Kulturpreis der Ingrid zu Solms-Stiftung an Cellistin Raphaela Gromes
Eine enge Beziehung zum Instrument
Text und Fotos: Renate Feyerbacher
„Wenn ich traurig bin, habe ich manchmal das Gefühl, das Instrument spürt das. Es klingt dann auch deprimiert, leicht verhangen. Aber umgekehrt, wenn ich fröhlich bin, spürt das auch das Cello [..]“ – zitiert nach der Laudation von Professor Norbert Abels.
Am Tag der Preisverleihung, am 30. Januar, die in der Villa Bonn, Sitz der Robert-Schumann-Gesellschaft, stattfand, klang es nicht nach Traurigkeit, nach Niedergeschlagenheit. Im Gegenteil: das Cello spürte die Freude der jungen Cellistin, die ihm herrliche Töne entlockte. Ihr Cello sang.
v.l.n.r.: Raphaela Gromes und ihr Klavierpartner Julian Riem mit Gräfin Ingrid zu Solms–Wildenfels
Zuvor hatte Ingrid Gräfin zu Solms-Wildenfels zu einer kleinen Pressekonferenz geladen. Raphaela Gromes und ihr Klavierpartner Julian Riem unterbrachen ihre Probe, und kamen dazu. Die letzte Preisverleihung des Kulturpreises war 2017 an Regisseurin Maren Ade, die mit ihrem Film „Toni Erdmann“ Furore machte. Gefördert werden bei der Ingrid zu Solms Stiftung junge Frauen, die bereits Hervorragendes in Kultur und Wissenschaft geleistet haben. Diese Preise wurden zuletzt im November 2019 verliehen, Ein Schub für weitere Schritte auf der Karriereleiter. Dotiert ist der Kulturpreis mit 5.000 Euro.
Mit frisch-jugendlichem Elan spielte das Duo diese dreisätzige Violoncello-Sonate von Richard Strauss, die etwas Wienerisches hat. Beim folgenden Andante cantabile aus seiner Romanze F-Dur von 1883 sang das Instrument buchstäblich, lyrische Stimmung. Mit zwei Sätzen aus Robert Schumanns Sonate As-Dur op.70 hatte das Konzert begonnen und endete mit der Sonate F-Dur op 99 für Violoncello und Klavier von Johannes Brahms. Ein Meisterwerk der Cello-Literatur mit historischem Bezug, das Brahms in glücklichen Schweizer Sommermonaten komponierte. Diese Stimmung ist in der Musik zu hören, ebenso in der Interpretation von Gromes – Riem. Und als Zugabe Romanze von Clara Schumann. Geradezu frenetisch wurden sie vom Publikum, das zahlreich erschienen war, gefeiert. Zu Recht.
Laudator Norbert Abels, ein großer Kenner der Musik, ehemals Chefdramaturg an der Oper Frankfurt und Autor, verzichtet darauf, das Gehörte zu kommentieren und zitiert Clara Schumann: „Musik drückt aus, worüber besser geschwiegen worden wäre.“ Dennoch zitierte er danach den legendären Cellisten Pablo Casals, der meinte, dass die vollkommene Technik diejenige sei, die gar nicht bemerkt werde, als wunderbaren Beweis für das Cellospiel von Raphaela Gromes und ihres brillanten Klavierpartners Julian Riem. Indem er die Seiten des Instruments charakterisiert, deutet Abels, warum das Cello so tief unser Gefühl berührt. „Hängt der Grund damit zusammen, dass das Cello mit seinem obertonreichen Raum auf obskure Weise dem Klang einer schönen menschlichen Gesangsstimme verwandt ist?“
Die Musikerin setzt sich intensiv mit den Werken auseinander. Und sie betrachtet ihr Violoncello von Jean Baptiste Vuillaume, dem bedeutendsten französischen Geigenbauer im 19, Jahrhundert, „als geliebten und gleichberechtigten Partner“.
Die Eltern, Wilhelm Gromes und Astrid Hedler-Gromes, beide Cellisten, die als „Nymphenburger Celloduo“ auftraten, nahmen ihr Kind zu den Konzerten mit und ließen es auch mal eine Zugabe spielen. Denn bereits mit vier Jahren unterrichtete die Mutter die kleine Raphaela. Zehn Jahre später dann, mit vierzehn Jahren, konnte sie den ersten Erfolg verbuchen, und zwar mit dem sicher nicht einfach zu spielenden Konzert für Cello und Blasorchester des Wiener Komponisten und Pianisten Friedrich Gulda (1930-2000), das dieser 1980 komponierte. Ein „verschiedenste musikalische Genres durcheinander wirbelndes Konzert“ , so Abels. Gulda sei aber auch ein hervorragender Jazzpianist gewesen.
Ab 2006 begann Raphael Gromes an der Mendelssohn Bartholdy-Hochschule in Leipzig ihr Jungstudium. Nach dem Abitur studierte sie zunächst in ihrer Heimatstadt München an der dortigen Musikhochschule, danach an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Es folgten Meisterkurse bei berühmten Cellisten.
