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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Mit dem Bau des Reinhard Ernst-Museums wird’s ernst

Ein Glücksfall für Wiesbaden und der Traum des Sammlers wird wahr

Von Hans-Bernd Heier

Im Festzelt herrschte eitel Sonnenschein: Anlässlich des Baubeginns des Ernst-Museums hatte die Reinhard & Sonja Ernst-Stiftung Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kultur zu einer großen Feier eingeladen. Die Planierung des an der Wilhelmstraße 1 gelegenen Geländes bedeutet einen weiteren Schritt zur Realisierung des Traums des Sammlers und Mäzens und für Wiesbaden nach dem großherzigen Geschenk der hochkarätigen Jugendstilsammlung des ehemaligen Kunsthändlers Ferdinand Wolfgang Neess einen weiteren Glücksfall.

Entwurf des Museums Reinhard Ernst; © Fumihiko Maki

Zum Feierauftakt schlug die Heidelberger Musikgruppe „Taiko“ kräftig und lautstark die Trommeln. Der erste Titel des von japanischer Kultur und Tradition geprägten Stücks lautete übersetzt „Jetzt geht’s los“ und bildete den passenden Auftakt für die Bauarbeiten. Mit Taiko-Musik machten sich bereits Samurais Mut gegen Gegner und versetzten sich in Ekstase. „Gegner sehen wir nicht und in Ekstase sind wir schon lange“, merkte Ernst in seiner Ansprache an, mit der er allen Beteiligten für ihre Unterstützung dankte. Namentlich dankte er drei Personen, die sich besonders für den Museumsbau eingesetzt haben: dem Ex-Oberbürgermeister Sven Gerich, Thomas Weichel, der das Projekt für die Stadt Wiesbaden betreut, sowie Dr. Alexander Klar, dem früheren Direktor des Landesmuseums, der dem Projekt von Anbeginn positiv gegenüberstand, weil es er sich durchaus Synergie-Effekte zwischen beiden Häusern vorstellen konnte.

Das Stifterpaar Sonja und Reinhard Ernst begrüßt vor dem Festzelt die zahlreichen Gäste, hier den kommissarischen Direktor des benachbarten Landesmuseums Dr. Jörg Daur (links), daneben Dr. Peter Forster, Kustos Alte Meister und Jugendstil Sammlung; Foto: Hans-Bernd Heier

Schon lange hatte Reinhard Ernst, Jahrgang 1945, den Wunsch, seine Kunst der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Für die Gestaltung eines Museums hat er einen der international bedeutendsten Architekten gewinnen können: Fumihiko Maki, mit dem er seit vielen Jahren befreundet ist. Der 1928 geborene Japaner hat für seine Arbeit schon viele Auszeichnungen erhalten, u.a. auch den Pritzker-Preis – die weltweit höchste Anerkennung für Architekten. Maki hat bereits zahlreiche Museen und mehrere Kulturbauten entworfen. Auch seine Wohn- und Bürogebäude haben Maßstäbe gesetzt – so z. B. das „Spiral Building“ in Tokio oder das „4 World Trade Center“ auf  Ground Zero in New York. Der japanische Stararchitekt ist auch Ehrenmitglied im Bund Deutscher Architekten BDA.

Den Bau des Wiesbadener Kunsthauses soll Michel van Ackere vor Ort begleiten, der seit etlichen Jahren Makis Partner ist. Für die Umsetzung der Entwürfe werden Maki und sein Team vom Frankfurter Architekturbüro schneider + schumacher unterstützt, das ebenfalls an zahlreichen Projekten mit internationalem Rang beteiligt war, unter anderem an dem großartigen Erweiterungsbau des Städel. An die beteiligten Architekten richtete Ernst den Appell: „Die hochwertigen Baumaterialien verlangen geradezu hochwertige Arbeit“. Denn Ernst möchte ein besonders schönes Museum bauen. Natürlich werde es auch Kritik geben, aber damit könne er leben. Nicht hören möchte er dagegen: „Kein Mensch braucht Kunst“.

