Debout! – François Pinault-Sammlung im Jakobinerkloster in Rennes
Sehet, so ist der Mensch! – Filetstücke aus der Collection Pinault
Spektakulär und weithin sichtbar in der Altstadt von Rennes: das durch den Architekten Jean Guervilly sanierte und erweiterte Jakobinerkloster aus dem 14. Jahrhundert mit einem metallisch stabilisierenden Kern, Alle Fotos: Petra Kammann
Rennes, die Hauptstadt der Bretagne, hat sich in ihrem Zentrum unweit der Place des Lices und in Nähe der herausragenden Markthallen und alten Fachwerkbauten, aufgehübscht, indem sie das Jakobinerkloster, dessen ältester Teil auf das 14. Jahrhundert zurückgeht, auf Stelzen gestellt, ausgeweidet und mithilfe eines stabilen Metallkerns in ein spannendes Kongresszentrum des 21. Jahrhunderts verwandelt hat. Durch das Projekt kommt nun das ehemalige Kloster als bedeutendes architektonisches Erbe der Stadt Rennes zu neuen Ehren. Zusätzlich zur Renovierung der alten Bausubstanz und dank der eleganten zeitgenössischen Erweiterung durch den Architekten Jean Guervilly umfasst der Bau mehrere Ausstellungs- und Mehrzweckräume und ein modulares Auditorium, in dem bis zu 1000 Personen Platz finden. Unter dem alten Kreuzgang sind Konferenzsäle entstanden und in den lichtdurchfluteten Räumen um den früheren Klosterhof findet nun bis zum 9. September 2018 die Ausstellung „Debout!“ („Aufrecht!“) statt: Eine Auswahl aus rund 60 zeitgenössischen Werken – gewissermaßen Filetstücken – aus der Sammlung des französischen Milliardärs François Pinault. Einen Einblick gewährt
Petra Kammann
Verbindung von Moderne und Historie: Blick in das lichtdurchflutete Atrium der Ausstellung „Debout !“ mit einer Werkauswahl der Collection Pinault im Couvent des Jacobins in Rennes (23.06 – 09.09.2018)
Schon der Eingang ins Haus ist bemerkenswert, mit funktional-modernen Aufschriften auf den metallenen Wänden und Licht von oben. Überall sich öffnende Perspektiven. Im großzügig gestalteten Entree nimmt man dann auch die überlebensgroßen monumentalen Skulpturen dreier herausragender Bildhauer wahr, die sich mit der Condition humaine des modernen Menschen auseinandersetzen, die in diesem architektonischen Umfeld ihre Wirkung nicht verfehlen: eine zwischen Zeichnung und Skulptur angesiedelte verletzlich hockende Gestalt, die im Begriff ist, sich zu erheben, mit „Baby“ betitelt erscheint geradezu monsterhaft. Sie stammt von dem in Kalifornien lebenden englischen Künstlers Thomas Houseago und entstand zwischen 2009 und 2010. Räumlich rhythmisch gefolgt ist sie von dessen aufrecht stehender Skulptur Striping Figure II (Ghost) aus dem Jahr 2012. Die sich im Zustand fortschreitender Auflösung befindende Gestalt gewinnt durch den bewussten Schritt nach vorn aber an Kraft – eine Anspielung auf die Shakespeareschen Gespenster?
Dieses toten Geister werden durch die Kraft der Erinnerung gestützt und verfolgt von ihrer Unvollkommenheit. Das Ende des Raums ist „gekrönt“ von der berühmten gewaltigen Bronzeskulptur „Vater Staat“ (2010) des Düsseldorfer Künstlers Thomas Schütte, dem auch ein weiterer kompletter Raum gewidmet ist. Die in einem bodenlangen Mantel eingehüllte Gestalt, deren Arme fehlen, wirkt jedoch vollkommen ohnmächtig und handlungsunfähig. Für Schütte selbst ist die Figur „eigentlich nur ein Mäntelchen mit einem Gesicht drin“, auf jeden Fall ein Ausdruck der Hilflosigkeit.
