home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Zum Tod von Ror Wolf

Ein Nachruf

von Hans Burkhard Schlichtung

Sich breitmachende Erzählgemütlichkeit, schlichte Illusionen, Heilsbotschaften und Worte zur Lage der Nation lagen ihm nicht. Ror Wolf, der am 17. Februar dieses Jahres gestorben ist, hat hierzulande nie zu den meinungsbildenden Autoren gehört, sondern auf andere Weise literarische Maßstäbe gesetzt.

Der Schriftsteller Ror Wolf am 26.02.2008 in seiner Wohnung in Mainz. Der 75-jährige erhält 2008 den Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg. Die erstmals mit 20.000 Euro dotierte Auszeichnung wurde Wolf für sein bisheriges Werk verliehen. Foto: Uwe Anspach dpa, zur Verfügung gestellt vom Verlag Schöffling & Co, Kaiserstra§e 79, 60329 Frankfurt am Main

Seine Sympathie galt seit je den Außenseitern des Literaturbetriebs, die sich dem öffentlichen Rollenspiel verweigert haben und dafür umso bessere Beobachter waren: Robert Walser, Kafka, Beckett, der frühe Peter Weiss. Die Inspirationstechniken der Surrealisten, der Jazz, das Gehör für das Geschriebene haben ihn zu einem Sprach-Komponisten gemacht, der keine überlieferten Erzählstoffe weiterspinnt, sondern aus sinnlichen Trivial-Partikeln und Alltagseindrücken sein Material bezieht.

Was sich in Fußballstadien abspielt, hat er im Originalton in die Literatur gebracht – und beim HR ins Hörspiel. Sterile Literatur-Verwertung ist ihm so fremd wie marktgängige Selbstverwertung. Seine Hörspiele sind keine Zweitverwertungen von Büchern, sondern wirkliche Originalhörspiele.

Als er sich – für seine Prosabücher von der Kritik in den sechziger Jahren hoch gelobt – in den siebziger Jahren auch dem Hörspiel zuwandte, wurde diese konsequente Haltung lange nur von wenigen Kritikern honoriert.

Erst seit dem Hörspielpreis der Kriegsblinden 1987 und dem Frankfurter Hörspielpreis 1992 hat Ror Wolf für das Niveau seiner Radioarbeit breite Anerkennung erfahren. Nach dem Kriegsblinden-Preiswerk „Leben und Tod des Kornettisten Bix Beiderbecke aus Nord-Amerika“ von 1985/86 lag mit „Die Durchquerung der Tiefe in dreizehn dunklen Kapiteln“ 1997 ein neues Hörspiel des Collage-Virtuosen Ror Wolf vor.

Ror Wolf hatte ich gegen Ende der sechziger Jahre in Frankfurt kennengelernt. Es war auf einer legendären Tagung Adam Seides mit dem Titel “Lustprinzip Literatur”. Damals war ich noch Bonner Student und nach Frankfurt angereist, wo ich ab 1970 studierte.

Als ich mein Studium beendet hatte, ging ich in Ror Wolfs Verlag (damals noch der Suhrkamp Verlag, später veröffentlichte er im Verlag Schöffling & Co). Ich entsinne mich noch, daß ich ihn in Wiesbaden (wohin er damals umgezogen war) vergeblich zu überzeugen versuchte, für den Verlag ein Theaterstück zu schreiben.

Als ich 1981 zum Rundfunk nach Baden-Baden wechselte, versprach er ein Hörspiel für den Sender. Ich weiß noch, wie ich mit ihm 1985 einen langen Spaziergang über die Lichtentaler Allee machte. Anschließend schob er mir einen Zettel zu, auf dem stand in seiner Handschrift “BIX – eine Radio-Ballade”.

Es war der Anfang eines der meistgespielten seiner Radiostücke, die im In- und Ausland mehr als dreißigmal zu hören waren. Er wird mir fehlen.

* Hans-Burkhard Schlichting war viele Jahre Chefdramaturg SWR Hörspiel / Sekretär des Karl-Sczuka-Preises/ Beiratsvorsitzender der Hugo-Ball-Gesellschaft

 

Comments are closed.