Modell des Reinhard Ernst-Museums; © Fumihiko Maki

Der Rohbau mit einer Nutzfläche von rund 8.000 qm², davon 2.000 qm² Ausstellungsfläche, sollte nach Vorstellung des Sammlers Mitte 2020 stehen. Die Eröffnung ist für 2022 geplant. Dann soll eine helle, freundliche Atmosphäre die Gäste beim Eintritt begrüßen. Der Eingangsbereich des viergeschossigen Gebäudes wird von einem vollverglasten, nach oben offenen Atrium dominiert, das viel Tageslicht spendet und sich über die gesamte Höhe erstreckt. Im Erdgeschoss beginnt der Bereich der Wechselausstellungen. Im ersten und zweiten Stock werden in der Dauerausstellung Werke der abstrakten Malerei in Europa, den USA und Japan nach 1945 präsentiert und die Besucherinnen und Besucher können in die Farbenwelt des Sammlers eintauchen. Damit besitzt das Haus ein Alleinstellungsmerkmal in der deutschen Museumslandschaft. Mit seinem spezifischen Sammlungszuschnitt dürfte es aber auch internationales Renommee erlangen. Hohe Decken und breite Wände bieten den teils großformatigen Kunstwerken ausreichend Raum für eine ansprechende Präsentation.

Den Plan, ein eigenes Museum für seine wertvolle Kunstsammlung zu bauen, verfolgt Reinhard Ernst bereits seit vielen Jahren. Schon vor zehn Jahren hat er erste Gespräche mit Maki über dieses Vorhaben geführt – lange bevor er Wiesbaden als Standort favorisiert hat. Ursprünglich hatte er dafür Limburg, den Sitz seiner zwei Unternehmen, ins Auge gefasst. Im Jahre 2016 schlug die Reinhard & Sonja Ernst-Stiftung der Stadt Wiesbaden vor, ein Museum auf eigene Kosten zu bauen und zu betreiben. Dieser Vorschlag wurde nach einem Bürgerbeteiligungsverfahren noch Ende 2016 und anschließend mit parteiübergreifender Zustimmung von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung angenommen. Auch beim Gestaltungsbeirat, der die Stadt als unabhängiges Sachverständigengremium in Entwicklungsfragen berät, stieß der vorgelegte Entwurf des Museumsarchitekten auf uneingeschränkte Zustimmung.

Lageplan des Projekts; Foto: Hans-Bernd Heier

In einem auf 99 Jahre angelegten Erbpachtvertrag wurde vereinbart, der Reinhard & Sonja Ernst-Stiftung das Filet-Grundstück Wilhelmstraße 1 zu einem symbolischen Pachtzins von einem Euro zur Verfügung zu stellen. Für diese Laufzeit sichert die Stiftung den Unterhalt und Ausstellungsbetrieb des neuen Museums zu. Weiterhin wurde festgelegt, dass Ernsts Sammlung der Abstrakten für alle Ausstellungen des Museums und den internationalen Leihverkehr zur Verfügung steht. Das Reinhard Ernst-Museum ist ein öffentliches Kunsthaus, das von einer gemeinnützigen GmbH getragen wird.

Das neue Kunsthaus ist ein weiteres Glanzlicht in Wiesbadens Kunstmeile und reiht sich hervorragend in eine Kulturachse ein, die mit der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung und dem Kulturzentrum Schlachthof beginnt, sich über das RheinMain CongressCenter (RMCC), das Museum Wiesbaden, den Nassauischen Kunstverein und das Literaturhaus, das Stadtmuseum am Markt, den Kunstverein Bellevue-Saal und die Caligari-Filmbühne erstreckt sowie bis zum Hessischen Staatstheater und dem Kurhaus reicht.

Besonders über das deutliche Votum im Bürgerbeteiligungsverfahren freut sich Wiesbadens neuer Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende: Es zeige, „Kunst hat in dieser Stadt Platz. Das Museum ist für uns ein Glücksfall“. Das Jahrhundert-Projekt an bester Adresse dürfte wohl einmalig in Deutschland sein: Die Reinhard & Sonja Ernst-Stiftung finanziert nicht nur die aktuell auf rund 50 Millionen Euro geschätzten Baukosten, sondern auch den Betriebskostenzuschuss, der auf jährlich 1,5 bis 2 Millionen Euro veranschlagt wird.

