete Goergen die Europäische Vereinigung Bildender Künstler aus den Ardennen und der Eifel mit Sitz in Prüm, wo sich bis zum heutigen Tage regelmäßig Maler aus Deutschland, Frankreich, Belgien und Luxemburg treffen und beschließen, wo sie gemeinsam in einem dieser Länder ausstellen.

„Edmond Goergen hat dem erlebten Schrecken die Hoffnung und das Schöne entgegengesetzt. Er hat der trüben Welt widerstanden und ein Leben in Schönheit und Harmonie gesucht. Sein Leben zeigt, dass er nicht weltfremd ein irdisches Paradies beschwor, sondern den Blick nach vorne auf eine bessere Zukunft richtete“, so fasst der schon zitierte Kunstwissenschaftler Richard Hüttel Goergens Wirken zusammen.

Musikalische Interventionen der Pianistin Viviane Goergen in der renovierten Englischen Kirche, neben dem Selbstporträt von Edmond Goergen, Foto: Petra Kammann

Passend zur Vita ihres Vaters spielte Viviane Goergen Passagen aus dem beeindruckenden Klavierzyklus „18 Pièces pour piano d’après lalecture de Dante“ der französischen Komponistin und Starpianistin des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts Marie Jaëll, einer kongenialen Freundin von Franz Liszt, deren Gedanken zu Dante der viel berühmtere Komponist bewunderte und deren Kompositionen er ausgesprochen schätzte. Zur bei uns nicht so bekannten Komponistin nur ein kleiner Kommentar:

Bereits als junges Mädchen hatte sie sich von der Dichtung Alighieri Dantes und seiner aus 100 Gesängen bestehenden „Göttlichen Komödie“ angesprochen gefühlt. Der Gang durch die Hölle (Inferno), durch das endlos erscheinende Fegefeuer (Purgatorio), in dem zuletzt die Hoffnung, die ab und zu durchschimmert, stirbt, bis hin ins erlösende Paradies(Paradiso) hat sie innerlich stark berührt.

Mit 45 Jahren schrieb die Komponistin diese hochkomplexe pianistische Werk mit den sich wiederholenden Anklängen an das „Dies irae“ und setzte den Inhalt der Göttlichen Komödie in atemberaubende Klavierklänge um. In der Kulturkirche bekamen wir Ausschnitte zu hören wie „In den Flammen“ („Dans les Flammen“) von Marie Jaëll. Da wird der anschwellende Klang eines ausbrechenden Feuers, das zu einem gewaltigen Flammenmeer anwächst, hörbar. Beeindruckend, wie Goergen hier die ganze Klaviatur es Pianos beherrschte, um sich dann auch wieder dem eher sanften Züngeln der Flammen mit leiseren Tönen hinzugeben.

Aus dem Purgatorio Dantes, dem Fegefeuer, das fast statisch beginnt, aber auch noch von aggressiven Klängen beherrscht ist, hat die Pianistin Goergen die Passage „Jetzt und einst“ („Maintenant et Jadis“ ) mit den zarten hellen Klängen im Mittelteil ausgewählt, eine Szene, in der die geliebte Beatrice dem Dichter Dante erscheint und sich auf den schmalen Pfad begibt, der nach etlichen Abzweigungen vielleicht ins Dantesche Paradiso führt. In ihrem vorletzten pianistischen Beitrag „Voix Célestes“ (Himmlische Stimmen)  öffnete sich das nicht nur hör-, sondern fast auch greifbar das Paradies durch die hellen und zarten assoziierten Engelsstimmen.

So delikat, enthusiastisch zurückgenommen und ohne jeglichen Pathos, wie es der Ausstellung entspricht, ließ Viviane Goergen ihr Spiel mit der „Träumerei“ aus den „Kinderszenen“ von Robert Schumann ausklingen. Sie seien eines der Lieblingswerke ihres Vaters Edmond Goergen gewesen, sagte die Pianistentochter zum Ende der Vernissage. Sind sie nicht auch Ausdruck einer solchen Rückschau oder wie Schumann sagte: „Rückspiegelungen eines Älteren für Ältere“?

Auf jeden Fall kann man von einer rundherum gelungenen Hommage der Musikerin an den Künstlervater, der hier ganz präsent wurde, sprechen. Das anhaltend applaudierende Publikum dankte es ihr und und warf einen zweiten Blick auf die bewegenden dynamischen Bilder.

 

Ausstellung

Edmond Goergen.
Der Blick für das Schöne

Kulturzentrum Englische Kirche
Ferdinandstrasse 16
61348 Bad Homburg v. d. Höhe

noch bis 4. Februar 2024

Öffnungszeiten: 

samstags und sonntags 11 – 15 Uhr

 

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