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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Clara Schumann: Weggefährtin, Interpretin und Gralshüterin der musikalischen Romantik

Grenzüberschreitende Romantik – Gratwanderungen zwischen Literatur und Musik

Von Petra Kammann

Romantische Befindlichkeit beschäftigte die Gattin Robert Schumanns in ihrem bewegten Leben in vielfacher Hinsicht, in ihrer persönlichen Biographie und im Hinblick auf die Musikgeschichte. Als international renommierte Pianistin verhalf Clara Schumann der neuartigen romantischen Musik zum internationalen Durchbruch. Als strenge Musikpädagogin wie als Inspiratorin gleichermaßen betrieb sie an Dr. Hoch‘s Konservatorium in Frankfurt maßgeblich die Kanonisierung der Romantik. In ihrem Jubiläumsjahr anlässlich ihres 200. Geburtstags bot sie aktuell auch im Goethehaus Anlass, laut über das nachzudenken, was Romantik ausmache.

Goethehaus: Einführende Worte von Prof. Dr. Anne Bohnenkamp-Renken; auf dem Podium: der Pianist Michael Gees und die Kuratorin und Clara-Schumann-Kennerin Dr. Ulrike Kienzle, Fotos: Petra Kammann

Das unmittelbar neben dem Frankfurter Goethehaus entstehende künftige Frankfurter Romantik-Museum wirft seine Schatten voraus: man könnte auch sagen, seine Lichtstrahlen. Zunehmend mehren sich die Gespräche und Debatten rund um einen Begriff, dessen Bestimmung alles andere als leicht ist. Ist es am Ende gar die Musik, welche die romantischste aller Künste ist, weil sie eine besondere Erlebnisqualität vermittelt, die ebenso vom Auflösen der klassisch-harmonischen Struktur wie vom Innehalten, von Zeit und Stille, und vom Verklingen, das sich im Raum auflöst, geprägt ist? Ist es die Musik, die dem Klang der Natur, nach der die Romantiker Sehnsucht verspüren, am besten nachlauschen kann?

Um dem Phänomen des Romantischen auf die Spur zu kommen, hat die beherzte Leiterin des Freien Deutschen Hochstiftes und des angeschlossenen Goethehauses, Prof. Dr. Anne Bohnenkamp-Renken, die derzeit auch konzentriert über den Aufbau des Romantik-Museums wacht, gleich eine ganze Reihe von Veranstaltungen auf den Weg gebracht, die sich dem Thema widmet, wie die „Kunst der Romantik“ zu fassen sei und was sie ausmache.“ „Die Welt muss romantisiert werden“ lautet nach Novalis das Motto, denn Literatur, Kunst, Musik, Wissenschaft und Philosophie sind kaum mehr getrennt zu denken, haben sie doch Entscheidendes dazu beigetragen, der deutschen Romantik Weltgeltung zu verschaffen …

Was gilt als „romantisch” in Kunst und Literatur, was als die „Epoche der Romantik”? Wer gehört dazu? Wer nicht? Wann hat sie begonnen? Was zeichnet sie aus? Hört die Romantik jemals auf – oder ist sie nicht heute genauso aktuell wie vor zweihundert Jahren? Wie gehen wir mit dem romantischen Erbe um? Diesen und ähnlichen Fragen gingen an einem Gesprächsabend die Musikwissenschaftlerin, Clara-Schumann-Kennerin und Ko-Kuratorin des Deutschen Romantik-Museums Dr. Ulrike Kienzle und Michael Gees, der Pianist, Liedbegleiter (u.a. von Christoph Prégardien und Anna Lucia Richter) und Improvisator, mit musikalischen Beispielen nach.

Der Abend wurde zu einer veritablen Wahrnehmungsschule. Was die beiden Akteure im Dialog zwischen literarischen und musikalischen Motiven ausbaldowerten, analysierten, entwickelten und vermittelten, war die Offenheit und Vielfalt des romantischen Denkens und Schaffens, die sich etwa in der Form der Chromatik oder auch in der Arabeske widerspiegelt und so etwas wie Aufbruch verkündet. Die Bedeutung des für die Romantik so typischen „Seelentons der Sprache“ bekam im Wechselgespräch einen ausgesprochen frischen Klang. Die beiden loteten philosophische Tiefen aus und boten Romantikkritern keine Gelegenheit, das etwa mit „Gefühlsduselei“ gleichzusetzen, weil die Argumente immer auch intellektuell angegangen und auf die heutige Zeit übertragen wurden.

Der Pianist Michael Gees beherrscht perfekt die für die Romantik so bedeutende Kunst der Improvisation

Michael Gees begann mit einem scheinbar vertrauten Einstieg. Mit der „Loreley“. Allerdings nicht in der berühmten Vertonung von Friedrich Silcher. Über vierzig Liedfassungen des Textes von Heine waren im 19. Jahrhundert entstanden. Gees wählte die Vertonung durch Clara Schumann zur Illustration seiner Auffassungen. Sie entstand 1843, drei Jahre nach der ihres Mannes, und blieb wie die meisten Lieder von Clara zunächst ungedruckt. Als Inspiratorin habe sie anderen aber die „Erlaubnis gegeben, frei zu denken und zu tun“ und herauszukitzeln, dass etwas sangbar wird. „Ich weiß nicht, warum ich so traurig bin“. Bei der Vertonung dieser Zeile habe sie die unsagbare Verwandlungsfreude des Weiblichen plötzlich wieder zurückgenommen. Das Changieren zwischen dem Liebeszauber und den gähnenden Abgründen der Realität,  in die fast tonlose Starre, sei ebenso charakteristisch wie das Klaffen zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen „Utopie und Dystopie“ (Kienzle).