Modell-Ansicht aus anderer Perspektive; © Fumihiko Maki

Derzeit wird mit 20.000 Besuchern pro Jahr gerechnet. Außer den Ausstellungsräumen für die dauerhafte Präsentation sowie für die Wechselausstellungen, den dafür benötigten Lagerflächen und Büroräumen, wird es im Museum einen Shop, einen Vortragsraum und eine Gaststätte geben.

Reinhard Ernst ist ein erfolgreicher Geschäftsmann, der zwei Firmen in Limburg betrieb. „Als ich mit der Harmonic Drive AG nach Limburg kam, hatten wir weniger als 30 Mitarbeiter beschäftigt. Wir haben viele Jahre hart und erfolgreich gearbeitet und hatten in 2017 insgesamt mehr als 500 Beschäftigte. Sicher eine Erfolgsgeschichte“. Seine Tätigkeit führte ihn viel ins Ausland. Auf seinen Geschäftsreisen in Europa, Asien und den USA wuchs sein Interesse für Kunst und er begann, gezielt abstrakte Kunst zu sammeln.

Der seit fast 20 Jahren in Wiesbaden lebende Unternehmer hat in über 30 Jahren eine Sammlung von internationalem Rang zusammengetragen. Mittlerweile umfasst seine Kollektion über 800 hochkarätige Kunstwerke, die noch überwiegend in einem hochmodernen, geheimen Depot gelagerten werden. Rund 400 Arbeiten des amerikanischen Abstrakten Expressionismus, des europäischen Informel und der japanischen Gutai-Gruppe sollen in dem neuen Museum präsentiert werden – ergänzt durch Leihgaben aus aller Welt. Ernsts Sammlung vereint das Who‘s Who der informellen Malerei. Der renommierte Kunsthistoriker Prof. Zuschlag taxiert den Wert der Kollektion auf rund 70 Millionen Euro.

Anlässlich der Vorstellung des ersten Sammlungsbandes “Faszination Farbe“ konnten Besucher des Landesmuseums Wiesbaden im Frühjahr 2019 schon einmal einen kurzen Blick auf einige Werke des Sammlers werfen. Dabei zeigte sich deutlich Ernsts Liebe zur Farbe. Zu sehen waren u. a. Werke von Morris Louis , Ernsts Lieblingsmalerin Helen Frankenthaler, Hubert Berke sowie japanische Künstler aus dem Umfeld der Gruppe Gutai. Mit dieser Schau wollten die beiden Häuser auch die enge Zusammenarbeit verdeutlichen.

Das kinderlose Ehepaar gründete 2004 die Reinhard & Sonja Ernst-Stiftung, deren Zweck es ist, Kunst und Kultur zu fördern, sich für Kinder und alte Menschen einzusetzen und im Denkmalschutz mitzuwirken. „Dabei setzen wir“, so Reinhard Ernst „ausschließlich auf eigene Projekte. Das Leben hat es gut mit uns gemeint. Wir wollen andere Menschen an unserem Erfolg teilhaben lassen“. Mit jedem ihrer Projekte verbinden die Gründer eine besondere Beziehung. Das mache die Arbeit der Stiftung sowohl authentisch als auch effektiv.

2016 hat die Stiftung der Stadt Eppstein eine Musikschule geschenkt, um die sehr begrenzten  Möglichkeiten für die musikalische Bildung speziell von Kindern und Jugendlichen zu verbessern – „eine Herzensangelegenheit“, wie das Stiftungspaar betont, das lange in Eppstein gelebt hat. Auch unterhält die Stiftung Baudenkmäler, die als Ruinen gekauft und im Laufe von Jahren durch persönlichen Einsatz grundlegend saniert wurden. „Wenn wir etwas tun, dann richtig. Heute stellen diese Immobilien eine konstante Einnahmequelle unserer Stiftung dar“, so Ernst.

Weitere Informationen unter: www.ernst-stiftung.de

 

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