Wie auf einem Marktplatz liegen im Raum verteilt dann auf Tischen ausgebreitet die Cadernos de Africa des brasilianischen Künstlers Paulo Nazareth, der sich 2013 von Johannesburg nach Lyon aus wandernd auf den Weg gemacht und die Spuren der Sklaven und seiner eigenen afrikanischen, europäischen und indigenen Wurzeln verfolgt hat. „Ich gehe, um mehr zu erfahren“, sagt er. Immer wieder dokumentiert er seine Reisen mit Objekten, Zeichnungen und zum Teil humorvollen Videos. Im Jakobinerkloster können seine großformatigen Plakate von jedermann zum Preis von 3 Euro erworben werden. Die Erlöse kommen dem „Centre Communal d’Action Social de Rennes“ zugute. Eine bewältigbare „Wiedergutmachung“.
Lynette Yiadom-Boakye, Uncle of the Garden, 2014
In einem anderen Raum ist man geradezu magisch angezogen von zunächst dunkel wirkenden großformatigen Gemälden, die menschliche Figuren abbilden, deren betont helle Partien wie Augen oder Details an Kleidungsstücken die ganze Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sie stammen von Lynette Yiadom-Boakye, einer englischen Künstlerin, Autorin und Malerin mit ghanaischen Wurzeln, 1977 in London geboren, wo sie heute auch lebt und arbeitet. Ihre Figuren sind fiktionale Charaktere und bewusst keiner Zeit und keinem Ort zuzuordnen. Yiadom-Boakyes expressiver großzügiger Malstil kommt auf den großen puristischen und sorgfältig restaurierten und ergänzten Wänden besonders stark zum Ausdruck. Fast unauffällig beschäftigt sich die Künstlerin einerseits mit den formalen Mechanismen des Mediums Malerei und deckt andererseits politische und psychologische Dimensionen auf.
Es verwundert kaum, dass Yiadom-Boakye auch Kurzgeschichten schreibt, die sie gemeinsam mit Abbildungen ihrer Malereien veröffentlicht, wenngleich diese nicht in direktem Bezug zueinander stehen müssen. Ihr eigener Hintergrund jedoch geht zweifellos in ihre Werke ein. Yiadom-Boakyes Eltern stammen beide aus Ghana und arbeiteten als Krankenpfleger in London. Tochter Lynette schlug einen anderen Lebensweg ein. Sie erwarb 2003 einen Magistertitel an der Londoner Royal Academy of Arts. Da wir es eher gewohnt sind, Porträts von Weißen in der Malerei zu finden, stellte sie sich bewusst folgende Fragen: „People ask me, ‘Who are they, where are they?’ What they should be asking is ‘What are they?’“ Diese Fragen hat sie vor allem künstlerisch brillant gelöst.
Ihre Arbeit wurde zu Recht vielfach gewürdigt: 2017 hat das New Museum in New York der ausdrucksstarken Künstlerin eine Einzelausstellung gewidmet, 2016 die Kunsthalle Basel, das Haus der Kunst in München wie auch 2015 die Londoner Serpentine Gallery. Inzwischen nahm sie außerdem von 2015-2017 an der British Art Show 8, an der Biennale in Sharjah in den Emiraten teil, 2015 in Göteborg, 2013 an der Biennale in Venedig, an der Triennale des New Museum in New York sowie 2012 an der Biennale in Lyon. Und 2012 wurde sie mit dem Pinchuk Foundation Future Generation Prize ausgezeichnet; 2013 kam sie in die engere Wahl für den renommierten Turner Prize.
Für die Kinder so verblüffend realistisch wie erschreckend: Maurizio Catellans „Him“ von 2001
Dem in New York lebenden, 1960 in Padua geborenen italienischen Künstler Maurizio Cattelan gefiel es, sein Publikum zu provozieren. Mit seinen lebensecht wirkenden Figuren inszeniert er skurrile, komische und gegen den Stachel löckende Situationen. 2001 gestaltete er mit dem coolen Titel Him eine kindlich, klein und unschuldig wirkende und fromm- kniende Figur von Adolf Hitler, welche 2016 für den Rekordpreis von 17,2 Millionen Dollar versteigert wurde. Fast wirkt dieser Hitler im Museumsumfeld mitleiderregend.