Wie mit Engelszungen redeten die beiden Dialogpartner einem erweiterten Epochen-Verständnis das Wort, wie es seinerzeit in Europa gepflegt wurde. Da seien die Grenzen zwischen Klassik und Romantik sehr unscharf verlaufen. Sie wollten den „Klassiker“ Goethe und die Romantiker nicht säuberlich voneinander trennen. Die Übergänge seien von Werk zu Werk verschieden gewesen, denke man nur an den „Faust“ oder Mozarts „Requiem“ oder das stürmische Vorantreiben, das sich in der gehetzten Bewegung und im Moll des Schubert’schen „Erlkönig“ ausdrückt, diesen Variationen zwischen „herabbeugenden Melodien der Verzweiflung“ und „schönen Erfindungsfährten“. Wie lasse sich da messerscharf eine Epoche ausmachen, deren Kennzeichen die Flüchtigkeit sei, die nach der Französischen Revolution anderseits die Geschichte und Vergangenheit neu interpretiere?

Kienzle erläuterte, in welch ungeheurem Dilemma sich die so begehrte wie erfolgreiche Pianistin und Komponistin Clara Schumann damals befunden haben muss – sie spielte vor Königen und Zaren –  und wurde förmlich ausgebremst. Sie liebte Robert Schumann, den sie gegen die Widerstände ihres Vaters geheiratet hatte, und sie sollte plötzlich eine ganz andere Rolle spielen. Als Robert Schumann ihr ein kostbares Kochbuch mit der Widmung „meiner Hausfrau“ überreichte und ihr kurz drauf mitteilte: „Warte nur, bis ich Dir die Künstlerin austreiben will“…, nahm sie sich zurück, was sich auch in ihren Kompositionen niederschlug. Sie war zwar schon weit ihrer Zeit voraus, ernährte durch ihre rege Konzerttätigkeit die angewachsene Familie mit Kindern, doch waren die „Angst vor dem Weiblichen“ einerseits und die Zweifel „des Weiblichen am Weiblichen“ (Gees) auch bei ihr noch stark ausgeprägt.

Gees sprach über die melodischen Lähmungen in den Kompositionen der Zeit, über die Sehnsucht und Natur-Seligkeit ebenso wie über die Zweifel, die mit dem ständigen „Auf der Lauer sein“ verbunden sind, über den schöpferischen Umgang mit Leid und über romantische Kippfiguren, für die er jeweils musikalische Motive auf dem Klavier parat hatte. Aber er verwies auch auf das genaue Hinhören, das sich Öffnen für die neuen Töne, die andere Imaginationsräume aufschließen können: So habe etwa Robert Schumann seiner Fantasie C-Dur op. 17 ein Zitat von Friedrich Schlegel vorangestellt: „Durch alle Töne tönet/ Im bunten Erdentraum/ Ein leiser Ton gezogen / Für den der heimlich lauschet“.

Viel Beifall gab es für den Pianisten Michael Gees und die Kuratorin und Moderatorin Ulrike Kienzle

Die Romantik habe heute wieder eine neue Relevanz bekommen. Unser Körper als „inneres Ausland“, unsere „innere Stimme“ seien uns abhanden gekommen, die es neu zu entdecken gelten. Als Beispiel zitierte Gees zum Schluss „Die Nachtigall“, der Hans Christian Andersens Kunstmärchen zugrunde liegt, zu dem er seine eigene Vertonung am Klavier improvisierte. Darin ging es um den künstlichen Vogel, den der Kaiser von China vom Kaiser von Japan geschenkt bekommen hat, um die echte Nachtigall zu ersetzen. Aber die künstliche Nachtigall geht irgendwann kaputt. Als dann die echte Nachtigall den Kaiser vor dem Tod rettet, ist der Kaiser unendlich dankbar… Natur ist eben nicht durch künstliche Mechanik, welche die Romantiker ebenfalls beschäftigte, zu ersetzen. Ein durchaus aktuelles Thema…

Die zur Zeit der Romantik übliche Kunst der Improvisation, auch sie sei eine verlorengegangene Fähigkeit, die wir wieder stärken sollten (Kienzle). Erst, wenn wir wieder der allen Dingen innewohnenden Magie vertrauen, können wir ihnen wirklich nahekommen, wusste schon der Romantiker Eichendorff:

„Schläft ein Lied in allen Dingen,
Die da träumen fort und fort,
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst du nur das Zauberwort.“

Möge auch seine „Wünschelrute“ dem künftigen Programm des Romantik-Museums als Pate dienen und so exzellente Veranstaltungen hervorbringen.

→https://www.goethehaus-frankfurt.de/ausstellungen_veranstaltungen/veranstaltungen

→ Ein Konzert aus der Kreativschmiede von Dr. Hoch’s Konservatorium

→ Clara Schumann: Eine moderne Frau im Frankfurt des 19. Jahrhunderts: Eine Ausstellung im Institut für Stadtgeschichte

 

 

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