Nach und nach kamen Auszeichnungen hinzu: der Deutsche Musikrat fördert sie, zuletzt erhielt sie 2019 und ihr Klavierpartner den Preis der Deutschen Schallplattenkritik – Bestenliste 3-2019 – für die „Offenbach“-CD. Eine Hommage an den in Köln geborenen, später in Paris lebenden Komponisten und Cellisten Jacques Offenbach, dessen 200. Geburtstag im letzten Jahr gefeiert wurde. „Raphaela Gromes und ihr Partner am Klavier, Julian Riem, verwandeln jedes Salonstück in eine Preziose melodischer, rhythmischer und emotionaler Gestaltung“, so die Jury-Begründung. Ein „diskographisches Highlight“.
Begeistert hat die Stifterin Ingrid Gräfin zu Solms-Wildenfels auch das soziale Engagement der Künstlerin. Sie ist Musikbotschafterin für die SOS-Kinderdörfer weltweit: mit Julian Riem war sie zum Beispiel im Libanon und gab Workshops und Konzerte für Kinder. Auch die José Carreras Leukämie-Stiftung und die Menuhin’s Live Music Now unterstützt sie. Und nebenher macht sie Weltkarriere.
Raphaela Gromes und Julian Riem haben sich beim Studium in München kennengelernt. Der Pianist ist auch als Solist aktiv. Mehrere CDs hat er eingespielt unter anderem ein fulminantes Rachmaninow-Album. In München waren seine Lehrer Michael Schäfer, in Paris am Conservatoire National Supérieur Michel Béroff, der ihn zum „vielversprechendsten Pianisten seiner Generation“ erklärte. Dann setzte er sein Studium in der Solistenklasse von Rudolf Buchbinder an der Baseler Musikakademie fort und schloss sein Solistendiplom mit Auszeichnung ab. Weltweit ist er als Solist, Kammermusiker und Liedbegleiter mit namhaften Künstlern unterwegs.
Das Zusammenspiel, die Professionalität, die Virtuosität, die Spielfreude, die Natürlichkeit des Duos Gromes – Riem faszinieren. Zwei beeindruckende, junge Persönlichkeiten.
Es war ein außergewöhnlicher Konzertabend in der Villa Bonn, dem Sitz der Robert-Schumann-Gesellschaft, die 1956 in Frankfurt gegründet wurde. Eine enge Beziehung zu der Stadt hatte das Künstler-Ehepaar Schumann. Hier waren Robert Schumanns Werke erfolgreich, und Clara Schumann geb. Wieck hatte bereits als Zwölfjährige hier konzertiert. Nach dem Tod ihres Mannes lebte sie 18 Jahre in der Stadt und wirkte als erste Klavierlehrerin am neu gegründeten Dr. Hoch’schen Konservatorium.
Jährlich von Oktober bis April veranstaltet die Robert-Schumann-Gesellschaft sechs Kammerkonzerte, die öffentlich sind, in dem historischen Ambiente der alten Bankiersvilla. Beim nächsten Abend am 27. Februar singt Bariton Thilo Dahlmann Schumann und Brahms, am Klavier begleitet von Hedayet Djeddikar .
Nach jedem Konzert gibt es die Gelegenheit, bei einem gemeinsamen Abendessen mit den Künstlern*innen zu reden. Davon machten viele Besucher am 30. Januar Gebrauch. Eine schöne Tradition.
Die Cellistin Raphaela Gromes und der Pianist Julian Riem beim Konzert in der Villa Bonn
Unkompliziert, locker, fern jeder Allüren sprechen die beiden jungen Künstler Raphaela Gromes, und Julian Riem über ihren Werdegang, über ihre Konzertpläne und über Ihre musikalische Recherchearbeit. Auf ihrer neuen CD, „Richard Strauss – Cello Sonatas“, die soeben bei Sony erschien und die Raphaela Gromes ihrem 2019 verstorbenen Vater widmete, spielen sie die Erste Version der Sonate für Clavier und Violoncello in F-Dur von 1881. Strauss (1864-1949), damals noch Gymnasiast, war 17 Jahre alt. Er hatte gehofft, damals den ausgeschriebenen Kompositionswettbewerb zu gewinnen. Das war nicht der Fall. Der junge Komponist baute seine Komposition später total um. Das ‚verworfene‘ Werk haben die beiden Interpreten nun wieder gefunden und als erste eingespielt. Beim Konzert am 30. Januar in der Villa Bonn hat das Duo Gromes – Riem sie vorgetragen. Jugendlich frisch ist die Urfassung, die neue Fassung zwei Jahre später ist dagegen dunkler und kontemplativer. Sicher aber ein Schritt in die Moderne. Das war doch ein Höhepunkt.
www.robert-schumann-gesellschaft-frankfurt.de oder www.rsg-frankfurt.de