Zu Catellans Aufsehen erregenden Installationen zählen ebenfalls Arbeiten wie La Nona Ora – Die neunte Stunde (1999), eine Figur von Papst Johannes Paul II., der von einem Meteoriten getroffen wird. Zusammen mit Massimiliano Gioni und Ali Subotnick kuratierte er 2006 die vierte berlin biennale für zeitgenössische kunst unter dem Titel: Von Mäusen und Menschen. Aufsehen erregte auch seine Skulptur L.O.V.E. („libertà, odio, vendetta, eternità“ – d. i. ‚Freiheit, Hass, Rache, Ewigkeit‘) aus Carrara-Marmor, die 2010 vor der Börse in Mailand errichtet wurde und deren zum römischen Gruß ausgestreckter Hand alle Finger bis auf den ausgespreizten Mittelfinger abgetrennt wurden,um den Faschismus zu karikieren. Schlagzeilen machte auch seine Installation America, ein voll funktionsfähiges Tiefspül-WC aus 18-karätigem Gold, welches das Solomon R. Guggenheim Museum im Jahr 2016 in einen bestehenden Toilettenraum einbauen ließ.
Marlene Dumas, die 1953 in Kapstadt geborene, südafrikanische Künstlerin, deren Werke in den großen Sammlungen vertreten sind wie in der Punta della Dogana in der Ausstellung „Prima Materia“ (2013-2015) und „Mapping the Studio“ (2009-2011), im Palazzo Grassi in „Le Monde vous appartient „(2011-2012) und „Sequence 1“ (2007) sind, lebt und arbeitet seit 1977 in Amsterdam. In der Vergangenheit hat Dumas Gemälde, Collagen, Zeichnungen, Drucke und Installationen angefertigt. Heute arbeitet sie vorwiegend mit den Techniken Öl auf Leinwand und Tusche oder Aquarell auf Papier. Fast alle von Marlene Dumas‘ Werken basieren auf einer fotografischen Vorlage, die sie selbst aufgenommen oder den Medien entnommen hat. Auf ihren in fahlen Farben gemalten Bildern stellt sie radikale Themen wie Tod, Gewalt, Geschlechterkampf, Schuld und Zärtlichkeit dar. Zwei ihrer in leichenblassen Grau-, Braun- und Grüntönen gehaltenen querformatigen schmalen Bilder „Gelijkenies ! & II (Likeness I & II)“ sind in der Schau in Rennes zu sehen. Sie erinnern an Grablegungen, ohne dass sich beim Betrachten das tröstliche Gefühl der Wiederauferstehung einstellen würde. Vielleicht hat auch der tote Christus von Hans Holbein, dem Jüngeren (1497-1543) hier Pate gestanden.
Blick in den ehemaligen Kreuzgang mit Charles Ray, Boy with Frog, 2009
Im Mittelpunkt des Kreuzgangs steht fast unwirklich die weiß durchscheinende Skulptur „Boy with Frog“ des US-Bildhauers Charles Ray – ein Künstler, der dem Genre der vordergründig klassischen Skulptur durch ein elaboriertes Spiel mit Größenverhältnissen und der unterschiedlichen Qualität der Oberflächen immer wieder Verblüffendes abgewinnen kann. Das Gesicht, der Körper des Buben wirkt weich, seine Körperformen sind nicht detailliert ausgeprägt, während der Frosch bis in die kleinste Warze genauestens ausgearbeitet ist. Auch wenn die Skulptur – aus bemaltem Edelstahl gefertigt – an antike Skulpturen erinnert, so ist sie doch höchst zeitgenössisch, weil sie ohne die Ideen der heute gängigen technischen Erweiterungen des Sehens nicht realisierbar gewesen wäre.
Dieses Werk ist eines der Highlights der Schau und somit auch titelgebend auf dem Plakat abgebildet, wohl nicht nur wegen seiner künstlerischen Qualitäten, sondern wohl auch ebenso wegen seiner kurzen, aber bewegten Geschichte. Die etwa zweieinhalb Meter hohe Skulptur hatte seinerzeit in Basel einen ganzen Raum des Kunstmuseums eingenommen, 2009 wurde sie dann an der Punta della Dogana in Venedig aufgestellt – jenem einstigen Zollgebäude, das von François Pinault zum Kunst-Hotspot umfunktioniert worden war. Die Skulptur musste jedoch ihren Platz räumen, weil die Genehmigung zu ihrer Aufstellung ausgelaufen war und nicht mehr erneuert wurde, u.a., weil eine Gruppe von Venezianern gegen die Figur protestierte: „Der dargestellte Bub steht an der Schwelle zur Reife und es sieht so aus, als würde er auch die Grenze von der Antike zur Zeitgenossenschaft überschreiten. Venedig wehrt sich stur dagegen, diesen Schritt zu tun“, hieß es damals. Nun, auf neutralem französischen Territorium, lässt sich der überlebensgroße Knabe – eine Anspielung auf Michelangelos „David“ – wieder ganz aus der Nähe bestaunen, spiegelt er sich doch auch noch fast unwirklich in den verglasten Rundbögen im Kreuzgang des Klosters.
Sehr viel realistischer und ergreifender hingegen wirkt die nackte Ecce-Homo-Gestalt, ein Schmerzensmann namens „Romeu“ (2010), der 1964 im belgischen Gent geborenen, dort lebenden und arbeitenden Berlinde De Bruyckere – eine zärtliche Referenz an den Tänzer Romeu, Lieblingsmodell der Künstlerin, der für viele Werke Modell stand.
Die Gestalt ist ohne Gesicht und Identität und erweckt das Mitleid des Zuschauers. Bei De Bruyckere vereinen sich Momente des Schmerzes, aber auch der Lust, der Scham und der Trauer außerhalb eines religiösen Zusammenhangs. Mit ihren schockierend direkten, berührenden Figurendarstellungen versetzt die Künstlerin den Betrachter in wechselnde Gefühlslagen zwischen Abscheu und Betroffenheit. De Bruyckeres Zeichnungen wie auch ihre Skulpturen nehmen einen insofern stark mit. Obwohl De Bruyckeres Werke Nacktheit, Verletzung und Tod zeigen, bleiben sie in emotionaler und ästhetischer Distanz zum Voyeurismus der Medien und zu den Mechanismen heutiger Werbebilder.
Bekannt wurde die flämische Künstlerin vor allem wegen der Darstellung der gestürzten Pferde (als Referenz auf die getöteten Tiere auf den „Flanders Fields“) bekannt. Die Skulpturen aus Leder und Fell, Wachs, Wolle, Holz und Metall sind oft genug ohne Kopf und bleiben Fragmente. Sie verankert das christliche Motiv des leidenden Menschen in der Gegenwart. Aus der Beschäftigung mit dem Leib ergeben sich bei De Bruyckere Fragen nach der Ethik unserer Gesellschaft und dem Wert, dem wir körperlicher Erfahrung und dem Mysterium Leib zuerkennen. Dabei lässt sie sich in ihren Werken der letzten Jahre von Lucas Cranach inspirieren. Cranachs Bilder thematisieren vor dem Hintergrund der Theologie Martin Luthers die Erfahrung des Leiblichen und führen zu den grundsätzlichen Fragen über die Beschaffenheit des Menschen.
Verblüffend ist beim Rundgang durch die klösterlich-zeitgenössischen Räume die Wirkung der hyperrealistischen Skulpturen des US-amerikanischen Duane Hanson (1926 in Alexandria in Minnesota geboren und 1996 in Boca Raton in Florida gestorben), weil sie für lebensecht gehalten werden wie das Baby im Buggy („Baby in Stroller“ von 1995), von dem einige empörte Zuschauer annehmen, es hätte dort jemand allein stehen gelassen. Mit dem auf einem Stuhl sitzenden, in farbbekleckertem Jeans-Outfit zeittypisch mit langem Haar und Wollmütze auf dem Kopf, alternativen Künstler, dem „Skatet Artist“ von 1971, möchte gern der eine oder andere ein Gespräch beginnen, warum er in der Ausstellung so stumm dasitzt. Duane Hanson war ein wichtiger Vertreter der sozialkritischen Kunst in einer Zeit des Umbruchs in den USA, der Sympathie und Einfühlungsvermögen für die von ihm dargestellten Menschen hegte, indem er u.a. ihre Resignation, Müdigkeit oder auch Verzweiflung darstellt, die sich jeweils in ihrer Körperhaltung ausdrückt.
Die Ausstellung greift philosophische und existenzielle Fragen über das Schicksal geschundener Menschen auf. Werke so renommierter Künstler wie Maurizio Cattelan, Marlene Dumas, Bertrand Lavier, Jake & Dinos Chapman, Due Hanson, Marlene Dumas, Vincent Gicquel oder Thomas Schütte sowie aufstrebender Talente werden zum Thema „individuelles oder kollektives Schicksal“ ausgestellt.
Etliche der ausgestellten Werke wurden infolge eines Ereignisses kreiert, die zuvor das Leben des Künstlers, einer Drittperson oder auch der gesamten Menschheit verändert hat. Passend zum ehemaligen Kloster wurde entstand hier eine Ansammlung von Ecce homo- oder auch Vanitas-Darstellungen. Die Ausstellung lädt außerdem dazu ein, seine eigenen Fähigkeiten und menschlichen Bedingungen zu hinterfragen, Herausforderungen und Probleme anzugehen, mit denen man konfrontiert wird, ohne dabei einzuknicken: „Débout!“ eben. Aufstehen! und Aufrecht bleiben!
François Pinault
Kunstsammler und Gründer der Kering-Gruppe mit Puma und Gucci
← François Pinault, Foto:© Matteo De Fina
François Pinault, der Initiator dieser hervorragenden Schau, verfügt über eine der größten zeitgenössischen Kunstsammlungen der Welt, die regelmäßig im Palazzo Grassi und in der Punta della Dogana in Venedig ausgestellt wird. Und schon bald, ab 2019, wird sie in Paris in der vom japanischen Architekten Tatar Ando umgebauten Bourse de commerce, der ehemaligen Warenbörse von Paris, mit dem Museum der Fondation Pinault zu sehen sein.
Der schwerreiche Kunstsammler François Pinault – er wird unter den TOP 30 der weltweit reichsten Menschen geführt – ist Bretone und somit auch bodenständig. Inzwischen hat der über 8o-jährige schon vor etlichen Jahren sein Imperium seinem Sohn François-Henri überlassen, um sich fortan nur noch seiner Leidenschaft, der Kunst, zu widmen, der Kunst im Allgemeinen und der Zeitgenössischen im Besonderen. Mehrere Tausend Werke kann er sein Eigen nennen. Außerdem hat er auch das erfolgreiche Auktionshaus Christie’s gekauft. Damit hat er nicht nur den Überblick über das Kunstmarktgeschehen, sondern auch sein untrügliches Auge noch weiter geschult und kann zudem als Händler, Sammler und Kurator in einer Person voll und ganz seiner eigenen Eingebung vertrauen.
Dass er in diesem Jahr eine Ausstellung im fabelhaft frisch sanierten Jakobinerkloster in der bretonischen Kapitale Rennes in Angriff genommen hat, spricht für die Treue zu seinen Wurzeln. Der aus Les Champs-Géraux stammende Sohn eines einfachen Holzhändlers ist nicht nur Besitzer des Théâtre Marigny in Paris, sondern auch Inhaber des Fußballvereins Stade Rennes. Dabei schloss er nicht einmal die Schule ab, besuchte nie eine Universität.
Vielleicht darum will er es den Rennaisern zeigen, wozu ein Junge aus einfachen Verhältnissen fähig ist und dass man es im Leben zu etwas bringen kann. Im Collège Saint-Martin, in das er mit elf kam, war ihm schlagartig klar geworden, dass er nicht zur feinen Rennaiser Bougeoisie zählt, als er von seinen Mitschülern als „Cul-terreux“ (als „Bauerntrampel“) verhöhnt wurde. Er hat die Provokation einfach ignoriert. Doch saß die Verletzung des Heranwachsenden tief. Er schärfte seinen Blick, passte besser auf als andere, hörte besser zu.
Voller Ehrgeiz hatte er sich entschieden, die Herausforderung anzunehmen und die Schmach seinen Kritikern mit wirtschaftlichem Erfolg und gesellschaftlichem Engagement heimzuzahlen. Begeistert hat er daher in diesem Jahr die Einladung der Rennaiser Bürgermeisterin Nathalie Appéré aufgegriffen, einen Teil seiner Sammlung im Zentrum der bretonischen Kapitale an dieser besonderen historischen Stätte zu präsentieren und seine Leidenschaft mit anderen Bretonen wie auch mit nach Rennes kommenden Menschen zu teilen. Chapeau!
Fotos: falls nicht anders erwähnt: Petra Kammann